Der deutsche Film ist totgefördert. Früher war das schon einmal anders. Mit einem neuen Dokumentarfilm für den WDR will Dominik Graf auf die vergessene Tradition des deutschen Genrekinos aufmerksam machen. In Köln stellte er das Projekt vor.
„Der deutsche Film kann gar nicht besser sein“, nannte der Filmpublizist Joe Hembus schon 1961 seine Abrechnung mit dem damaligen Gegenwarts-Kinoschaffen der Bundesrepublik. Das Motto könnte in seiner Mischung aus ironischer Bewertung und Anklage der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wohl auch heute noch Anwendung finden. Dass der deutsche Film tot ist, stellt auch Dominik Graf als These an den Anfang eines Trailers zu seinem neuesten Dokumentarfilm-Projekt. Totgefördert, totgelobt, totnivelliert. Auf der einen Seite gibt es das seelenlose Kommerzkino eines Till Schweiger oder Matthias Schweighöfer, auf der anderen die verkopften, nur der Filmförderung zu verdankenden Kunstfilme von Berliner Schule und Konsorten, die allenfalls auf Festivals reüssieren, das normale Publikum aber nicht interessieren. Dazwischen: nicht viel.
Ausgerechnet in der Nachkriegszeit, in den 1950er und frühen 60er Jahren, findet Graf aber in der deutschen Filmgeschichte weitgehend vergessene Perlen des Unterhaltungskinos und eine Genrevielfalt, wie sie heute zwischen Romcom und Arthouse-Drama nicht mehr vorstellbar ist: Western, Heimatfilme, Krimis, Actioner, Liebeskomödien, Agentenfilme, Horror usw. usf. Das meiste davon war spätestens seit dem Oberhausener Manifest und dem einige Jahre später aufkommenden Neuen Deutschen Film bei Kritikern verpönt, verschwand mit all den Fassbinders, Kluges und Herzogs zuerst aus den Kinos und dann auch aus den Köpfen und den Filmgeschichtsbüchern. Dem versucht Graf schon seit Jahren mit seinen Mitteln entgegenzuwirken, sei es in seinen leidenschaftlichen Filmkritiken in der FAZ und anderswo, indem er selbst in seinen neueren Werken immer stärker dem Genrekino jener Jahre huldigt (siehe seine jüngsten „Polizeiruf“-Arbeiten mit Autor Günter Schütter) – oder eben jetzt, indem er in seiner zusammen mit Johannes Sievert für den WDR entstehenden Doku „Verfluchte Liebe Deutscher Film“ einige der Schätze hebt, die in früheren Jahrzehnten verborgen liegen.
Genüsslich das Blut ablecken
Im rasant geschnittenen etwa zehnminütigen Trailer, den Graf im Rahmen einer Tagung zu Erzähltraditionen im deutschen Film auf der Cologne Conference vorstellte, zersägt Désirée Nosbusch in Eckhart Schmidts „Der Fan“ (1981/82) noch einmal genüsslich ihren Lover und leckt danach das Blut von der Säge. Ansonsten wird viel geschossen, geschlagen und geprügelt. Für ein nachgewachsenes Kinopublikum ist es heute kaum vorstellbar, dass solche Filme in Deutschland einmal in großer Zahl produziert wurden. Inhaltlich gilt dabei vermutlich das, was Graf im anschließenden Diskussionspanel über den italienischen Genrefilm der 1960er Jahre sagte: „Eine funktionierende Industrie bringt viel Ausschuss hervor, aber auch tolle Sachen.“ Und der war im Übrigen ja eng mit dem deutschen Kino verbunden, standen in Cinecittà doch viele deutsche Schauspieler vor der Kamera. Namen wie Mario Adorf und Klaus Kinski sind ohne ihre italienischen Western nur schwer vorstellbar.
Umgekehrt fanden auch ausländische Regisseure damals ein Exil in Deutschland: der Tscheche Zbynek Brynych mit irren Filmen wie „Engel, die ihre Flügel verbrennen“ (1970) und als Stammregisseur bei den ZDF-Freitagskrimis, aber auch der Amerikaner Sam Fuller, der in den 1970ern plötzlich einen „Tatort“ für den WDR inszenierte („Tote Taube in der Beethovenstraße“), der eher eine abgefahrene Mischung aus Hardboiled-Detektivkrimi und James-Bond-Geschichte ist. Bei Graf wirken viele dieser Genrewerke emotional heute noch wesentlich stärker nach als der Großteil des in den 1970ern gefeierten Neuen Deutschen Films. Dabei war der Durchbruch der sogenannten Jungfilmer wie Kluge und Reitz und ihrer Nachfolger Wenders, Herzog, Schlöndorff, Fassbinder etc. bei Kritikern und teilweise auch Publikum im Grunde nur möglich, weil sich die aufwändige Art des Filmemachens Anfang der 1960er in Deutschland nicht mehr rechnete. „Oberhausen war auch eine Reaktion auf die sinkenden Zuschauerzahlen“, stellte der Publizist Dietrich Leder in Köln fest. „Das Versprechen, billigere Filme zu machen.“ Die meist introvertiert-reflexiven Filme dieser Welle machten dann dem deutschen Genrefilm endgültig den Garaus. Und mit den Oberhausenern kamen auch die Filmförderungsgremien. Heute ist es hierzulande fast unmöglich, einen Kinofilm zu machen, ohne dass einige von denen das Drehbuch für förderungswürdig erachtet haben. Dadurch hat sich das deutsche Kino literarisiert, nicht nur, wenn es um Literaturverfilmungen geht. „Dabei formen doch Schauspieler einen Film, nicht Drehbücher“, so Graf.
