„Pregau – Kein Weg zurück“-Kritik Ep. 3: „Die Erpressung“

Die Ermittlungen nach dem Autobahnschützen sind in vollem Gange. Foto: ORF/Petro Domenigg

Nach einer durchwachsenen zweiten Folge packt „Pregau – Kein Weg zurück“ spürbar mehr Action in „Die Erpressung“. So richtig überzeugend ist das trotzdem nicht.

Die Besprechung der ersten Folge „Der Fehler“ findet ihr HIER, die Besprechung zur zweiten Folge „Die Lügen“ HIER.

Die Serie wird ihrem Untertitel gerecht: Aufgegeben wird ein Brief, ein Weg zurück existiert auch nicht – für Hannes gibt es nur die Flucht nach vorn. Kaum löst er ein Problem, ergibt sich ein neues und so werden seine Ausflüchte immer verzweifelter. Wie er sich immer weiter in den selbst verschuldeten Mist hineinreitet, ist der wohl überzeugendste Aspekt der Serie. Die Handlung bleibt unter anderem deshalb spannend, weil Hannes dabei nicht unbedingt geschickt vorgeht oder weitsichtig handelt.

Die Zeugen und Mitwisser häufen sich stetig – nur um dann wieder weniger zu werden. Drei sind tot, einer ist im Koma, einer bestechlich, eine ihm zum Dank verpflichtet, einer ein schizophrener Mörder und damit unglaubwürdig – da kann schon die Illusion entstehen,  dass Hannes davonkommen könnte. Matthias‘ Nachforschungen und Hannes‘ merkwürdiges Verhalten – etwa der spontane Verkauf seines Autos – lassen die Schlinge um Hannes‘ Hals immer enger werden, auch wenn er das noch nicht wahrhaben will. All die besten Szenen von „Die Erpressung“ drehen sich um diese Haupthandlung. Hannes‘ Davonkommen bei der Verkehrskontrolle, das Verhör von Dirrmeyer, das Verbuddeln der Leiche, das Feilschen ums Geld – so habe ich mir „Pregau“ vorgestellt.

Und das nicht nur wegen der Story – Hannes halte ich für einen interessanten Protagonisten. Der Polizist ist zu sehr mit sich selber beschäftigt, als dass ihn die diversen Machenschaften der Stadtbewohner interessieren würden. Dass der Onkel seiner Frau mit Prostituieren zu handeln scheint – gerade keine Zeit dafür. Der Autobahnschütze? Nebensächlich. Wenn sein Plan funktioniert und er davonkommt, wird sich Edith ewig um ihren Sohn sorgen und keine Antworten bekommen – aber daran verschwendet er gar keinen Gedanken.

Hannes macht viele Fehler, aber langsam wird er besser in dem, was er tut: Wie er dem Autohändler weitere 5.000 Euro abluchsen kann hat mir imponiert, und mit welchem Nachdruck er Dirrmeyer mit 20.000 Euro zufrieden stellt gibt ihm sicher selber einen Kick – so, wie er ihn auch am Ende von „Die Lügen“ verspürte. Die unheilige Allianz mit diesem Mann ist dank der gegenseitigen Antipathie und dem Dreck an ihrer beiden Stecken nuanciert, hängt aber in der Schwebe – letzteres wohl aber nicht mehr lange.

Die Grabschändung

Seine nächtliche Begegnung mit Dana rührt dann aber wieder was Humanes in ihm – da kann er sich wieder als einer der Guten sehen. Klar, sie hilft ihm dabei, Sebastian wortwörtlich ins Grab zu bringen (warum sie das tut ist mir ein Rätsel, dass sie es aber tut ist spitze), aber ihr dann das Geld vorbeizubringen weckt dann doch eine sentimentale Seite. Er war nicht einmal enttäuscht darüber, dass es wert gewesen wäre, sie zu bestehlen! Die Geschichte ihrerseits war in „Der Fehler“ und „Die Lügen“ furchtbar klischeehaft, bekommt hier aber endlich eine originelle Note – und ich bin gespannt, wohin das im Finale führen wird.

Allein die Umsetzung war eher naja: Wie Hannes am Berg stehend seine Gedanken äußert wirkte hölzern, und wie Hannes die Kränze wegwirft ist unlogisch – da sieht man am nächsten Tag doch, dass da jemand herumgepfuscht hat. Genial hingegen der Moment, als Hannes etwa am Grab kurz innehält, um den Namen der Verstorbenen abzulesen, bei der er sich entschuldigt: Das ist nicht nur zum Schreien komisch, sondern charakterisiert Hannes in seiner egoistischen Art treffend.

Werden nicht allzu bald beste Freunde: Hannes und Dirrmeyer. Foto: ORF/Mona Film/Petro Domenigg
Werden nicht allzu bald beste Freunde: Hannes und Dirrmeyer. Foto: ORF/Mona Film/Petro Domenigg

Mit dem Tod von Manuel wird das letzte Kapitel der „Pregau“-Saga eingeleitet. Damit gibt es endlich Aufschluss darüber, was es mit dem Autobahnschützen in den Folgen 1 und 2 auf sich hatte – was ziemlich gut gelöst und in die Hauptgeschichte integriert wurde. Auch hier kann die Umsetzung nicht halten, was das Konzept verspricht: Es war schon eine spannende Situation (etwa als Hannes „Aber du gehst vor“ sagt – wer „Fargo“ kennt, wird diese Situation bekannt vorkommen), aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass da mehr rauszuholen war. Zumindest die Musik hätte die Gefahrensituation untermalen müssen – stattdessen zerstreute sie aktiv die Spannung.

