„Ku’damm 56“-Kritik: Episode 1.1

Überall fehl am Platz; Foto: ZDF / Stefan Erhard

Der Auftakt des ZDF-Mehrteilers ist ein Meilenstein für seinen Sender, seine Autorin und sein Produktionsteam, selbst wenn (noch) nicht alles daran perfekt ist – von hier an gibt es nur einen Weg: nach oben.

Was sich in der Beschreibung vielleicht noch liest wie eine weitere Pilcher-Verfilmung, erschöpft sich glücklicherweise nicht in einer Variation der Geschichte vom hässlichen Entlein, egal wie sehr man sich auch bemüht, Monika (Sonja Gerhardt) unattraktiv wirken zu lassen. Das ist leider so aufgesetzt wie ihre Brille, denn es genügt völlig, ihrem „rebellischen“ Charakter zu vertrauen, wofür es bereits genügt, Widerworte zu äußern, statt sie nur zu denken.

Diese Monika kommt ebenso wie ihre Schwestern Helga (Maria Ehrich) und Eva (Emilia Schüle) aus gutem Hause, deren Bestimmung für die Musik schon im Namen mitschwingt, wenn man sich in einer Schellack-Platte das „e“ für ein „ö“ vormachen lässt. Ihre alleinerziehende Mutter Caterina Schöllack (Claudia Michelsen) leitet die am namensgebenden Kurfürstendamm gelegene Tanzschule „Galant“ genauso steif und unflexibel wie erwartet.

Leibesertüchtigung unerwünscht; Foto: ZDF / Stefan Erhard
Leibesertüchtigung unerwünscht; Foto: ZDF / Stefan Erhard

Das andere Extrem findet man im alleinerziehenden Fabrikanten Otto Franck (Markus Boysen), dessen Sohn Joachim Franck (Sabin Tambrea) an seinem Erziehungsberechtigten ebenso leidet wie die drei Töchter an der ihren. In einem anderen Drehbuch wären Monika und Joachim wahrscheinlich füreinander geschaffen, nur wissen sie es noch nicht – Annette Hess hingegen rammt dieser Vorstellung lieber gleich ein Messer zwischen die Rippen.

Die Hände bleiben (nicht) auf der Decke

Die Kostüme, Kulissen, Autos und Besetzung sind wie aus einem Guss und können sich sehen lassen – ich kann kaum glauben, was ich jetzt schreibe – und erinnern in ihrer Präzision an die erste Staffel von „Masters of Sex“, die ja in etwa zur gleichen Zeit spielt und ebenfalls eine Vorliebe zur Behandlung von sexuell abweichendem Verhalten mit Elektroschocks hatte.

Die Stärken von „Ku’damm 56“ liegen in anderen Details und die spielen sich unter den Bettdecken ab, egal ob mal das Radio mit Elvis drin darunter wandert, so dass nur die nackten Füße unten herausgucken, oder wenn die Hand von Mutter Caterina tröstend unter ihre eigene Decke wandert bzw. ihren Töchtern in deren Betten Ratgeber über all jene Themen hinterlässt, über die sie selbst offen zu sprechen nicht in der Lage ist – mit Ausnahme jener herausgetrennten obszönen Seiten, die auf ihrem Nachttisch verblieben. Etwas dick aufgetragen sind die größer werdenden Flecken unter der Zimmerdecke, die Monika noch in den Schlaf hinein verfolgen und die Verdorbenheit unter den Oberflächen betonen; andererseits kein Wunder, wenn einem die eigene Schwester erzählt, dass man in Bayern nach der Hochzeitsnacht die blutbefleckten Bettlacken aus dem Fenster hängt.

„Seh ick aus wie Goethe?“

Viel bemerkenswerter ist, dass man als Zuschauer endlich wieder ernst genommen wird, mitdenken und zwei plus zwei selber zusammenzählen darf. Dass etwa Frau Boost die homosexuellen Neigungen ihres Sohnes Wolfgang bekannt sind, wenn sie ihn beim Zusammenbau des Ehebettes mit einem Handwerker beobachtet, während sie gleichzeitig ihre Schwiegertochter damit allein lässt und neumodischem Krimskrams wie Kühlschränken weiterhin abgeneigt bleibt. Verantwortung für andere endlich los zu werden zieht sich leitmotivisch durch die ganze Folge, allein Freddy (Trystan Pütter), der sprichwörtliche Rock’n’Roll-Lebensretter schwimmt gegen den Strom und beruft sich auf Eskimos, die ein Leben lang für jene verantwortlich sind, die im Eis eingebrochen und von ihnen gerettet worden sind. Aber auch schon mal jemanden ersaufen lassen, wenn es ihnen langsam zu viel wird. Das sind Nuancen, die man vom deutschen Fernsehen nicht gewohnt ist. Oder was ist mit dem einen Buch, das Eva gelesen hat, „Kurzwissen aus aller Welt, Band 2 von P bis Z“? Und was noch wichtiger ist, nicht nur gelesen, sondern behalten, etwa wenn sie ihrer Mutter gegenüber erwähnt, dass sie doch kein Zebrafink sei – hilfreich an der Stelle zu wissen, dass diese Vögel einander ein Leben lang treu sind.