Die leuchtenden Augen des Film-Redakteurs
Danach gab es immer nur noch vereinzelte Versuche von Einzelkämpfern, an Genretraditionen anzuknüpfen. „Das Fazit meiner Generation [deutscher Filmemacher] ist schlecht“, konstatierte Graf. Die Karrieren von Regisseuren wie Wolfgang Büld (Riesenerfolg mit der Markus-/Nena-Komödie „Gib Gas – Ich will Spaß“, 1982/83, gefolgt von dem Riesenflopp „Der Formel Eins Film“, 1985, kurzes Comeback mit „Manta Manta“, 1991) oder Roland Klick („Deadlock“, 1970, „Supermarkt“, 1973/74) blieben irgendwie unvollendet. Viele hätten sich laut Graf in die Resignation zurückgezogen oder drehten auf eigene Kosten DVD-Filme, die dann kaum jemand sähe.
Graf selbst hat seit Jahrzehnten seine Nische beim Fernsehen gefunden, wo er seiner Leidenschaft fürs Genre frönen dürfe. „Im Fernsehen gibt es noch immer Redakteure, die Interesse an Genrefilmen haben“, erklärt er. „Da stoße ich mit Projekten der Autoren, die ich mag, immer noch auf leuchtende Augen – ganz anders als bei Filmproduzenten, die nur die Kosten sehen.“ Einer dieser Redakteure ist wohl auch WDR-Mann Frank Tönsmann, der mit Graf „Im Angesicht des Verbrechens“ gemacht hat und jetzt seine Doku betreut. Es gäbe beim WDR unter den Film- und Serienredakteuren durchaus ein Bewusstsein für die deutsche Genregeschichte, erläuterte der in Köln, bei Gesprächen mit Vorgesetzten spiele das dann aber keine Rolle. „Wir versuchen aber auch nicht, selbst aktiv Film- oder TV-Geschichte zu schreiben“, so Tönsmann. „Das halte ich auch nicht für sinnvoll, die Ideen müssen schon von den Filmemachern selbst kommen.“ Trends ergäben sich ohnehin immer erst in der Rückschau. Und da kann ein Film wie der zur Zeit entstehende von Graf und Sievert sicher helfen zu erkennen, dass das deutsche Kino schon einmal viel reichhaltiger war als heute.
Link-Tipp:
Die deutschen Genrefilme wurden in den 70ern auch von der Sexfilmwelle verdrängt. Dazu eine ältere Buchbesprechung.
Grafs eigene Karriere beweist ja letztlich vor allem eines: dass das Publikum ins Fernsehen abgewandert ist, und der „Genrefilm” diese Bewegung mitmachen musste. An Genre-Versuchen im Kino hat es aber durchaus nicht gefehlt, auch zur Hochzeit des „Autorenfilms” übrigens. Nur zum Beispiel: Schlöndorffs MORD UND TOTSCHLAG (1967), Fassbinders LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD (1969), Geissendörfers JONATHAN (1970), Hauffs MATTHIAS KNEISSL (1970), der schon erwähnte DEADLOCK von Roland Klick (1970), Volker Vogelers JAIDER (1971), Wenders‘ DER AMERIKANISCHE FREUND (1977), Herzogs NOSFERATU (1979), Petersens DAS BOOT (1981), Schenkels ABWÄRTS (1984), Gies‘ ZAHN UM ZAHN (1985), Patzaks DER JOKER (1987), Grafs DIE KATZE (1988), Beyers DER BRUCH (1989) usw usw. Die Filme sind von sehr unterschiedlicher Qualität, klar. Aber doch mehr als nur „vereinzelte Versuche von Einzelkämpfern”, wie mir scheint.
Wir hatten darüber gestern intern auch eine spannende Diskussion, die wir jetzt gerne hierher verlagern – danke dafür Herr Hochhäusler, welch hoher Besuch in unserem verwaisten Kommentarbereich!
Marcus wunderte sich z.B. darüber, wieso bei Graf jetzt ausgerechnet “Gib Gas, ich will Spaß” (1983) mit Nena und Markus als Positivbeispiel herhalten muss, der damals so überdeutlich auf der Neuen Deutschen Welle ritt, dass man es selbst als 12-jähriger schon als peinlich wahrnahm und lieber in einen Film mit Didi oder den “Supernasen” ging.
