„CopStories“-Kritik 2.07: „Oh Gott!“

Himmel hilf: Vickerl und die Marienstatue; Fotos: ORF/Gebhard Productions

Bevor im Winter Staffel 3 im Fernsehen anrollen soll, strahlt der ORF noch einmal die ersten beiden aus. „CopStories“ ist immer ein wilder Haufen von Erzählstrangen – manche kurz und knackig, manche groß und lang. Nicht immer sind die größeren die besseren – so auch in “Oh Gott“.

 

Wie gewonnen, so zerronnen: Mit “Oh Gott” verflüchtigt sich Dogans Spur wieder – auch wenn  das Auftauchen Berischers in der (diesmal nicht ganz so überzeugenden) Schlussmontage den Eindruck verstärkt, dass dieser in der Tat ein längerfristiger Antagonist wird. Davon besitzt „CopStories“ zwar ohnehin schon einige (etwa der russische Zar Obradovic, der Chantal geheiratet hat), aber Sorgen, dass die Serie diese nicht stemmen könne, wo sie doch auch schon mit dem großen Polizisten-Ensemble und deren diversen Partnern umzugehen weiß, mache ich mir keine, im Gegenteil: Ich bin der Meinung, dass gerade diese Vielzahl an wiederkehrenden Verbrechern die Fälle von Belanglosigkeit befreit, da diese durch dergestalt konstruierte Charakterbögen Empathie auslösen. Zu wissen, dass das Ehepaar Huber schon vor dieser Episode in einen häuslichen Konflikt involviert war, ist keine Voraussetzung, um diese kleine Nebengeschichte in “Oh Gott” zu verstehen, aber erweitert die Geschichte um einige Nuancen – letztes Mal endete es in einem übertriebenen Happy End, durch diesen neuerlichen Streit erfahren wir jedoch, dass das wirklich nur ein oberflächliches war.

Serielles Erzählen

Es ist immer eine schwierige Grandwanderung für Serien, die ideale Mischung aus episodischen und episodenübergreifenden Handlungen zu finden. „CopStories“ bemüht sich, beide Ansprüche aufs Äußerste zu erfüllen – Serien-Aficionados wie mich (und auch Sie!) will man offensichtlich ebenso ansprechen wie den neuen Zuseher, der nur zufällig hinschaltet. Für letztere leider absolut abschreckend: der Teaser, der in “Oh Gott” neue Höhen an Belanglosigkeit erklimmt. Nicht für Serien-Kenner, die vielleicht Vickerl gerne mögen (ich nicht) oder die Sylvester-Florian-Paarung gut finden (ich schon) – aber spannend oder wirklich interessant ist das Ganze nicht, und endet zudem auf einer schwachen Note. Immerhin: Vielleicht ist die vorübergehende (?) Schließung des Lokals diesbezüglich eine Trendwende; Vielleicht hat man erkannt, dass der tägliche Arbeits- und damit Episodenbeginn im Kaffeehaus zwar eine typisch österreichische Atmosphäre vermitteln kann, allerdings wenig mehr zu bieten hat. Wir werden sehen.

Auch einige Entwicklungen bei den figurenbezogenen Handlungssträngen erfahren eine gewisse Veränderung – und so soll es auch sein. Helga etwa haben wir in dieser Staffel ihren Mann Toni nun fast schon so oft zusammenpfeifen sehen, da machen sich schon langsam Abnutzungserscheinungen breit. Doch gerade, wo Toni ein zweites Auto herstellt, und ich befürchte, dass „CopStories“ die Ideen ausgegangen sind, beginnt Toni, gegen Helga anzukämpfen – indem er sich wie immer als Opfer darstellt, während seine Frau die Täterin sein soll. Ob die Wendung, dass Toni womöglich sein Geld mit Drogengeschäften verdient, dann tatsächlich stimmig ist, werden wir wohl noch bis zum Ende der Staffel sehen – vorübergehend bin ich da mal vorsichtshalber skeptisch. Dass „CopStories“ durch Tonis heuchlerische Schuldzuweisungen an Helga hier einen neuen Winkel für diesen Ehekonflikt findet, gefällt mir hingegen schon auf Anhieb gut.

Die Männer und ihre Männlichkeit

Von den zwölf Hauptfiguren der Serie sind nur drei Frauen – trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen?) ist der Kampf der Geschlechter selten ein Thema. “Oh Gott” ist da anders, indem insbesondere zwischen Sylvester und Florian eine (indirekte) Debatte darüber ausbricht. Hypermaskulin, wie Sylvester nun mal ist, löst er eine gefährliche Situation betont lässig – zu lässig, wie Florian findet. Sylvester habe falsch gehandelt und damit die Leben der zwei Polizisten aufs Spiel gesetzt, aber ob Florian tatsächlich selber hätte abdrücken können, ist fraglich. Andererseits: Hätte Sylvester seine Waffe abgefeuert, falls es sich um den Ehemann gehandelt hätte? Sylvester wollte die Situation heldenhaft lösen, und es gelang ihm auch, während hingegen die sichere Wahl, nämlich die bewaffnete Frau zumindest anzuschießen, eine gänzlich andere Art von Mut erfordert hätte. Nicht zuletzt geht es dabei auch darum, kühl genug zu reagieren und sich anhand der Vorschriften zu verhalten: etwas, das Sylvester schon in der Vergangenheit Probleme bereitete…

Die beiden finden dann aber doch noch eine gemeinsame Basis: den Boxring. Der kurze Besuch dient nicht nur dazu, Florian scheinbar seiner zukünftigen Angebeteten vorzustellen, sondern bildet auch einen sehr gelungenen, thematisch passenden Ausklang des Streits der Beiden. Ich würde nicht so weit gehen, dass Florian der verweichlichste Polizist ist – diese zweifelhafte Ehre gebührt wohl Matthias – aber wir haben ihn in den letzten Folgen doch recht häufig weinen sehen – natürlich aus gutem Grund, aber eine Abwechslung/ Ablenkung hat er sich da mehr als verdient. Darüber hinaus ist es aber für ihn ein Mittel, selbst wieder Kontrolle über sein Leben zu erlangen. Wenn er schon nicht alleine Zeit mit seiner Tochter verbringen darf, dann kann er zumindest hier seinen Frust auf produktive Art loswerden.