Rock oder Roll; Foto: ZDF / Stefan Erhard
Rock oder Roll; Foto: ZDF / Stefan Erhard

Das grausige Geschlechterbild der 50er Jahre, das noch knieftief im Mief der Nazis steckt und wenn überhaupt, dann nur sich selbst bemitleidet und nie für andere da ist, selbst die eigenen Kinder nicht, lässt einen erschauern, wenn heute ähnliche Familienmodelle einigen wieder gesellschaftlich salonfähig erscheinen und unverhohlen propagiert werden. Regression ist keine Lösung und es ist schön, dass einem das wieder vor Augen geführt wird. Damals trieb es vor allem Frauen reihenweise in den Selbstmord oder in geringfügig lebendigere Ehen, was Caterina trocken mit „die wird sich schon was zu Schulden haben kommen lassen“ kommentiert. Später sieht sie in der Vergewaltigung ihrer Tochter auch nur die willkommene Steilvorlage, um sie auf diese Weise doch noch unter die Haube und aus dem Haus zu bekommen. Man hört sie förmlich die Fabrikantensohn-Spermien anfeuern, die ihre Tochter gefälligst schwängern sollen.

Ihre eigenen Sehnsüchte lebt Mutter Schöllack dabei nur im Stillen aus, tanzt allein, in Erinnerungen schwelgend, ohne Partner, genau wie ihre Tochter Monika, wenn die ihren ersten Tanzkurs leitet. Das ist in etwa so sexy, wie sie „Leibesertüchtigung“ ausspricht. Wer in so einem Klima aufwächst, der möchte eine Station früher aussteigen, auch wenn da noch gar keine Haltestelle ist.

Verschollen in Ostberlin; Foto: ZDF / Stefan Erhard
Verschollen in Ostberlin; Foto: ZDF / Stefan Erhard

Bei den Männern sieht es nicht besser aus: Fritz Assmann (Uwe Ochsenknecht), der – wenn man so will – Ersatzvater der Mädels, rät dazu, die Schüler zu demütigen, um die nötige Disziplin zu erreichen. Prof. Dr. Jürgen Fassbender (Heino Ferch) macht nach einem „Fachwechsel“ weiter Karriere und gilt trotz fortgeschrittenen Alters als gute Partie für eine junge Frau, deren Vater er sein könnte. Vater Franck sammelt Schrumpfköpfe, die als Forschungsobjekte „von Relevanz für die Menschheit“ seien. Und der leibliche Vater der drei Töchter? Ist je nach Auffassung im Krieg verschollen oder Sozialist in Ostberlin – in jedem Fall aber als Papa abwesend. Bei solchen Vätern kann man auch mal mit dem Gedanken spielen, dem Rückspiegel im eigenen Porsche ebenfalls einen Sprung zu verpassen, den damit einhergehenden Kollateralschaden in Kauf nehmend.

„So nimmt dich doch keiner“

Klingt zu gut um wahr zu sein, nicht wahr? Nun, getrübt wird die Freude über das Drehbuch, das Ensemble und die Ausstattung leider von zu viel Filmmusik, wo es genügt hätte, voll und ganz dem Schauspiel und der starken Inszenierung zu vertrauen. Vom Schnitt hätte man sich gewünscht, länger auf den Gesichtern verweilen zu dürfen, hier und da fehlen „Beats“, immer mal wieder wirkt alles eine Idee zu hektisch. An anderer Stelle wünscht man sich das Fehlen von Rück- bzw. Vorausblenden oder den Verzicht auf „Speedramp“-Aufnahmen, die Musikvideos gut zu Gesicht stehen, aber selbst außer dem Effekt nichts zu erzählen haben. Das ist gänzlich unnötig und ärgerlich. Die Folge platzt an manchen Stellen aus ihren Nähten wie Monika aus ihrem Brautjungfernkleid.

Warum falsche fuffziger Filme mit Sonja Lundi benötigt werden, während gleichzeitig auf den echten „… Denn sie wissen nicht, was sie tun“ angespielt wird, erschließt sich mir noch nicht, aber das kann ja noch werden.