Positiv fallen mir noch Filme wie Fleischmann’s “Die Hamburger Krankheit” (1979) und Filme von Rainer Erler ein, “Fleisch” (1979) und “Plutonium” (1978) etwa. “Zahn um Zahn” mag ich in ihrer ansonsten tollen Aufzählung allerdings nicht gelten lassen, stützt der sich doch auf die Tatort-Schimanski-Reihe und deutet damit das wahre Dilemma an, das Graf eigentlich schon in “Es werde Stadt” herausgearbeitet hat, nämlich die Einführung des Privatfernsehens und der damit einhergehende Quoten- und Vermarktungswahnsinn. Stars mussten Filme tragen, und wenn es außer Götz George keine gab, mussten eben Popstars herhalten wie Peter Maffay in “Der Joker”. Peter Patzak war mir mit “Kottan ermittelt” wesentlich sympathischer. Negativ hinzu kam in den 80ern wohl der schleichende Generationenwechsel unter den Redakteuren, wo solche mit filmgeschichtlichem Hintergrund und Gespür für Kino Mangelware wurden, sowie die fortschreitende Bürokratisierung und Fragmentarisierung von Filmförderungstöpfen.
Die dem vorangegangene Verzahnung von Film und Fernsehen erscheint mir allerdings zunehmend paradiesisch, die Risiken, die seinerzeit eingegangen wurden sind heute undenkbar – beispielsweise bei “Das Boot”, dessen Serienvariante ja erst Jahre(!) nach der Kinoauswertung in der ARD ausgestrahlt wurde. Der Druck muss dennoch enorm gewesen sein, wenn ich mir in den DVD-Extras anhöre in welchen Tempo beispielsweise “Rote Erde” geschnitten werden musste um im Budget zu bleiben, noch dazu mit der damaligen Technik, dann ziehe ich meinen Hut doppelt und dreifach vor dem brillanten Ergebnis. Die Zeichen für eine Renaissance des Genrefilms bzw. -serie stehen derzeit doch gar nicht so schlecht: “Weinberg” steht in den Startlöchern, ebenso “Deutschland 83” und wenn noch Netflix beispielsweise eine düstere Mystery-Serie produzieren sollte (weil es für sie keinen Sinn ergeben würde ausgerechnet mit Krimis, Anwälten oder Ärzten in Konkurrenz treten zu wollen, womit unser Markt mehrfach übersättigt ist), dann kippt vielleicht auch – und vor allem – beim jüngeren Publikum die Stimmung.
Ich werde den Eindruck nicht los, dass Dominik Graf hier ein wenig der Versuchung erlegen ist, die Geschichte ein bisschen umzuschreiben. Vielleicht gibt sich das ja bis zur finalen Schnittfassung, und es finden sich weitere zu hebende Genreschätze in unserer Film- und Fernsehgeschichte, was mich daran erinnert, dass ich mir immer noch nicht “Das blaue Palais” (1974-76) vom weiter oben bereits erwähnten Rainer Erler angesehen habe, das eine Wiederentdeckung lohnt, und hier von mir besprochen werden wird, wenn ich endlich mal dazu käme meine lange geplante Eberhard Fechner Reihe zu schreiben …
PS: Darf ich Sie auf diesen Wege gleich frech in unseren “Autoren’nen”-Podcast einladen?
@Christoph Hochhäusler: Persönlich finde ich ja auch Ihren letzten Film „Die Lügen der Sieger“ sehr genre-mäßig – was ich sehr begrüße, ist das doch echt etwas, was der so zusammengefassten Berliner Schule (bisher) meist gefehlt hat. Gibt da natürlich auch Ausnahmen wie etwa „Im Schatten“ von Thomas Arslan.
Dass aber in den 1950er und 60er Jahren mehr Genre-Kinofilme in Deutschland gedreht wurden als heutzutage, dürfte doch unbestritten sein.
…da kommen wir zur heiklen Frage der Definition. Was ist ein Genre-Film? Wenn man nur die zählt, die man mag, wird es natürlich zu allen Zeiten zu wenig gegeben haben.
ZAHN UM ZAHN und JOKER habe ich übrigens nie gesehen, aber diese Beispiele belegen ja nur den Drift zum Fernsehen, den ich gemeint habe.
Rainer Erler: das waren meines Wissens auch Fernsehfilme, nein? Genauso wie Klaus Lemkes ROCKER übrigens. Vielleicht ist die Trennung der Fernseh- und Filmgeschichte in Deutschland auch besonders dämlich. Es sind die gleichen Leute, die gleichen Strukturen, es ist das gleiche Geld.
Berliner Schule: bei Christian Petzold und Thomas Arslan gab es eigentlich von Anfang an Genre-Bezüge. DIE BEISCHLAFDIEBIN, CUBA LIBRE, JERICHOW (Petzold), aber auch DEALER, GOLD und natürlich IM SCHATTEN (Arslan). Benjamin Heisenberg hat DER RÄUBER gemacht, den ich persönlich sehr mag.
