„Pregau – Kein Weg zurück“-Kritik Ep. 4: „Der große Tag“

Der Abschied von Rosa fällt schwer. Doch bald haben die Hartmanns andere Sorgen. Foto: ORF/Mona Film/Petro Domenigg

Kaboom! Das Finale von „Pregau – Kein Weg zurück“ lässt keinen Stein auf dem anderen. Die Folge ist durchaus spannend, die beste seit der ersten – lässt aber durch lose Enden und unterentwickelte Handlungsstränge die Serie als Ganzes schlecht da stehen.

Die Besprechung der ersten Folge „Der Fehler“ findet ihr HIER,
die Besprechung zur zweiten Folge „Die Lügen“ HIER und
die Besprechung zur dritten Folge „Die Erpressung“ HIER.

Das große Feuer

„Pregau“ hat von Anfang an sein Finale als großes Event dargestellt: der ominöse Monolog zu Beginn jeder Episode, Sandras Prophezeiungen, die Feuer-Träume, selbst der Titel von Folge 4 – „Der große Tag“ – versprach ein Feuerwerk. Ein solches liefert die Serie dann auch derart, dass das Effekte-Budget kaum mithalten kann: Feuerwerk, Explosionen und Toms Feuerpeitschen bombardieren da, von einer tragischen Hymne begleitet, die Sinne. Das schaut in manchen Einstellungen ein wenig bemüht aus – Ambition ist aber reichlich da, das freut das Serienherz.

Fast alle Figuren segnen im Club Eva das Zeitliche. Thematisch ist das durchaus poetisch: Im Hort der Sünde erhalten die Sünder ihre rechtmäßige Strafe. Matthias tanzt dabei zwar aus dem Rahmen, aber sonst hatte wirklich jede Figur Dreck am Stecken. Der Morast von Lügen, Intrigen, Inzest, Mord und Gier wird im wahrsten Sinne des Wortes gesprengt – vielleicht der einzige Weg, wie Pregau geläutert werden konnte. Die Dirrmeyers verbleiben im Tal (wobei Max Dirrmeyer durchaus auch gesündigt hat), die restlichen Überlebenden kehren dem Dorf für immer den Rücken. Ein großer Tag war es für Pregau allemal – für die österreichische Fernsehgeschichte nicht unbedingt.

Gleichzeitig ist es aber auch ziemlich frustrierend, alle Figuren sterben zu sehen. Es wäre interessant gewesen, zu sehen, was die Hartmanns mit Hannes anstellen würden, ob dieser einen Ausweg hätte finden können, oder wer den Abzug drücken würde. Das Aufeinandertreffen der Hölzls, Hartmanns und der Polizisten wäre doch der große Showdown der Serie geworden – doch dessen wurden wir beraubt. Gerade das Finale von „Pregau“ konnte mit vielen Wendungen glänzen, als alte und neue Wahrheiten ans Licht kamen – warum dann aufhören, wenn sich gerade alles zu einem Vortex der Konflikte zusammengebraut hatte?

Eine der vielen spannenden Konfrontationen: Lukas und Hannes. Foto: ORF/Mona Film/Hubert Mican.
Eine der vielen spannenden Konfrontationen: Lukas und Hannes. Foto: ORF/Mona Film/Hubert Mican

Wie sich die Charaktere in „Der große Tag“ mit Erpressungsmaterial gegenseitig übertrumpfen und sich eins aus wischen wollen – das ist die Art von Spannung, die „Pregau“ auch in den anderen Folgen hätte bieten sollen. Das wurde dadurch intensiviert, dass die Serie so viele Variablen ins Spiel gebracht hatte und dadurch reichlich unvorhersehbar wurde – Sachen wie Tom Dirrmeyers Sprengsätze waren sichere Wetten, aber wie und wo und mit wem war vollkommen unklar und daher spannend. Es war natürlich nicht abzusehen, dass „Pregau“ so viele der Bälle, die die Serie jonglierte, dann einfach fallen lassen würde.

Am Frustrierendsten sind dabei jene unzähligen Handlungsstränge, die „Pregau“ im Finale im Sande versiegen lässt. Die Umfahrungsstraße? Zeitverschwendung. Der oft diskutierte Verkauf der Tierkörperverwertungsanlage? Sinnlos. Die Affäre zwischen Edith und dem Priester? Existierte bloß, um auch Edith eine Sünde zu geben – thematisch schön, aber die zwei Charaktere erhalten nicht genügend Tiefgang. Die ermordete Dirne zu Beginn der Serie? Keinerlei Auswirkung oder Auflösung. Franz? Nutzlos. Die große Fehde zwischen den Familien? Unausgegoren, schwach dramatisiert und hat nie zu einem spannenden Konflikt geführt. Da kann die Serie noch so oft erwähnen, dass Frau Hölzl im LKW der Hartmanns umgekommen ist – spannend ist etwas anderes. Bislang ließ ich mich noch damit vertrösten, dass am Ende wohl ein richtig guter Payoff für die Familienfehde auf uns warten würde, „Der große Tag“ ist dabei jedoch eine maßlose Enttäuschung.