Ins Kino oder Rippchen? Foto: ZDF / Stefan Erhard
Ins Kino oder Rippchen? Foto: ZDF / Stefan Erhard

Was sich mir am wenigsten erschließt, ist der Anfang mit der Vorausblende, die unnötig Spannung aus der Erzählung nimmt – man weiß dann ja schon, dass aus Monika eine talentierte Tänzerin werden wird. Gut gepasst hätte an jener Stelle die Szene vom Tanz im Regen, dem sie den Verweis von der Hauswirtschaftsschule zu verdanken hat.

Worüber man hingegen getrost hinweg sehen kann, sind kleinere Ungenauigkeiten, wie die Marilyn-Monroe-Version von „I wanna be loved by you“, die aus „Manche mögen’s heiß“ von Billy Wilder stammt, und damit nicht aus dem Jahr 1956.

„Du siehst aus wie ein Sträfling“

Und was ist mit dem Tanzen selber? Das kommt erfreulicherweise bislang viel kürzer als erwartet und erinnert damit angenehm an „Flesh and Bone“ – mit deren Pilotfolge sich „Ku’damm 56“ sogar eine nahezu identische Szene teilt – wenn das Tanztalent im Zentrum der Erzählung allein vorm Spiegel steht und in sich geht. Deutlicher könnte man es vielleicht kaum zu fassen bekommen: Wenn man nach Qualitätsmerkmalen sucht, die den amerikanischen Serien ebenbürtig sind, dann hat man sie hier gefunden – das ist tatsächlich so gut, dass es das Desaster von „Morgen hör ich auf“ vergessen macht. Danke, ZDF – hier stimmt endlich die Richtung.

Vom Niveau lassen die Drehbücher „Weissensee“ locker hinter sich und machen um so hungriger auf „Tennis“ (den Pitch dazu kann man sich hier im Podcast von Annette Hess selbst erzählen lassen), für das sich auch Claudia Michelsen mit ihrer ansatzlosen gespielten Vorhand bewirbt. Man darf gespannt sein, wie die vielen Fäden in der nächsten Folge weitergesponnen werden – danach lesen wir uns wieder.

„Ku’damm 56“ gibt es in der ZDF Mediathek, Folge 2 läuft am Montag, den 21.03. um 20 Uhr 15 und Folge 3 am Mittwoch, den 23.03. um 20 Uhr 15 im ZDF.

14 comments

  1. Ich fand es ziemlich grauslig. Nichts in dieser ersten Folge ist zurückhaltend, alles wird mit der ganz großen Kelle auf den Teller geklatscht. Männergewalt der Zeit kann nicht subtil dargestellt werden, nein, sie muss sofort in ihrer schlimmstmöglichen Form daherkommen. Optisch sieht die Geschichte gut aus, aber alles ist wie immer viel zu sauber und man wähnt sich wieder mal auf dem ZDF-Kostümball. Gefühlt tauchen zwei Außenaufnahmen des Kudamms (digital animiert) immer wieder auf.

    Trotz der geschilderten Einzelschicksale kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Macher die abgebildete Zeit doch gar nicht so schlecht finden, diese ekelhaft biederen 50er mit ihren schrecklichen Zwängen. Dann ist die Serie auch noch feige. Mehrmals wird über Sex geredet, aber dann doch weggeblendet, als eine entscheidende Szene für zwei Charaktere folgen müsste. An anderer Stelle hätten man sich das Wegblenden bzw. Auslassen gewünscht: diese Regentanzszene, ogottogottogott. Das kann man doch nicht mehr ernsthaft irgendwo bringen.

    Die Figuren und die Dialoge – ach, man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. „Nein, keine Wunderkerzen auf der Torte. Das erinnert zu sehr an Flakfeuer.“ Noch besser, auf die Frage, warum sich die Schwester die Achseln rasiert: „Das Tierische hat keine Klasse.“ Ja, Mahlzeit. Dann hätten wir noch Heino Ferch mit Toupet und Uwe Ochsenknecht mit ebenfalls schicker Frise. Unserer Hauptdarstellerin haben sie eine nette Brille verpasst, die besonders aufdringlich schreit: naiv! (Schauspielerisch ist sie auch nicht so dolle, aber da bleibt sie nicht die einzige. Deutsche Schauspielerausbildung halt, das dauert noch, bis wir da mehr Substanz reinbekommen.) Und die bösen Industriellen produzieren wohl was? Genau, Waffen. Ächz.

    Einen persönlichen Rüffel meinerseits gibt es für die Verwendung von „Mr. Sandman“. Dieses Lied ist so dermaßen mit „Back To The Future“ verbunden, da sollte man einfach die Finger von lassen.