Auch Matthias sieht sich mit seiner Männlichkeit konfrontiert. Geradezu selbstkritisch lässt ihn „CopStories“ hier mit seiner tolpatschigen Art auflaufen. Schon zu Beginn der Folge wird seine mangelnde Kompetenz deutlich, als niemand mit ihm einen Fall übernehmen möchte. Das hat nichts mit Sympathien zu tun: Matthias mögen ja alle. Trotzdem findet es scheinbar jeder lästig, mit ihm zusammenzuarbeiten – an Arbeiten, die einfach gemacht werden müssen, geht er häufig zu naiv, zu gutherzig, zu einfältig heran. Und so plagt er sich durch die Episode, erfährt eine Abweisung nach der anderen – nur um am Abend in seine eigene Wohnung zu kommen, in der er auch nicht willkommen ist. Folgen wie “Oh Gott” zeugen davon, warum sich dieser Mann nach Chantal sehnt: weil sie die einzige ist, die ihn wirklich haben will. Für den traurigen Matthias ist das unverständlich: Er ist doch immer nett zu allen, er gibt sich Mühe, er hat ein gutes Herz. Ich bin gespannt, wo das hinführen wird.

Heilige Maria Mutter Gottes!

Ablehnung erfährt er diesmal eben auch von Roman, der (wie prophezeit) mit Bettina eine ernstere Beziehung beginnt. Dieser hat zwar die selben Schwierigkeiten, die öffentliche Urinierung in das System einzugeben, doch seine Behandlung von Matthias zuvor ist bezeichnend. Zudem kümmert er sich um den Fall rund um gestohlene Marienstatuen – der zwar einen angenehm undurchschaubaren Pfarrer als Hauptfigur besitzt, sonst allerdings eher platt ist: Ein bisschen grob sein, und schon plaudern die Täter munter ihre Geheimnisse aus. Der Pfarrer wäre ein schöner Spiegel für Matthias gewesen, aber dieser war ja anderweitig schwer beschäftigt.

Eine unerwartete Allianz: (Deniz Cooper) und Eberts (Martin Zauner).
Eine unerwartete Allianz: (Deniz Cooper) und Eberts (Martin Zauner).

Von der Lösung dieses Falles abgesehen verbringt Eberts seine Zeit weniger produktiv: Schlafen während des Dienstes! Die Beziehung zur Therapeutin nimmt hier zwar ein paar seifenopernartige Züge an, doch hinter der Fassade steckt beim Berufsgrantler ein überraschender Schwermut. Gloria weiß, dass sein Frust über die nur langsam fortschreitenden (und in dieser Episode leider auch wieder zum Stillstand kommenden) Ermittlungen in Sachen Dogan nicht von professioneller Natur sind – dafür ist Eberts zu abgebrüht. Der Ausländer an seiner Seite fehlt ihm einfach.

Auch Lukas hadert mit seinem Job und seiner Verantwortung und mischt sein Privatleben dazu. Es sieht so aus, als ob er sich demnächst trauen wird, bei Christian zu läuten – der Konflikt mit der nervigen Iris ist programmiert. Ob er jetzt tatsächlich mit Christian wieder den selben Fehler begehen wird wie damals, ist mir eigentlich egal; Viel mehr interessiert mich, dass der sonst so karriereorientierte Chefinspektor Abstriche in der Arbeit macht – das hat selbst Iris nie geschafft. Mehr noch: Für Christian riskiert Lukas sogar Kopf und Kragen. Wenn das nicht nach hinten losgeht…

Bergfelds Anhörung wirkte ein wenig deplatziert – nicht nur, weil diese Sitzung merkwürdig schnell zur Sache kommt, sondern auch, weil dieser kurze Handlungsstrang kein wirkliches Ende hatte. Bergfelds Äußerungen erklären, warum „CopStories“, sagen wir mal, eine überhöhte Realität darstellt, in der es Drive-by-Shootings und einen mächtigen Drogenlord gibt, doch merkwürdigerweise kommt die Serie auf diese Äußerungen dann nicht mehr zurück. Vielleicht in einer der nächsten Episoden, dennoch passt es nicht so recht ins Gesamtbild.

Was bleibt, ist allerdings insgesamt eine kleine Enttäuschung: “Oh Gott” bringt den Dogan-Handlungsstrang leider wieder zum Erschlaffen. Stattdessen müht sich die Folge an einem uninspirierten Hauptfall ab, kompensiert das aber mit den wie üblich gelungenen Nebengeschichten.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in etwas anderer Form auf BlamayerTV.wordpress.com.

„CopStories“ Staffeln 1 und 2 werden seit dem 7. Juli jeden fußballfreien Dienstag um 21.05 Uhr auf ORFeins ausgestrahlt. Danach sind die Folgen jeweils für sieben Tage in der ORF-TVthek (auch weltweit) verfügbar. Beide Staffeln sind als DVD erhältlich.

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