„Sedwitz“-Kritik: 1.05 „Kaiserwalzer“

Denken gefährdet ihre Gesundheit. Foto: ARD

Passend zum Titel dreht sich diese Folge leider im Kreis, ohne sich wirklich vom Fleck zu bewegen. Das ist zwar immer noch leichtfüßig, aber unterm Strich nur eine Wiederholung dessen, was wir schon gesehen haben. Für eine Serie, die höhere Erwartungen geweckt hat, ist das zu wenig.

Die 10.000 Ostmark fehlen immer noch in der Kasse, Ralle verspricht, sich darum zu kümmern, und handelt einen Deal aus, um weitere Antiquitäten über die Grenze zu schaffen, während immer noch die Sputnik-Sonde des russischen Verbündeten auf seinen Schreibtisch wandern soll. All das wussten wir schon, und so kommt die titelgebende Akte viel zu kurz, wird aber immerhin erwähnt, als der Westagent Meyer sie Ralle zum Kauf anbietet.

Das ist ein bisschen zu wenig Aerobic, findet auch Hubert, der auf sein Stelldichein mit der Wirtin verzichten muss, die – frisch von ihrem Ehemann mit einer kunterbunten Stretchhose beschenkt (“Des sind genau meine Farben.”) – von ihrem Liebhaber nichts wissen will und lieber mit der Lehrerin Hildebrand einen Batida de Côco trinkt. Astrid verliert sich auch ohne Alkohol immer mehr in ihrer Vernebelung um den imaginierten Verehrer, den sie in Ralle gefunden zu haben überzeugt ist, dessen wahre Identität sie aber ihrer Freundin nicht verraten darf, denn immerhin geht es um einen millionenschweren Wurstfabrikanten und sie “derf den Namen nicht sagen, aber’s is die größte Wurschtfabrik weit und breit.”

Schöner anzuschauen ist da nur noch der Versuch des Sohnemanns der Familie Pietsch, einen Witz mit einem “Intianahäuptling” zu erzählen, von dem er allerdings die Pointe vergessen hat. Derlei banale Alltäglichkeit fehlt in unseren Erzählungen vom bösen “wilden Osten”, die so ähnlich überall stattfinden könnte und damit hundertmal authentischer wirkt als die ewigen Abhör- und Spitzelszenarien, an die man uns sonst so gewöhnt hat. Das Leben der Anderen war eben meist genauso langweilig wie das eigene.

“So’n Löffelchen tut manchmal Wunder.”

Ralles Frau Kerstin setzt sich inzwischen gegen Avancen ihres Chefs zur Wehr, und Schuschke scheint offensichtlich hinter dem Loch in der Kasse zu stecken, nur verdächtigen mag ihn noch keiner, das kommt wahrscheinlich noch: nächste Woche, im viel zu frühen Finale, denn “Sedwitz” hat viel mehr Potential, als die Serie in so kurzer Zeit ausspielen konnte. So wie sich der Kreis der Mitwisser um den Tunnel und begehrte Artikel aus dem Westen beständig erweitert und einen kleinen ökonomischen Boom auslöst, so wenig Zeit haben wir, dessen psychologischen Auswirkungen beizuwohnen, die uns hoffentlich bald in Form einer zweiten Staffel präsentiert werden.

Bis dahin bleibt nur, uns an den mahnenden Worten von Schnaider zu orientieren: “Stordel, nicht denken – das macht alles noch schlimmer.”

Ach, und weil es dazugehört, warum eigentlich nicht Hackbrett, Maultrommel oder Zitter statt dem entsetzlichen Banjo? Würde viel besser zur Region passen oder wenigstens so was wie die Blasmusik, wenn Ralle Meyer an der Kapelle stehen lässt? Das hat so ein bisschen Flair zwischen Emir Kusturica und der Biermösl Blosn, was “Sedwitz” viel besser zu Gesicht… äh, Ohr steht.

“Sedwitz” läuft donnerstags in der ARD um 23 Uhr 30, freitags beim BR um 22 Uhr 45, beim MDR sonntags um 22 Uhr, in der Mediathek, online, als Podcast und auf youtube.

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