    Mal sehen, ob ich mir die beiden anderen Teile hiervon noch reinquäle.

    1. Bei allem Respekt lieber Olaf, es ist nicht sonderlich differenziert oder präzise, wenn man gleich zu Anfang “Nichts” und “alles” schreibt. Wie hätte denn deiner Meinung nach die Vergewaltigung inszeniert gehört? Eine “subtile” Darstellung kann einem da doch wohl gestohlen bleiben, weil sie verharmlosend wäre, findest du nicht? Als viel schlimmer und brutaler empfand ich den verharmlosenden Umgang der Mutter mit dieser Episode.

      Was das zu sauber angeht, gebe ich dir einerseits Recht, andererseits störe ich mich an dieser so transportierten Künstlichkeit nicht, weil es sich um eine fiktionale Geschichte handelt, die zwar einen recherchierten Hintergrund hat, aber keinen Anspruch darauf erhebt, dass es genau so und nicht anders war. Etwas mehr Dreck gibt es dann in Folge zwei in Ostberlin und der Pension des „Informanten“ zu sehen, vielleicht versöhnt dich das ja ein bisschen. Wieder auftauchende bzw. ähnliche Hintergründe haben auch etwas mit dem Budget zu tun, und hier wurde trotzdem gut geklotzt, denn es gibt weit mehr nachbearbeitete Bilder, als sich auf den ersten Blick erschließen.

      Wieso sollten die Macher denn die 50er Jahre schlecht finden? Sie verherrlichen sie aber weder, noch verharmlosen sie sie, wie es etwa Heinz Erhardt Filme getan haben, von den fürchterlichen Heimatfilmen der Zeit ganz zu schweigen. Guck dir davon nur zwei/drei Trailer an, dann nimmst du das alles zurück. Die vermissten Sexszenen gibt es dann auch in der zweiten Folge, ich glaube aber nicht, dass sie dich zufriedenstellen werden. Das hat sicher weniger mit Prüderie, als mit Sendezeit zu tun. Es gibt so viel Plot zu erzählen, dass für manches schlicht keine Zeit bleibt. Ich schreib doch oben selber, dass manches gehetzt wirkt. Wäre das ein 10 Teiler à eine Stunde (wink-wink, liebes ZDF), dann könnte man sich mehr Exzesse erlauben – das wäre zu begrüßen, wenn auch nicht allein expliziterer Sexszenen wegen.

      Tanzen im Regen kann man nicht mehr ernsthaft bringen? Warum nicht? Versetz dich doch mal in die Lage. „Körperertüchtigung“, kein Sex, Hauswirtschaftsschule. Ein bisschen frei machen und Zack, gleich ne Anzeige am Hals, die deine Zukunft ruiniert. Denn wenn man „Gattin“ nicht gelernt hat, gibt’s auch keinen Mann, keine Kinder, keine Zukunft.

      Die Dialoge mögen nicht überall so subtil wie von mir beschrieben sein, aber sie sitzen wenigstens und labern nicht endlos um den heißen Brei herum, erlauben es sich es bei Andeutungen zu belassen und buchstabieren nicht alles für den letzten Vollidioten aus, wie im Deutschen Fernsehen sonst üblich. Warum glaubst du mache ich mir die Mühe das herauszustellen? (<- Rhetorische Frage) Weil es so selten vorkommt. Ich glaube dieser Mehrteiler ist schlicht nichts für dich, weiß aber auch nicht was du von ihm erwartet hast. Das du von "Vinyl" enttäuscht bist, kann ich nachvollziehen. Aber hier habe ich kaum was zu meckern. Vielleicht bist du mit einer anderen coming-of-age-Tanzgeschichte besser bedient: “Flesh and Bone”, die ist ebenfalls großartig, versuch dich mal daran.

  2. Du scheinst meinen Kommentar etwas als Kritik an deiner Rezension aufzufassen, was nicht meine Absicht war. Ich wollte lediglich dagegenreden, weil ich den ersten Teil auf einem Niveau mit „Unsere Mütter, unsere Väter“ fand – und über die Qualität dieses Mehrteilers waren wir uns einig, wenn ich mich nicht irre.

    Zu der Vergewaltigung: Das ist ja genau mein Punkt. Ich finde es vollkommen unnötig, direkt mit so einem Hammer anzukommen, wo es eine subtilere Problematik auch getan hätte. Ist mir einfach zu dick aufgetragen. Ich hätte mir einfach einen anderen Plot gewünscht offensichtlich. Aber Subtilität ist nicht so die Sache von Annette Hess, das musste ich in „Weissensee“ auch schon feststellen.