Vielleicht müsste man schreiben: ERFOLGREICHE Genrefilme. Da sieht es nämlich jenseits der Komödien wirklich dünn aus. Und Genrekino ohne die Tradition des Erfolges kann eben nie jenes Referenzsystem ausbilden, das die höhere Genre-Mathematik braucht …
Ich glaub auch, dass man sich die Unterscheidung TV-Film oder Spielfilm sparen kann, heute hingegen schränkt die TV-Beteiligung ja durchaus kreativ ein, wenn beispielsweise nicht in Cinemascope (oder noch schlimmer wie in 4:3 bzw. 1.33:1 und ausgefalleneres) gedreht wird, weil das bei einer TV-Auswertung ja zur Balkenbildung auf den Flachbildschirmen führt – was würden dann eigentlich Wes Anderson (“Grand Budapest Hotel”) und Xavier Dolan (“Mommy”) bei uns machen? Die Fallhöhe unserer Produktion wird heute künstlich niedrig gehalten, da bleibt ein rotzfrecher Beitrag wie “Victoria” schlicht die Ausnahme.
Danke für die Erwähnung von “Der Räuber”, den Film liebe ich (und werde es Vince Gilligan nie verzeihen, dass Benjamin Heisenberg aus offensichtlichen Gründen bei keiner einzigen Folge von “Breaking Bad” Regie geführt hat) und unterstreicht unsere hier häufiger vertretene These, das unsere Nachbarn in Österreich sich damit nicht so schwer tun, was man ja auch an den erfolgreichen Wolf Haas-Adaptionen sehen kann, oder aktuell “Ich seh, ich seh” von Veronika Franz, die damit aus dem Schatten von Ulrich Seidl tritt.
Erfolgreiche Genrefilme – kommerziell erfolgreich, wegweisend oder gar beides? Da muss man ja fast in die Weimarer Zeit zurück, und wie sahen da die Zahlen für “Nosferatu”, “Caligari” und “Mabuse” aus? Sonst ist wieder Hitler an allem Schuld, und wenn das unsere Antwort auf alles ist, dann wird es mal wieder Zeit Seeßlen zu lesen, und richtig wütend zu werden – vielleicht können wir dann endlich damit aufhören viel zu brav zu sein.
Darum würde ich sagen andersrum wird ein Schuh draus: Uns fehlt es an einer Tradition des Misserfolgs. In den 60er und 70er Jahren durfte man Flops produzieren und trotzdem weitermachen, oder konnte sich komplett neu erfinden, wie Edgar Reitz mit „Heimat“. Das wäre heute undenkbar. Wie sollen in so einem Klima Filmemacher heranreifen, wenn sie keine Fehler mehr machen dürfen und von jeder Seite gleich Prügel beziehen? Spannender finde ich ja die Frage danach, warum „Die Zweite Heimat“ nur außerhalb Deutschlands erfolgreich war, aber das hatten wir ja schon hier im Podcast besprochen (zu „modern“ etwa, das der Protagonist mit jedem Teil wechselt, dann die „unpopulären“ avantgardistischen Kunstformen im Zentrum, studentisches Rebellentum und Spießbürgertum – eben alles, nur nicht „heimelig“). Wahrscheinlich kann der Genre-Erfolg nur über den Umweg des Auslandes erfolgen, wenn der Prophet, Autor oder Regisseur im eigenen Land nichts gilt. Hm. Vielleicht ist es gar nicht mal so schlecht, dass ich schon in Warschau sitze …
Außer den Komödien gibt es ja eigentlich gar kein Unterhaltungskino mehr in Deutschland. Alles Andere ist dann schon Arthouse oder Festivalkino. Es ist ja auch bezeichnend, dass Graf seine wilden Genre-auf-Deutsch-Adaptionsträume nur noch im TV ausleben darf, während er im Kino allerhöchstens alle zehn Jahre etwas „Ernsteres“ mit geschichtlichem Hintergrund (DDR, Schiller) machen darf. Stilistisch und erzählerisch unterscheiden sich seine jüngeren TV-Thriller wie „Eine Stadt wird erpresst“ oder „Das unsichtbare Mädchen“ nun nicht so sehr von „Die Katze“, als dass sie nicht auch im Kino laufen könnten. Aber da will ja angeblich keiner mehr Thriller sehen (oder die Produzenten behaupten das zumindest).
„Zahn um Zahn“ habe ich übrigens als ziemlich toll in Erinnerung, aber da kann die auch trügen. Vielleicht muss ja erst Schweiger mit seinem Kino-„Tatort“ kommen, um das deutsche Genrekino wieder anzukurbeln ;).
Man wird immer Gründe finden, am deutschen Film zu leiden, aber das ist eine Frage der Blickrichtung. Ich habe es immer vorgezogen, von dem auszugehen, was gut ist. Und doch, es gibt tolle Sachen. Ich weiss, in Deutschland hat man sich auf die Sender als Bösewichte eingeschossen, aber ich meine Erfahrungen sprechen dagegen, was nicht heisst, dass ich alles super finde am System. Aber meine Filme (die für euch aber ja „nur” Arthouse sind) wären ohne Sender nicht entstanden – und für ihre Fehler fühle ich mich in erster Linie selbst verantwortlich. Scope? Kann man machen, wenn man eine Kino-Koproduktion macht, klar, zum Beispiel bei DIE LÜGEN DER SIEGER. usw. Seit Jahrzehnten diskutieren wir hierzulande über Strukturen – oder auch: Genres –, ich würde lieber über Geschichten, Figuren und Formen streiten. Grüße!