Quantität statt Qualität

Ein Problem, das sich über die gesamte Serie erstreckt, sind die teils unglaubwürdigen, teils mangelhaften, teils unklaren Figurenentwicklungen und Charaktermotivationen. Davon ist die Hannes-Figur ausgenommen; die halte ich für gelungen. Es kann allerdings nicht Sinn und Zweck der App sein, die Charakterisierung so manch anderer Figuren zu liefern, die „Pregau“ am Bildschirm nicht bieten kann. Lukas zum Beispiel – bei dem wird nie klar, warum er seine Tante so anhimmelt, erst die App bietet Erklärungsversuche (das aber wirklich ausgezeichnet). Von Chemie zwischen Maria und Lukas war jedenfalls nichts zu spüren, und die Avancen des Jungen waren, besonders in den letzten beiden Teilen, stets plump und repetitiv.

Bei Maria bemüht sich die Serie, ihr Dimension zu geben, aber ihre Charakterentwicklung ist nicht gerade gut dramatisiert. Ihr Wandel zur kalten Mutter und Geschäftsfrau ist abrupt und nicht immer nachvollziehbar – zu Lukas meinte sie noch emotional, dass sie bei ihrem Mann bleiben würde, nur um dann ohne erkennbaren Grund doch noch darauf zu kommen, dass sie ihn nicht liebt. Durch Lukas kann das ja kaum passiert sein, dessen Verhalten hat sich nie verändert. Wie sie ihrem Vater und besonders Elias Paroli bietet ist wiederum recht gut gelungen, ebenso ihr Funken Zweifel bei Hannes‘ vermeintlich letzten Worten an die gemeinsame Tochter – ganz schlau werde ich allerdings nicht aus ihr.

Andere Charaktere sind hingegen auch am Ende von „Pregau“ nur schemenhaft gezeichnet. Mehr noch: Viele Figuren entpuppen sich in „Der große Tag“ aber als zu peripher, als dass sie wirklich die viele Bildschirmzeit während der vier Folgen verdient gehabt hätten. Der Pfarrer und Franz wurden oben schon erwähnt, zu ihnen gesellen sich noch weitere. Anton etwa bleibt auch im Finale eine blasse Figur – nachdem ich aber schon bei „Die Lügen“ monierte, dass es ein totgetretenes Klischee sei, dass eine Prostituierte vor dem Freier flüchtet, ist es geradezu ironisch, dass sich dasselbe hier erneut abspielt. Hervorheben möchte ich ebenfalls Elias – dass dessen lächerliche Art wohl bewusst so inszeniert war, ändert nichts daran, dass es einfach absurd wirkte.

Eine schrecklich nette Familie: die Hartmanns. Foto: ORF/Mona Film/Petro Domenigg
Eine schrecklich nette Familie: die Hartmanns. Foto: ORF/Mona Film/Petro Domenigg

Die wohl größte Fehlentscheidung ist jedoch die Sandra-Figur. So schön es auch sein mag, wie sie am Ende das Tal verlassen kann, und so gut mir ihre Szene mit Tom Dirrmeyer im Wald gefallen hat, so frustrierend ist es zu sehen, wie die ganze Prophezeiungs-Storyline rein gar nichts bewirkt hat. Dass die Faszination mit den Steinen lachhaft ist, ist eine Sache; dass die Steine dann aber anscheinend lügen, was Hannes‘ Gesundheitszustand betrifft, während die Unheils-Prophezeiung in Erfüllung gegangen ist, ist aber noch ein weiterer Grund zum Mäuse melken. Sandras prophetische Kräfte sind also nicht nur schlecht geschrieben und tragen nichts zur Geschichte bei, sie sind auch noch inkonsistent. Von den Video-Tagebüchern in der App will ich gar nicht erst reden.

Geschrieben, aber schlecht geschrieben

Was die Dialoge betrifft, ist „Der große Tag“ sicher die beste Folge der Serie, auch wenn Autor Nils Willbrandt nach wie vor einige hinsichtlich ihrer Authentizität fragwürdige  und holprige Zeilen verteilt. Ein auffälliger Fauxpas ist die Nachvertonung, die mehrere Szenen merklich mit Zusatzinformationen versorgt, während man die Lippen der Darsteller nicht sehen kann – mit teils skurrilen Ergebnissen, etwa wenn Hannes erklärt bekommt, dass dies ihre Pension „Alpenrose“ sei, während sie gerade ein Gebäude betreten, bei dem „Alpenrose“ in dicken Lettern drauf steht.