    Sexszenen per se vermisse ich nicht (wer mich kennt, weiß, dass ich sie fast immer überflüssig finde), aber wenn schon das Thema erster Sex in der Ehe aufgemacht wird und die Szene sogar noch mit ihren Trocken-Übungen eingeleitet wird, dann will ich auch sehen, wie die versuchen, sich aneinander heranzutasten und wie es dann letztlich scheitert.

    Tanz im Regen: Kann man meiner Meinung nach nicht mehr bringen, weil das in so vielen Filmen und Serien schon als Motiv verbrannt wurde, dass es hier einfach aufgesetzt und erzwungen wirkt.

    Vinyl: Keine Minute gesehen bisher, ich warte mal das Staffelende ab und schaue dann vielleicht rein.

    Flesh And Bone: Habe ich mal versucht, aber das war mir leider viel zu viel Klischee.

    1. Als Kritik habe ich deinen Kommentar nicht aufgefasst, ich finde nur dass du „Ku’damm 56“ Unrecht tust, weil der Mehrteiler inhaltlich nichts für dich ist (genau wie leider „Flesh and Bone“), übwohl er in seinem eng gesteckten Korsett (fast) alles richtig macht. Lies mal was ich in Sachen „Unsere Mütter, unsere Väter“ zur zweiten Folge geschrieben habe, ich hoffe das ist deutlich genug.

      Stört dich an der Vergewaltigung also der Plot, gar nicht dessen Inszenierung? Ok, aber was wäre die Alternative gewesen? Es wird ja nicht nur von Männern ausgehende Gewalt inszeniert, sondern auch die von Frauen: Mutter Caterina teilt ansatzlos Ohrfeigen aus und das ist nichts im Vergleich zum psychischen Druck, den sie auf ihre Töchter ausübt. Die Kinder können es ihren Eltern nie Recht machen, dürfen sich nicht ausleben, schon gar nicht sexuell. Das ist hier Thema. Die einzige Alternative zu der Vergewaltigung wäre ein Abtreibungsplot – auch das wäre sicher spannend gewesen, nur würde das dem weiteren Verlauf eine ganz andere Richtung verpassen. Es ist aber eine Emanzipationsgeschichte und Monika rückt dieses Kapitel für sich selbst wieder gerade, wo sie von ihrer Mutter allein gelassen wird. Ich finde nichts daran auszusetzen, das ist Geschmackssache, wie der Tanz im Regen. Als Motiv „verbrannt“ lasse ich nicht gelten. Es ist Aufgabe der Regie es interessant zu machen oder um eine Variation zu bitten, wenn es gar nicht funktioniert. Monika soll damit eingeführt werden, ihre unterdrückte Natürlichkeit, das Talent zum Tanz, die sittenwidrige Anzeige. Das ist eine Menge Holz für eine kurze Rückblende. Wie sähe denn dein Gegenvorschlag aus? Schlafwandeln im Mondenschein wär jetzt auch nicht so der Knüller …

  3. Da schwingt jetzt aber so ein bisschen der oft unfaire „Mach’s doch selber besser“-Vorwurf mit. Den Schuh zieh ich mir als Zuschauer aber nicht an. Entweder etwas macht auf mich einen passenden Gesamteindruck (und da dürfen durchaus Defizite vorhanden sein) oder mein ganzer Bauch sagt: nee, das ist nichts. So wie im Fall „Ku’damm 56“.

    Noch mal: An der Vergewaltigung hab ich inszenatorisch nichts auszusetzen. Meine Kritik dahingehend machte sich an der Schlafraumszene der beiden Frischverheirateten fest. Das waren aber nur rausgegriffene Beispiele, ich finde die ganze Regie etwas ungelenk.

    Thematisch hätte „Ku’damm 56“ durchaus was für mich hergegeben, aber ich finde es in Gänze unüberzeugend.

    1. Ist es nicht unfair zu sagen etwas sei „in Gänze unüberzeugend“ oder „die ganze Regie etwas ungelenk“? Wenn du eine Schlafzimmerszene gut findest, sie dir aber länger wünscht ist das konkret und das kann ich nachvollziehen. Ebenso wenn dir eine konkrete Dialogzeile (Flak-Wunderkerzen) aufstößt ist das für mich ok. Unter „passendem Gesamteindruck“ kann ich mir dann zu wenig vorstellen, dazu müsste ich dich länger kennen und selbst dann würde ich vermutlich nachfragen. Verstehst du was ich meine?

