Mit dem Zweiteiler um Effy Stonems Versuche, in der Finanzwelt Londons zu reüssieren, startete die stilbildende Serie des britischen Digitalkanals E4 in die siebte und abschließende Staffel. Marcus Kirzynowski outet sich einmal mehr als treuer Fan der für ein junges Publikum konzipierten Show, mit der der Sender ein Stück Fernsehgeschichte schrieb.
Ursprünglich sollte es ja bereits 2011 einen Kinofilm mit der ersten Besetzung der britischen Erfolgsserie „Skins“ geben, die bekanntlich alle zwei Jahre ihren kompletten Cast austauscht. Daraus wurde dann trotz bereits unterschriebener Verträge doch nichts. Als schließlich bekannt wurde, dass sich die Serienschöpfer Bryan Elsley und Jamie Brittain zum Ausklang mit drei jeweils zweigeteilten Filmen nur von drei Hauptfiguren der ersten beiden Generationen verabschieden wollten, war das Unverständnis unter Fans groß. Kein Tony, kein Sid, keine Michelle? Wirklich nur Cassie, der ohnehin nicht sehr beliebte Cook aus Staffel Drei und Vier und natürlich Effy, die als einzige Figur in vier Staffeln dabei war? Könnte das tatsächlich ein würdiger Abschluss einer Show werden, die doch immer eine Ensembleserie war? Nachdem der erste Zweiteiler „Skins Fire“ nun im UK gelaufen ist, kann die Antwort nur lauten: Ja!
Wir begleiten zunächst die erwachsen(er) gewordene Effy durch ihren recht eintönigen Alltag in London, wo sie einem stupiden Hilfsjob in einer Finanzagentur nachgeht und ansonsten das Partyleben – ganz im Gegensatz zu ihrer Mitbewohnerin und Schulfreundin Naomi (Lily Loveless) – weitgehend dran gegeben hat. Aber Effy wäre nicht Effy, wenn sie nicht auf ihre Chance lauern würde und so studiert sie abends Berichte ihrer Vorgesetzten, um eines Tages vielleicht doch in der Hierarchie der Firma aufzusteigen. Schließlich gelingt es ihr auch, ihren Chef zu überzeugen, ihr einen Kunden anzuvertrauen und dank der nicht allzu legalen Hilfe des in sie verliebten Softies Dominic landet sie einen großen Börsencoup. Aber die Finanzaufsicht wartet schon…
Kritiker meinten, die Darstellung der Aktienhandelswelt in „Skins Fire“ sei oberflächlich und klischeehaft, ebenso wie die Story, die man so ähnlich schon oft gehört und gesehen habe. Das geht insofern am Kern der Serie vorbei, als es in „Skins“ eigentlich noch nie um besonders ausgefeilte Geschichten ging, sondern eher um Stimmungen und Gefühle, um ein ganz bestimmtes Lebensgefühl. Hier ist es nun bloß eben nicht mehr das der Teenager, sondern das einer jungen Frau, die versucht, voran zu kommen, aber zunächst in einer Sackgasse gelandet zu sein scheint. Wie sie da herauskommt, ist nicht mehr so grell und laut in Szene gesetzt wie die ersten Staffeln, aber fast genauso faszinierend.
Kaya Scodelario läuft mit ihren großen, nach wie vor geheimnisvoll blickenden Augen durch die Finanzwelt und ein Leben, das ihr mindestens einige Nummern zu groß zu sein scheint. Überhaupt wirken die Protagonistinnen – neben Effy und Naomi kommt im zweiten Teil noch deren Freundin Emily (Kathryn Prescott) hinzu – zwar erwachsen, was ihre Probleme und die Versuche, diese zu bewältigen, angeht, aber unglaublich kindlich und verletzlich in ihrem Äußeren. Drogen, Sex und Partys spielen hier zwar auch noch eine Rolle, aber eher verhalten. Das Erwachsenenleben lässt sich eben nicht dauerhaft zwischen durchtanzten Nächten und Kater gestalten.
Stattdessen durchzieht eine deutlich kühlere Atmosphäre die Bilder des kapitalistischen Molochs London ebenso wie die Handlung. Stilistisch behauptet sich „Skins“ dabei einmal mehr als bahnbrechende europäische Serie, die es trotz begrenzten Budgets immer wieder schafft, mit Farbfiltern, Superzeitraffern und ähnlichem stimmungsvolle Bilder zu erschaffen, die man so auch in US-Serien nicht alle Tage zu sehen bekommt. Dagegen sieht jede beliebige deutsche Gegenwartsserie noch immer so aus, als sei sie aus den 80er Jahren.
An Dramatik gewinnt der Zweiteiler deutlich, als eine ernsthafte Erkrankung Naomis in den Mittelpunkt rückt. Und hier beweisen die Serienmacher um Autor Jamie Brittain, dass sie es immer noch verstehen, emotional bewegende Szenen zu schaffen, für die man besser die Taschentücher griffbereit halten sollte. Allenfalls Kleinigkeiten könnte man ihnen anlasten, so hätte es sicherlich nicht geschadet, Effys großen Bruder Tony, den Hauptprotagonisten der ersten beiden Staffeln, zumindest einmal kurz zu erwähnen. Alles in allem aber muss man anerkennen, dass die Autoren sich nicht auf ihren Lorbeeren ausgeruht haben und statt ein einmal erprobtes Erfolgsrezept endlos auszuschlachten, lieber voran geschritten sind – mit durchaus beachtlichem Ergebnis. Sollten sie in den verbleibenden zwei Doppelfolgen dieses Niveau halten, wird man sagen können, dass sich „Skins“ so verabschiedet hat, wie es begann: als ein herausragendes Beispiel für die große Kraft britischer Serienschaffender.
„Skins Pure“ und „Skins Rise“ laufen an den folgenden vier Montagen auf E4.