Diese Art von Doppelung von Bild und Dialog ist aber ohnehin ein Markenzeichen der Serie, der man fast schon unterstellen muss, es absichtlich zu tun: Wie sonst könnte man sich erklären, dass Matthias bei offen gebrochenem Schloss erklären muss, dass das Schloss wohl offen gebrochen wurde? Auffallende Expositionswürste sind im Finale zum Glück nicht aufzufinden – aber das ist ein schwaches Lob, insgesamt liegen die Dialoge in „Pregau“ auf einem absolut inakzeptablen Niveau, das einer Eventserie diesen Aufwands schlicht nicht würdig ist. Dass die Schwächen des Drehbuchs derart offensichtlich sind, lässt nur den Schluss übrig, dass das System der Qualitätskontrolle – so es diese denn hier gab – nicht funktioniert.

Die Serie hinterlässt leider auch einige Logikfehler. „Der große Tag“ bietet eine Rückblende, in der wir sehen, dass Rosa und Gregor Plätze tauschen – warum allerdings? Warum flüchten sie vor dem weißen GTI – kennen sie etwa Sergej, oder was haben sie denn vor ihm zu befürchten? Warum besitzt Hannes nach wie vor seinen Audi – hatte er Dirrmeyer nicht schon einen Beleg gezeigt, dass der Verkauf unter Dach und Fach war? Warum erzählt Hannes bereitwillig seine Geheimnisse? Und warum kriegt Sandra (laut Video-Tagebuch) am Schluss doch noch ihre Million Euro? Nachdem die Hartmanns erfahren, dass Hannes für den Tod von Sebastian verantwortlich ist, werden sie doch wohl nicht wirklich die Million überschreiben. Wir sind für Erklärungen in den Kommentaren dankbar.

Leb wohl, Pregau.

 „Der große Tag“ ist schon eine unterhaltsame Folge und bietet spannende Wendungen – wenn doch bloß alle Episoden solch ein Tempo an den Tag gelegt hätten. Sie enthüllt allerdings auch, dass viele Elemente der Serie schlussendlich nicht funktioniert haben. Gerade in Sachen Hartmann gegen Hölzl konnte man sich in den vorherigen Folgen noch vertrösten lassen, dass da bestimmt noch was kommen würde – diese Erwartung konnte das Finale aber nicht erfüllen. Das versprochene Feuer konnte „Pregau“ in beeindruckendem Maße liefern, das Meiste rundherum hingegen nicht. Zu einer Fortsetzung wird es dank Tom Dirrmeyer nicht mehr kommen – unsere Trauer hält sich in Grenzen.

„Pregau – Kein Weg zurück“ lief am 26., 27. und 30. September sowie 4. Oktober auf ORFeins. Die Folgen sind jeweils eine Woche in der TV-Thek verfügbar. Die Ausstrahlung im deutschen Fernsehen ist für Ende des Jahres angekündigt.

6 comments

  1. Ich hatte bis zum Schluss gehofft, Hannes bedient sich all der Dinge die er weiss und liefert alle aus, bzw. löst einen Showdown aus in dem sich alle anderen vernichten.
    Selbst wenn er seinen Fehler bei der Verkehrskontrolle eingestanden hätte, steht er noch besser da als andere mit ihrem Vorsatz.
    Ab einen gewissen Punkt weiss er so viel, ist so viel passiert, dass Rosas Überredungsaktion nebensächlich wird und er mit Dirrmayer einen Zeugen für eine nachvollziehbare Notwehr gegen einen rasend Eifersüchtigen.
    Schade, dass es so platt wurde.
    Danke für die Artikel, kann nur zustimmen was die Löcher und unnötigen Handlungsstränge angeht.

  2. Nix Tvhek

    „Aus Gründen, die sich insebesondere aus Lizenrechten oder Orf-Gesetz ergeben, kann diese Sendung bzw. dieser Sendungsteil derzeit nicht im Internet bereitgestellt werden.“

    1. Nur von 20:00 bis 06:00.
      Der Grund, warum der ORF die Hosen voll hat, ist übrigens der „Tatort“. Die entsprechende Entscheidung der Medienaufsicht KommAustria kann man HIER einsehen. De ensprechenden Bilder sind im pdf zu sehen. Kann sich jeder selbst eine Meinung bilden, ob das gerechtfertigt ist und plausibel begründet, warum jetzt fast alle Filme und Serien nur in der Nacht in der TVthek angesehen werden dürfen.

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