      Da arbeiten hunderte Leute über Monate dran und die werden mit solchen Aussagen über einen Kamm geschert. Ist der Ton übersteuern, verrauscht, zu leise? Ist der Tonschnitt asynchron? Ist die Mischung so, dass man Dialoge, Geräusche und Musik nicht auseinanderhalten kann? ist die Filmmusik aufdringlich und unterstützt nicht die Szenen? Ist die Songauswahl für die 50er Jahre musikalisch zu einseitig? Ist die Montage unstimmig, kann man der Geschichte nicht folgen? Sind die Großaufnahmen unscharf? Ist es zu hell oder zu dunkel? Sind die Farben zu knallig oder zu flach? Passen die Kostüme, die Möbel, die Bauten, sowohl die im Studio, jene „on location“ ebenso wie die digital erweiterten? Undsoweiterundsofort. So präzise kann man sein, muss man aber nicht. Dann sag ich aber lieber gar nix dazu. Ich ruf es mir aber immer ins Gedächtnis, damit ich auch gute Seiten wahrnehme, selbst wenn eine Produktion überhaupt nicht mein Fall ist.

      Ich bin der Ansicht, dass man sich diese Mühe machen muss, auch weil es sich lohnt die eigene Wahrnehmung zu schärfen und Dinge die einen stören schließlich präzise zu benennen. Damit habe ich auch oft Schwierigkeiten, bis ich anfange ins Detail zu gehen, eine Szene nochmal gucke und auseinander nehme. Und auch das klappt nicht immer. Es macht mir aber Spaß, ich lerne dabei vor allem etwas über mich.

      Wenn also dein Bauch nee sagt, dann vertrau diesem Gefühl. Du musst ihm nicht nachgehen, aber eindeutigere Signale gibt es nicht. Egal was ich schreibe, filme und schneide – wenn mein Bauch damit unzufrieden ist weiß ich dass ich nochmal ran muss. Um dann Dritten das „Warum“ erklären zu können, muss ich es analysieren. Aber an erster Stelle kommt immer das Gefühl. Als nächstes käme dann jetzt die Frage, was dir denn thematisch an „Ku’damm 56“ etwas hergegeben hätte: Tanzschule? Rock’n’Roll? Rebellion? Rollenbilder? Sexualmoral der 50er? Altnazis? Ost-West?

      Versteh das bitte nicht als Kritik, sondern als Aufforderung zu einer Entdeckungsreise in die eigene Wahrnehmung.

  4. Ich muss diesmal eher Hans Hoff (und Olaf) zustimmen als Jens. Ich fand den ersten Teil auch zunehmend schlecht (mehr hab ich nicht geguckt). Es fühlt und hört sich für mich an wie ein typischer ZDF-Nico-Hoffmann-Historien-Eventmehrteiler. Die „Außenaufnahmen“ sind offensichtlich auf dem gleichen Straßenzug im Studio Babelsberg gedreht, wo die alles drehen, was vor dem Mauerfall spielt. Digitale Effekte, die als solche erkennbar sind, sind einfach keine guten (hier die verlängerte Straße und das schrecklich künstlich aussehende Gewitter).

    Hauptproblem ist aber für mich mal wieder das Drehbuch. Das ist einfach überwiegend so klischeehaft und dick aufgetragen: Das Mauerblümchen erkennt man gleich daran, dass es eine Brille trägt. Die Mutter ist nach der Vergewaltigung erst noch auf der Seite der Tochter, glaubt aber ohne Zögern dann der Darstellung des Vergewaltigers. Die Tochter will sich innerhalb von 90 Minuten gleich zwei Mal umbringen, obwohl ich überhaupt keinen hinreichenden Grund dafür erkennen kann. Und sind ernsthaft Leute „in die Spree gegangen“, um sich umzubringen? Der angehimmelte Arzt hat natürlich für die Nazis Menschenexperimente durchgeführt. Und so weiter, und so fort. Wäre das ein Hollywood-Film, würde jeder sofort sagen: Klar, so simpel stellen sich die Amis das Nachkriegsdeutschland vor.

    So sehr ich „Weissensee“ mag (auch und gerade die Drehbücher), das hier fand ich mit zunehmender Laufzeit einfach nur unfreiwillig komisch.