Das wollen wir auch und das machen wir auch! Außerdem störe ich mich an dem Begriff „Arthouse“, weil er diese leidige deutsche Vokal-Kultur E gegen U ausspielt, statt Unterhaltung an sich zu feiern, die sehr wohl tiefsinnig sein kann, als Spielfilm, TV-Event oder in Serie. In den Sendern gibt es noch immer gute Leute, die genauso vom System zerrieben werden, wie andere Kollegen. Defizite gibt es auf allen Seiten, bei den Filmemachern, den Sendern, den Kritkern, dem Publikum. „Dreileben“ war ein spannendes Experiment, das ich der ARD nicht mehr zugetraut hätte, und selbst wenn es nicht komplett rund war, der Versuch alleine war es wert und ich würde gerne jedes Jahr drei andere Filmemacher sich am gleichen Konzept abarbeiten sehen. Diesen Mut fordern wir ein, und dazu stehen wir auch. So breit sind wir aufgestellt, das ist unser „Scope“, das dürfen und können wir, deswegen schließen wir aber nicht automatisch auf andere. Ob das Glück war oder am besseren Durchsetzungsvermögen lag, mag ich nicht beurteilen. Würde ich aber gerne und darum ist es schön, dass sich dieses Gespräch entwickelt hat – vielen Dank dafür und bitte wiederkommen!
Ich hab gar nicht von „nur“ Arthouse gesprochen, dazu gehe ich selbst viel zu oft (eigentlich fast ausschließlich) in Programmkinos, um mir solche Filme anzugucken. Trotzdem wäre es natürlich schön, wenn es neben anspruchsvollen Dramen und dem meist furchtbaren Zeugs, das heute so in den Multiplexen läuft, auch noch ein Unterhaltungskino gäbe, bei dem man nicht vorher sein Gehirn abschalten muss. Das ist aber natürlich eine internationale Entwicklung, dass es das fast nicht mehr gibt. Eastwood und Redford sind fast die einzigen, die diese Art von Erzählkino für Erachsene noch machen (dürfen).
In „Die Lügen der Sieger“ fand ich gerade diesen Versuch, ein hoch politisches Thema in Form einer spannenden Genregeschichte zu erzählen (und das dann stilistisch durch die Bild- und Tongestaltung zu brechen), hoch interessant. In meiner Kritik auf meinem privaten Blog hab ich sogar von „Unterhaltungskino“ geschrieben :).
Insbesondere fünf Genres fehlen dem deutschen Film: ABENTEUER, ACTION, HORROR, FANTASY und SCIENCE-FICTION. Im Grunde also alles, was die Geschehnisse und Figuren überhöht und ein kindliches Staunen beim Zuschauer hervorbringt. Wir sind ein Volk von Skeptikern, was unser eigenes Schaffen angeht. Sieht man sich allerdings die Kinocharts an, dann sind die oben genannten Genres, vor allem aus den USA, auch bei deutschen Zuschauern auf den ersten Plätzen.
Die „Nichtgenres“ DRAMA, KOMÖDIE und WAHRE GESCHICHTEN (Historien, Biografien) werden dagegen ausnahmslos von deutschen Entscheidern gefeiert und gefordert. Selten bis nie hört man die Aussage, wir bräuchten ein deutsches Star Wars, Avengers oder Game of Thrones …
Meiner Ansicht nach liegt dem Drang nach Naturalismus im deutschen Kino ein falsches Kunst- und Kulturverständnis zugrunde.
Jetzt wird es immer spannender und Hand auf’s “Tintenherz”: Wer liebte nicht “Die unendliche Geschichte”? Zu Fantasy im deutschen Kino gab es hier unlängst eine ausufernde, spannende Diskussion: http://filmeundmacher.de/2015/04/12/mara-und-die-selbsternannten-genrehueter
Deutsch an dieser Diskussion ist, dass man sich gerne hinstellt, mit dem Finger auf jemanden zeigt und “die sind schuld!” ruft, statt sich an die eigene Nase zu fassen – und zwar ausnahmslos alle. Täten das Filmschaffende, Sender, Fördergremien, Kritiker und Publikum gleichermaßen, sähe es in unserer Film- und Fernsehlandschaft anders aus.
Nur mal ein Gedankenexperiment: Nähme das ZDF (die sich in letzter Zeit als deutlich mutiger erweisen, als ihre Kollegen von der ARD) einmal das Geld für die Championsleague-Übertragung in die Hand (den Fußball gäb’s dann ja trotzdem bei den Privaten zu sehen, also bitte keine Panik) um sich nach den Sportfans mal um jene abseitiger Genres zu kümmern. Wir sprechen hier von einer Summe in der Größenordnung der ersten “Game of Thrones” Staffel, also eine ganze Menge Holz. Hinzu kommen müsste aber der Mut, diese Serie dann ebenfalls zur besten Sendezeit auszustrahlen, nicht erst nach 23.00 Uhr.
