Ende gut, alles gut? Für manche Polizisten gibt es in “Alles Liebe“, dem Finale der zweiten „CopStories“-Staffel, ein Happy End, wie es im Bilderbuch steht, manche hinterlässt es hingegen ziemlich leer. Während sich Eberts nämlich in einen Banküberfall verwickeln lässt, macht Leila eine überraschende Entdeckung…
Wöcha Orsch hot den Orsch umbrocht?
Dass sich Dogan als tot herausstellt, ist ganz schön antiklimatisch. Noch antiklimatischer ist allerdings, dass „CopStories“ darauf verzichtet, den Täter zu zeigen – ganz offensichtlich Berischer, sonst wäre ja all dessen Bildzeit für die Katz gewesen, und auch sein Auftauchen im “Was bisher geschah”-Segment wäre sinnfrei gewesen. Oder bin ich da schlichtweg meinem eigenen Hype erlegen? Aber der kam ja nicht von ungefähr, denn die Serie brüstet sich ja sichtlich mit dieser Figur, und sie so wenig in Erscheinung zu bringen enttäuscht dann doch ziemlich.
Ich habe mir nach Dogans langer Abszenz schon erwartet, dass dieser die zweite Staffel nicht überleben würde, aber dann schlichtweg als Leichnam aufzutauchen, ohne dass wir jegliche Hintergründe dafür mitbekommen, ist ein doch zu unwürdiger Abgang für Altans Mörder. Die Kommissare merken an, wie leer sie sich jetzt fühlen – ich mich auch. Wenn er doch bloß einem noch größeren Mafioso gewichen wäre! Stattdessen erfahren wir hier nie (bzw. eben erst in der nächsten Staffel), zu was Berischer überhaupt imstande ist, und warum wir uns vor ihm fürchten sollten – insofern fehlt hier einfach der Cliffhanger.
Statt der großen Dogan-Gala sehen wir im Hauptfokus des Staffelfinales einen Fall der Woche. Das klingt zuerst einmal ziemlich ernüchternd, stellt sich aber als überraschend emotional heraus. Wenn man davon absieht, wie künstlich die Serie dieses Szenario heraufbeschwört (was ehrlicherweise jede Serie tut, die eine ihrer Hauptfiguren zufällig zum Opfer eines Banküberfalls werden lässt), stecken da erstaunlich viele gelungene, überraschende Wendungen drin. In meinen Notizen bezeichnete ich den Bankräuber sofort als Fleischmann, sobald der Name als “möglicher Täter” fallen gelassen wurde – und kaum fünf Minuten später stellt sich heraus, dass es sich um eine gänzlich andere Art von Bankräuber handelt. Wer aufpasst, kann auch vorher schon 1+1 zusammenzählen: Das Profil Fleischmanns (“VierTote bei neun Überfällen”) passt so gar nicht zur Stümperhaftigkeit von Wegscheider, dem tatsächlichen Bankräuber.
Die Angst, ein gewaltsamer Bankräuber könne Eberts erschießen, weicht in Windeseile jener, dass der stümperhafte es aus Versehen tut. Die nächste Überraschung ist jene, dass Eberts’ Handy nie von Wegscheider gefunden wird – da vermeidet „CopStories“ unerwartet ein großes Genre-Klischee. Stattdessen besteht Eberts den Test, den die Serie ihm da stellt: Natürlich ist es ausgerechnet der größte Hitzkopf unter den Polizisten, der in einer Extremsituation einen kühlen Kopf bewahren muss und es dann auch tut – ohne dass die Serie den Zwang verspüren würde, den Bankräuber ausländischer Natur sein zu lassen.
„Cop Stories“ macht es sich manchmal ein wenig einfach, den Staatsanwalt als Antagonisten darzustellen, und auch in diesem Fall stehen Bergfeld, Eberts und Co. als jene Helden da, die den Vorfall bedauern, während der Staatsanwalt zufrieden von Dannen zieht (ohne nennenswerte Verluste quasi). Trotzdem handelt es sich dabei um einen der gelungensten eigenständigen „CopStories“-Fälle, bei dem selbst Eberts ein flotter Spruch fehlt (außer natürlich “Hoit di Pappn!”, der geht immer): Obwohl der Vorfall keine der Hauptfiguren persönlich betrifft, berührt mich die Geschichte dieses verzweifelten Ehemanns, der sicherheitshalber eine Lebensversicherung abgeschlossen hat und sich hier für seine kranke Frau opfert, ungemein. Ganz entscheidend dafür die Inszenierung und vor allem das Sound-Design: Diese Zeitlupe war schlichtweg wunderschön. Toll, wenn auch nicht unbedingt das Material, das ich mir für ein Staffelfinale erhoffe.