    1. Es macht einen Unterschied, ob man mit einem Klischee nur beginnt, oder auch damit aufhört, dazu müsste man aber bis zum Ende durchhalten. Monika beginnt zwar als Abziehbild eines Mauerblümchens, das ist sie am Ende aber nicht mehr, was um Klassen besser ist als in “Weissensee”, wo auch nach der dritten Staffel noch die gleiche Trennung in den guten Stasi-Offizier (Hans Kupfer) und die bösen Offiziere (alle anderen) gilt. Auch Mutter Marlene bleibt dort (leider) die brave Mama Zuhause, die versucht die Familie zusammen zu halten, komplett ohne Entwicklung. Mama Caterina darf in “Ku’damm 56” Abgründe auftun und macht am Ende einen winzigen Schritt in eine größere Welt. In “Weissensee” durfte die gleiche Autorin nicht so wie sie wollte, da blieb nämlich alles beim Alten und die Ossis unter sich – kann man im Podcast nachhören.

      Der “hinreichende Grund” für zwei Selbstmordversuche ist die aussichtslose Zukunft von Monika, wenn sie ohne Hauswirtschaftsschulabschluss dasteht, womit sie quasi nicht zu verheiraten ist. Versetz dich in die Lage oder lies es nach, das waren die 50er Jahre. Monika entspricht nicht diesem Frauenbild und sieht keine Zukunft, weder Freunde noch Familie zeigen ihre Alternativen auf, sie ist allein auf sich gestellt. Da einem das nicht plump in Dialogen um die Ohren gehauen wird, sondern nur angedeutet wird spricht ja gerade für die Qualitäten des Drehbuchs, nicht dagegen. Sonst beschweren wir uns doch auch, wenn alles aasbuchstabiert wird und man sich nichts mehr selber zusammenreimen darf. Und wenn doch ist es auch wieder verkehrt? Ja was denn nun? Oh, und am Rande erwähnt: Selbstmord als Thema am Sonntag Abend im ZDF, wann hat es das zuletzt um 20.15 gegeben? Das ist auch für Nico Hofmann Neuland. Wurde auch Zeit.

      Übrigens gibt es auch Digitaleffekte, die man nicht gleich als solche identifizieren kann. Beim Ku’damm ist das natürlich einfach anzunehmen und ziemlich unfair. Was ist aber mit all den Fensterhintergründen bei den Innenaufnahmen oder den Autofahrten? Alles schlecht oder wie? Das ist genau das, was ich mit “Über einen Kamm” scheren meine – eine Sache rauspicken als Argument dafür, dass gleich alles nichts taugt. Warum sind wir dann aber in diesem Punkt bei den amerikanischen Serien nachsichtiger?

      Das mit dem “in die Spree gehen” ist nicht erfunden und lässt sich mit fünf Minuten Recherchezeit bestätigen: http://www.kalenderblatt.de/index.php?what=thmanu&manu_id=1038&tag=5&monat=10&weekd=&weekdnum=&year=1931&lang=de&dayisset=1 Im Osten übrigens mehr als im Westen, 1956 waren die Grenzen aber noch offen und in einer Psychiatrie bekommt man das mit.

      Der Arzt war im KZ – ja und? Wie wird er denn dargestellt? Als böse? Dann wäre es Klischee. Jetzt guck mal genauer hin, er verleugnet nichts, steht dazu, gesteht es sogar unaufgefordert seiner Zukünftigen, die das nicht hören möchte. Ist das dann immer noch Klischee? Ich wiederhole es gerne noch einmal: den Unterschied macht, ob man sich nur der Klischees bedient um schnell in die Geschichte eintauchen zu können und wie man aufhört. Der Umgang, das Spiel damit macht den Unterschied – das war bei „Mad Men“ nicht anders. Dem Pilcher-Klischee nach müssen sich am Ende Monika, der “Trampel auf der Leiter” und der “Fabrikerbe” kriegen, richtig? Naaa, und wie geht es aus? Kannst du ja morgen an dieser Stelle nachlesen – lass dich überraschen. So simpel wie du den Mehrteiler sehen willst, ist er gar nicht gestrickt – dazu müsste man ihn aber bis zu Ende sehen. Allerdings aufmerksamer als Herr Hoff.

      1. Es sollte aber doch jedem Zuschauer zugestanden werden, es anders zu sehen als die Autorin eines Werkes. Dass man als Schöpfer mit Blick auf sein eigenes Werk befangen ist, ist doch klar. Und dass ich als Zuschauer mir erst alle drei Teile ansehen muss, um mir eine Meinung zu erlauben, wenn mich der erste schon nicht „gekriegt“ hat, halte ich für Unsinn.

        1. Selbstverständlich, Marcus. Eine Meinung zu haben ist völlig in Ordnung, es sind Pauschalurteile mit denen ich ein Problem habe. Bei einem geschlossenen Werk kann man schlecht das Drehbuch beurteilen, wenn man sich nur mit den ersten beiden Akten vertraut macht, findest du nicht? Wenn man nach einer Folge feststellst, dass das nichts für einen ist und man deswegen keine Lust hast weiter zu schauen, wird sich niemand beschweren. Befangen ist man dann allerdings auch, nur eben von der eigenen Filterblase.