Haben wir Filmemacher, die mit solchen Budgets umgehen können, hinter wie vor der Kamera? Absolut. Wünschenswert wäre aber, sich nicht allein auf bekannte Gesichter zu verlassen, sondern jungen Talenten eine Bühne zu geben. “Game of Thrones” bedient sich in massiv in Europa, macht das ausgesprochen clever und hat viele bis dahin bestenfalls vor dem Durchbruch stehende Schauspieler berühmt gemacht.
Nächster Punkt: Showrunner. Benioff und Weiss hatten keinerlei Fernseherfahrung, als sie anfingen, “nur” das Vertrauen des Autoren, dessen Werk es zu adaptieren galt. Das stelle man sich bitte kurz bei uns vor. Dann setzen eben diese die erste Version des Pilotfilms in den Sand, der zum Großteil neu gedreht werden muss. HBO hat das durchgehalten, kann das auch das ZDF? Ja, unbedingt. Den Beweis sind sie uns schuldig.
Wo soll der Stoff herkommen? Aus einer der überquellenden Schubladen unserer Autoren, die seit Jahrzehnten dazu genötigt sind “das doch mal als Krimi” zu schreiben. Die bösen, erwachsenen, unverfilmbaren Stoffe horten sie seit Jahren, lasst sie mal von der Leine. Ein “writers’ room” oder besser gleich mehrere als Entwicklungsschmiede sind das billigste an dem ganzen Unterfangen, denn dort ist alles zunächst einmal Papier und Hirngespinst. Gesucht wird nach einem Ergebnis, das nicht allen gefallen soll, sondern Wunden aufreißt, Tabus ausspricht und Rollenbilder einreißt. Das kann nur gelingen, wenn nicht von Anfang an Horden an Dramaturgen alle Ecken abrunden, Falten glattbügeln und Kanten wegschleifen. Das braucht Redakteure, die sich schützend vor die Macher stellen, selbst wenn sie selbst mit dem Stoff nichts anzufangen wissen, aber spüren, dass die Leute wissen, was sie da tun, dass sie für ihre Sache brennen.
Gleichzeitig beginnt die Presse über die Entwicklung(!) und Pläne zu berichten, erscheint nicht erst zum Pressetermin und überfliegt müde die PR-Texte, sondern man begleitet das Projekt so gut und neutral, wie man nur kann. Dann kämen die üblichen Skeptiker zwar aus ihren Löchern, würden aber irgendwann die Lust verlieren, oder gar erst welche bekommen. Ein Jahr später hat die Serie Premiere, nachdem sie bereits auf Festivals gefeiert und mehrfach ins Ausland verkauft wurde.
Klingt das so abwegig? Das könnten wir, wenn wir uns mal “einig” wären, oder uns zur Abwechslung mal positiv, konstruktiv, streitbar und fair gäben, nicht in allem gleich den Untergang sähen, sondern Neuland. Und dann noch den Mut hätten, es zu betreten.
Dem kann ich so zustimmen, wobei es ja nicht darum geht, ein deutsches Star Wars oder Game of Thrones zu machen, sondern sich was eigenes einfallen zu lassen (bzw. von Produzentenseite die Autoren zu lassen). Das darf dann gerne auch typisch deutsch sein. Im Serienbereich, finde ich, hat TNT Serie mit „Weinberg“ da schon einiges richtig gemacht.
Früher (in den 80ern) konnte sich auch etwa ein Hans-Christoph Blumenberg im deutschen Kino (bei einem Major-Verleih!) einfach mal drei Filme lang in verschiedenen Genres ausprobieren (Tausend Augen, Der Sommer des Samurai, Der Madonna-Mann). Da war nicht alles gelungen, aber interessant sind diese Filme trotzdem. Danach durfte er dann hauptsächlich noch Saarbrücker „Tatorte“ und Doku-Dramen fürs TV machen…
Filmemachen ist ein Geschäft, bei dem es um das Kaufen und Verkaufen von Erzählformen geht — das ist weltweit so. Ich möchte nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen, sondern klarstellen: Entscheider sind immer die Meinungsmultiplikatoren, denen sich Filmschaffende unterordnen. Autoren sind in einer extrem schwachen Position und müssen sich dem anpassen, was gefordert wird, wenn sie nicht untergehen wollen. Langsam aber sicher ändert sich die Denkweise, deswegen leben wir gerade in sehr spannenden Zeiten.
MARA UND DER FEUERBRINGER ist ein sehr seltsamer Film, dem man leider anmerkt, dass wir mit Fantasy-Action-Abenteuern keine Erfahrung haben. Der Film soll fantasievoll sein, will aber dem Zuschauer zeigen, wie der Glaube der alten Germanen „wirklich“ ausgesehen hat. Er soll ein Actionfilm sein, will aber nicht, dass die Hauptfigur den Bösen im Kampf besiegt. Er soll ein Kinofilm sein, versucht aber die Handlung über seine Dialoge zu tragen.