Zudem war der Wutausbruch des ansonsten stets besonnenen Manuel ein Störfaktor – das war ziemlich rollenwidrig. Auch merkwürdig: Manuel kennt Tom von der Schule, aber mit dessen Verhalten und seiner Aussage, dass er nie lügen würde, konnte er gar nichts anfangen. Zumindest hat uns Drehbuchautor und Regisseur Nils Willbrandt zuvor noch einen Grund gegeben, etwas beim Abgang von Manuel zu fühlen: Seine Interaktion mit Margott war schon zuckersüß, und die ausgemachte Verabredung ließ vermuten, dass er zumindest einen Tag noch überleben würde. Als er aber die Wahrheit über Hannes erfuhr, war er natürlich dem Tode geweiht.

Entschlackungskur nötig

Nach den ersten drei Stunden „Pregau – Kein Weg zurück“ wussten wir genug über die Charaktere, sodass sich „Die Erpressung“ in seinen Dialogen mehr der eigentlichen Handlung widmen und die Exposition auf einem Minimum halten konnte. Das kam dem Drehbuch spürbar zu Gute – all dessen Probleme löst das allerdings nicht. Mit Sandra kann ich etwa noch immer rein gar nichts anfangen, vor allem weil ihre schamanistischen Tätigkeiten so unausgegoren und schlussendlich fast ein wenig lächerlich wirken. Da können die Landschaft und der See noch so schön sein – ich sehe nur ein Mädchen mit Steinen spielen, eine mystische Atmosphäre entsteht nicht. Sandra ist dabei bei weitem nicht die einzige Figur, deren Präsenz mir Rätsel aufgibt.

Gleichzeitig krankt „Die Erpressung“ aber auch an einem Problem, das in den ersten beiden Folgen noch nicht so ausgeprägt war respektive für das man sich auf spätere Folgen vertrösten lassen konnte: Die Handlungsstränge sind nicht eng genug miteinander verknüpft. Das betrifft vor allem die ach so große Fehde zwischen den Hartmanns und den Hölzls, wovon wir noch nicht viel gesehen haben. In „Die Erpressung“ gibt es zwar eine (großteils durchaus gut gemachte) ebensolche beim zwischen den zwei Fronten stehenden Vizebürgermeister Wenzel, doch was das wiederum mit der Hauptgeschichte von „Pregau“ zu tun hat, bleibt „Die Erpressung“ schuldig. Von der Umgehungsstraße ganz zu schweigen. Die Intention war wohl, ein Panorama eines verdorbenen Pregaus zu zeichnen – leider ist das nur minder involvierend.

Auch hier noch nicht ersichtlich, wohin das führen wird: Maria will im Unternehmen mitbestimmen. Was sie bereit ist dafür zu leisten: "alles"... Foto: ORF/Mona Film/Petro Domenigg
Auch hier noch nicht ersichtlich, wohin das führen wird: Maria will im Unternehmen mitbestimmen. Was sie bereit ist dafür zu leisten: „alles“… Foto: ORF/Mona Film/Petro Domenigg

Muss denn alles eng miteinander zusammenhängen? Eine der Freuden von Serien ist es mitzuerleben, wie kunstvoll die Puzzleteile sich zu einem Ganzen zusammenfügen. Wenn beispielsweise Hannes von Dana unvermittelt erfährt, wer hinter dem Menschenhandel steckt, ist das so ein solcher Moment, wo man wieder ein wenig mehr vom großen Bild erkennt – und das regt auch Spekulationen an (Wie wird Hannes das zu seinen Gunsten verwenden können?). So hingegen hängt die Wenzel-Figur ein wenig in der Luft, nicht zuletzt deshalb, weil er ausschließlich mit den Herren interagiert, die unter den blassesten und uninteressantesten Figuren der Serie rangieren.

„Pregau – Kein Weg zurück“ gehört entschlackt, und das natürlich nicht erst im Schnitt. Bei „Die Lügen“ war das ein echtes Problem im Pacing, in „Die Erpressung“ ist die Lage ein wenig entspannter. Dennoch gehört der Rotstift angesetzt: Bei Wenzel, bei Sandra, bei Edith und dem Pfarrer, aber vor allem bei Elias Hartmann. Die Szene mit seinem Liebhaber Franz ist schlichtweg vergeudete Sendezeit, weil man immer noch nicht viel Charakter in diesen zwei Figuren erkennen kann – und weil nichts passiert. Der „Im Verbrechen vereint – das ist schon ein bissi sexy“-Ausspruch macht die Sache auch nicht gerade besser…

Setups und Payoffs

Hannes‘ Dilemma fesselt mich und bietet ständig neue Wendungen – fantastisch, das ist das Herz der Serie. Der Streit zwischen Hartmanns und Hölzls macht hingegen beides nicht. Mit den Geschichten von Sandra, Edith, Elias und den Zuhältern ist es immer noch nicht so recht zur Sache gekommen. „Pregau“ schraubt die Erwartungen an den noch kommenden Zusammenprall der zwei Familien mit zu vielen Setups in die Höhe, ohne dabei in den Nebensträngen jetzt schon allzu sehr gepunktet und genügend Payoffs erbracht zu haben. Da hat sich „Pregau“ fürs Finale viel vorgenommen – das muss die Serie dann aber auch liefern.

„Pregau – Kein Weg zurück“ läuft am 26., 27. und 30. September sowie 4. Oktober auf ORFeins. Danach sind die Folgen jeweils eine Woche in der TV-Thek verfügbar. Die Ausstrahlung im deutschen Fernsehen ist für Ende des Jahres angekündigt.

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