  5. Stimme dir zu, dass der Flash Forward zu Beginn der Episode vollkommen deplatziert ist. Das erinnert mich an „Bloodline“, weil er da genau den selben Zweck gewidmet zu sein schien: Davon ablenken, dass die Geschichte zu langsam beginnt. Der Versuch, dadurch Spannung zu generieren, ist nicht nur transparent, sondern bietet auch, wie du richtig gesagt hast, einfach zu viel Spoiler.

    Ab Minute 30 hat mich die Serie ziemlich gefesselt, davor gar nicht. Die Vergewaltigung war unerwartet (ich erwartete eine herrkömliche Dreiecks-Geschichte mit Freddy) und höchst verstörend. Davor war mir die Mauerblümchen-Charakteristik zu dick aufgetragen (da scheinen wir uns alle einig zu sein), diese Wendung machte die Figur deutlich vielschichtiger.

    Die Reversion von Opfer und Täter ist in feministischen Werken wie diesen ja Gang und Gebe, aber kriegt mich immer wieder rum: Die Mutter Monika die Schuld geben zu lassen war ein richtiger Schlag in die emotionale Magengegend.

    Den Sexismus der 50er-Jahre würde ich wahrscheinlich dick aufgetragen empfinden, wenn es andere Werke wie „Mad Men“ nicht ebenso tun würden. Es ist 60 Jahre später schwierig nachzuvollziehen, dass es mal wirklich so gewesen sein muss, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern – dass das gerade mal 2 Generationen her ist, ist schon ziemlich unglaublich.

    1. Gerade der ersten halben Stunde merkt man ihre (zu) häufige Überarbeitung an, da wurden fast bei jeder Einstellung Bilder wegrasiert, um schneller irgendwohin zu kommen, darum wirkt das so hektisch und instabil. Erst danach findet der Mehrteiler seinen Rhythmus und fließt wunderbar. Ob unsere Vermutung hier stimmt, weiß ich nicht, wäre schön wenn man das in Erfahrung bringen könnte (Hallo Ronny Mattas *winkwink*), denn das macht kein Cutter freiwillig. Ist fast so, als hätte da jemand in letzter Minute (unbegründet) kalte Füße bekommen und wollte so wohl auf Nummer sicher gehen? Sollte sich jemand angesprochen fühlen: Beim nächsten Mal den Büchern und der Inszenierung vertrauen, das Publikum weiß das zu honorieren.

      Ja, das Mauerblümchen nimmt man Monika einfach nicht ab (dafür ist Sonja Gerhardt auch einfach zu hübsch), außerdem müsste der rebellische Teil ihres Charakters Wurzeln haben, die in die Zeit vor der Hauswirtschaftsschule zurück reichen. Vielleicht liegen die sogar bei der Verwandtschaft auf dem Land, wo sie unter keinen Umständen hingeschickt werden wollte? Das wäre dann ja einen willkommene Erweiterung mit Stadt/Land-Gegensatz für die zweite Staffel, nach der UFA Fiction ja sogar auf Twitter gefragt hat und dementsprechende Antworten bekam.

      Vergewaltigungen mag ich keine mehr sehen. Hier hätte es auch spannend sein können, den Akt selber in der Inszenierung (oder im Schnitt) auszusparen und wirklich nur Aussage gegen Aussage stehen zu lassen – das hätte spannend sein können, wenn man beginnt zu glauben, dass sich Monika das nur eingebildet hat und dann mit dem Messer ins Kino geht … und immer mit der Beweislast beim Opfer. Nun ja, im Nachhinein sind natürlich alle die besseren Regisseure, dabei hat Sven Bohse großartige Arbeit geleistet. Das hingegen Vergewaltigung in der Ehe überhaupt mal thematisiert wird, war überfällig, etwas unglücklich allerdings, dass manche Zuschauer es sich hier einfach machen können, wenn sie sich sagen, dass das ja ein Homosexueller war. Auch das ließe sich in einer Fortsetzung wunderbar differenzieren, es braucht nur die entsprechende Erzähl- und Sendezeit, wie wir sie von den Qualitätsserien gewohnt sind.

      Richtig gruselig finde ich, dass jetzt dieses 50er Jahre Familienmodell (bzw. sogar jenes unmittelbar davor) wieder salonfähig wird und Einzug in Parteiprogramme hält, wo die Frau an der Herd und in die Ehe gehört, Abtreibung unter Strafe gestellt wird und die Babies vom Storch gebracht werden. Petri Heil.

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