Verzeihung, das mit dem “Finger zeigen” war nicht auf Sie bezogen, sondern ist jene Haltung, die ich als problematisch aufzeigen wollte. Was uns ein bisschen abgeht ist die in manchen Sportarten gängige Bewertung, bei der die besten ebenso wie die schlechtesten Noten nicht in die Bewertung mit einfließen. Also wenn man Totalverrisse ebenso unter Vorbehalt lesen würde, wie Lobeshymnen. Wo ein bisschen von beidem mitschwingt, fühlt sich auch niemand mehr pauschal angegriffen, einer dennoch emotionalen Auseinandersetzung steht nichts im Wege.
Wo ich jetzt allerdings widersprechen möchte ist der Satz, dass immer die Meinungsmultiplikatoren die Entscheider seien, denen sich Filmschaffende unterzuordnen hätten. Als Filmschaffender muss sich heute niemand mehr unterordnen, jeder kann heute “sein Ding drehen” und weltweit zugänglich machen – und manche Filmemacher haben ihre Karriere tatsächlich so oder ähnlich begonnen. Man kann sich in (s)einer Nische einrichten, einen youtube-Kanal (wink-wink) pflegen und sich via beispielsweise Patreon von einer handvoll Fans finanzieren lassen. Das ist eine Demokratisierung an der Basis, von der hier allerdings nicht die Rede war, sie auszuklammern wäre meines Erachtens dennoch falsch.
Wer hingegen Filme (oder gar Serien) machen möchte, die kostspieliger sind, stößt schnell an seine Grenzen, und muss Kompromisse eingehen. So weit sind wir uns wohl noch einig. Wie man diese Kompromisse findet, erstreitet oder ablehnt steht auf einem anderen Blatt, sollte man aber keinesfalls an Meinungsmultiplikatoren festmachen. Filmemachen ist kein demokratischer Vorgang, was noch lange nicht bedeutet, dass sich jemand wie ein Diktator am Set aufführt und alle kreativen Eingaben seines Teams kategorisch ablehnt – für das ebenso wie dessen Gegenteil lassen sich herausragende Beispiele finden, nur nicht für solche, bei denen zu viele Köche den Brei angerührt haben. Filme und Serien brauchen keine Meinung, sondern eine klare Haltung.
Bei uns werden Autoren schon lange nicht mehr gefeiert, wenn überhaupt jemand deren Namen kennt. Anderswo schon, Vince Gilligan, Steven Moffat, Benioff und Weiss etwa, doch nicht bei uns. In den 80er Jahren wusste jeder, wer Justus Pfaue ist, weil er man mit mindestens einem seiner Werke aufgewachsen ist. Aber heute? Autoren gelten als austauschbar, die mit einer eigenen Stimme sind es aber nicht. Der Weg heute ist meist der, dass man als Autor einen Anruf kriegt und es heißt “Ich hab da eine Idee, schreib mir mal was …” anstatt “Ich suche nach was Neuem, hast du da vielleicht was?” – Die Reihenfolge stimmt nicht mehr und tatsächlich zeichnen sich zaghafte Veränderungen ab, weil es anderswo funktioniert, nur ausgerechnet beim reichsten europäischen Land nicht. Im Jammern sind wir dafür ganz groß, wenn bei den großen Festivals nichts zu holen ist. Noch einmal: Wir sind zu negativ, zu destruktiv, zu ungeduldig.
“Mara und der Feuerbringer” habe ich nicht gesehen (aus den dort in den Kommentaren angegebenen Gründen), doch auch das ist ein Genrefilm aus Deutschland. Es kommt immer mal wieder einer durch, ebenso im Horrorbereich und anderswo, wenn wir die Augen besser offenhalten würden. Damit meine ich nicht die Qualitäten des Films, über die wäre sicherlich auch zu reden, nur zunächst einmal entkräftet es den Vorwurf, dass es keine Genrefilme mehr aus Deutschland gebe. Bessere kann man sich dann immer noch wünschen, und wenn wir wirklich bessere wollen, dann sollten wir das schreiben, nüchtern und präzise. Je differenzierter unsere Wahrnehmung kommuniziert wird, desto mehr müssen sich die Filmschaffenden anstrengen, wenn sie da mithalten wollen. Wenn die Zuschauer schreien, wir hätten ja nur beschissene Filmemacher, dann heißt das andersherum, dass Filmemacher genau das beschissene Publikum haben, das sie verdienen. Vielleicht wäre es mal an der Zeit, wenn sich Filmemacher und Publikum einander mit mehr Respekt begegnen würden, kultiviert und persönlich. Das schaffen wir doch, oder?
@Marcus Kirzynowski
… man verliert die Lust, wenn man „Geschlechtsverkehr” liest. So ähnlich klingt für mich „Unterhaltungskino”, aber eben auch „Arthouse”. Letztlich gibt es nur gute und schlechte Filme. Wo findet man übrigens ihren Blog?
Ok, für mich sind beide Begriffe erst mal gar nicht negativ besetzt. Aber die besten Filme sind ohnehin immer die, die unterhalten und dabei auch noch was über den Zustand der Welt oder des Menschen aussagen. Mein Blogartikel: https://medienjunkieblog.wordpress.com/2015/07/20/geschichte-wird-immer-von-den-siegern-geschrieben-christoph-hochhaeuslers-die-luegen-der-sieger/
@Jens Prausnitz:
Damit habe ich nicht gemeint, dass sich die Filmschaffenden unterordnen „müssen“, sondern, dass sie es schlicht und ergreifend tun, um in diesem System erfolgreich zu sein. MARA UND DER FEUERBRINGER als Beispiel dafür herzunehmen, dass es den deutschen Fantasyfilm jetzt doch wieder gibt, halte ich für einen Denkfehler. Der Film ist und bleibt ein trauriger Einzelfall.
Fakt ist, dass Amerikaner ganz anders sozialisiert werden als Deutsche. Sie haben einen direkteren Zugang zum Geschichtenerzählen, zur Fiktion und zur Fantasie im Allgemeinen. Deswegen ist es auch kein Wunder, dass die einzige deutsche Serie, die in den letzten Jahren internationales Aufsehen erregt hat, von einer Amerikanerin geschrieben wurde (DEUTSCHLAND 83). Wenn die Entscheider wirklich den Erfolg wollen, müssen sie dafür bezahlen. Wer nur mit Bananen bezahlt, muss sich nicht wundern, wenn Affen für ihn arbeiten. Seltsamerweise wird der Zusammenhang zwischen Drehbuch und filmischen Inhalten oft nicht erkannt — ein Bildungsproblem?
Die „Demokratisierung“ sehe ich nicht so optimistisch wie Sie. Sendeplätze, Vorführkopien und Budgets sind schließlich immer begrenzt.
„Der Tatortreiniger“ wurde auch international verkauft, ebenso die Schweiger-Tatorts, um nur zwei sehr gegensätzliche Gegenbeispiele anzuführen. Wir sehen, was wir sehen wollen, statt zu hören was geschrieben steht – wenn bei uns auch schlechte Drehbücher nicht als solche erkannt werden, was soll man dann als Autor noch machen? Wenn unsere Sozialisation von Schiller und Goethe zu „Fack ju Göhte“ geführt hat, ist das allein unsere eigene Schuld, niemand muss zum Amerikanismus konvertieren, um gute deutsche Bücher zu schreiben, die nirgendwo anders als in Deutschland spielen können. Genau das sehe ich aber als die Herausforderung an und langsam setzt sich diese Erkenntnis anscheinend durch.
Langsam ist auch das Stichwort bei der von mir angesprochenen „Demokratisierung“ des Filmemachens, das ist ja eine Tatsache, an der zunächst nichts optimistisch stimmen muss. Denn bis wir die positiven Effekte davon spüren, können noch Jahre, wenn nicht Jahrzenhte vergehen. Das ist ausgeprochen unpraktisch, wenn man jetzt lebt, in der Gegenwart und auf unverkäuflichen Büchern sitzt. Also lassen Sie uns doch darüber nachdenken, was passieren müsste, damit beispielsweise ein gutes, Originaldrehbuch, von einer Autorin die keiner kennt, die keine Beziehungen hat, doch angemessen verfilmt wird. Mit Exposés verschicken wird man da nicht weit kommen, also muss man sein eigener PR-Stratege werden, sich vermarkten, auf sich aufmerksam machen. Das gehört selten zur Kernkompetenz von Autoren und selbst jene, in denen ein geborenerer Entertainer stecken sollte, werden schnell an Grenzen stoßen, wenn sie statt ein bisschen Glück eher ein bisschen Pech haben.
DER TATORTREINIGER wird vielleicht international verkauft, aber wie gehen die Sender mit diesem Erfolg in Deutschland um? DEUTSCHLAND 83 vorab in den USA auszustrahlen war ein grandioser Schachzug. Ist die Serie dort erst einmal in den Medien erfolgreich, wird das hierzulande nicht mehr so einfach wegzuleugnen sein, wenn sie ausgestrahlt wird.
Im Bekanntenkreis habe ich vor kurzem erwähnt, dass Deutschland zur internationalen Popkultur kaum etwas beizutragen hat. Die Reaktion? Das müssten wir doch gar nicht, wir hätten doch Goethe und Schiller. Auf Jahrhunderte alten Lorbeeren ausruhen, so einfach wird es sich hier gemacht.
Was viele noch nicht verstanden haben, beziehungsweise ignorieren, ist, dass wir inzwischen einen globalen Unterhaltungsmarkt haben. Wer dort mitspielen will, darf nicht mit Geschichten arbeiten, die nur in Deutschland funktionieren. Als Autor kann man nicht viel mehr machen als sich weiterzubilden, weiter zu schreiben und lernen sich besser zu verkaufen.
Äh, Rammstein fällt mir da spontan ein. Die besingen die widelichsten (sehr deutschen) Themen, um die alle anderen einen Bogen machen und genau das funktioniert ganz prächtig, weltweit, sogar bei uns. Das ist genau die Art selektiver Wahrnehmung, bei der mir immer diese Szene einfällt: https://www.youtube.com/watch?v=Qc7HmhrgTuQ