Resolutionen
Während die Geschichte rund um die Vernachlässigung eines Kindes zu nichts führt – dieser Handlungsstrang wird mitten in der Episode einfach vertagt, ohne ein Ergebnis zu finden – bildet den zweiten Hauptstrang der Folge eine zweite Geiselnahme, als der Stalker Scheiber seine Zuneigung für Tina auf die nächste Stufe hievt. Für den Herrn Scheiber hege ich keine große Liebe, das habe ich schon bei der Vorfolge (“Muckibude“) verkündet; Seine Handlungen in “Alles Liebe” erklären zwar dessen uninteressante Präsenz in “Muckibude“, werden in der neuen Episode allerdings unglaubwürdig erhöht. Wenn die Verbrecher von Verzweiflung getrieben werden, wie es etwa bei Wegscheider der Fall ist, dann kann ich bei diesen zumindest empathisch mitfühlen. Scheiber ist hingegen schlichtweg verrückt, ohne jegliche Sympathien zu wecken.
Was die Serie allerdings daraus macht, ist auf emotionaler Ebene deutlich resonanter und resolutionsbemühter, als es die Suche nach Dogan war, auch wenn mir der Ausgang nicht ganz zusagt. Sylvester steht einmal mehr im Kreuzfeuer einer bewaffneten Auseinandersetzung – entgegen meiner Vermutungen geht allerdings alles glimpflich aus, mehr noch: Er wird für das Missachten der Befehle von Helga und das gefährliche, eigenverantwortliche Eingreifen auch noch belohnt. Ich war Feuer und Flamme für die Konstruktion dieser Geschehnisse, bis Tina Sylvesters draufgängerisches Verhalten mit Mut verwechselt und ihn dafür auch noch küsst.
Zumindest weiß „CopStories“, dass Sylvesters Konfliktlösungskompetenz gefährlich ist. “Bei uns war’s heute auch knapp.”, meint Tina. “Unsere Zeit war halt noch nicht gekommen“, philosophiert Sylvester – was auf eine etwas zu romantische Auffassung von Schicksal schließen lässt, und auf seine Überzeugung, dass er unverwundbar ist, solange er daran glaubt. Trotzdem hätte ich es schöner gefunden, wenn Tina Sylvester auf sein riskantes Verhalten aufmerksam gemacht hätte, indem sie ihn eben nicht küsst – so frage ich mich, was Sylvesters Liebäugelei mit Romana in “Kleinvieh” und “Au Weh” überhaupt sollte, ohne im Finale auch nur Erwähnung zu finden. Aber ich bin auch kein Unmensch: Sylvesters Geständnis war doch ziemlich süß, und der Kuss verleiht dem Staffelfinale einen Sinn von Resolution, den etwa der Berischer-Handlungsstrang schmerzlich vermissen lässt.
Ebenfalls einem Staffelfinale würdig, rein strukturell gesehen: Irenes Selbstmord. Der Fall Wegscheiders macht Andreas Bergfeld klar, dass er nicht der Typ von Mensch ist, der sich für seine Ehefrau opfern möchte. Gleichzeitig hatte es sich natürlich schon seit vielen Folgen abgezeichnet, und so muss Irene Andreas’ Worte gar nicht mehr hören. Es zeugt davon, dass sich das Paar auch schon vorher bis auf halbwahre Floskeln (“Ich hab gerade so viel zu tun in der Arbeit” bzw. “Mir geht es jetzt gut!”) wenig zu erzählen hatte, und so lässt sie ihn auch hier ohne jeglichen Kommentar zurück.
Ich interpretiere das als fast kindliche, selbstsüchtige Strafe:Siehst du, das hast du jetzt davon! Es spricht von Trotz, nicht nur keinen Abschiedsbrief zu hinterlassen (ihr Sprung sieht nicht von langer Hand geplant aus), sondern es auch während eines Rendezvous zu tun. Irene sieht sich als Opfer, deren langes Leiden in der Psychiatrie nicht honoriert wurde. Andreas wagt es nicht zu überprüfen, ob die hysterischen Schreie aus dem Hintergrund (“Die springt!”) wirklich bedeuten, dass seine Frau nun fort ist – zu groß der Schock, zu groß die Schuldgefühle. Doch was hätte er machen sollen?
Es sind so viele Handlungsstränge im Spiel, dass „CopStories“ keine Chance hat, allen beim Staffelfinale genügend Raum zu verschaffen, um sie mit Cliffhangern zu vertagen – vor allem natürlich nicht, wenn gut ein Drittel der Folge mit einem (wenn auch guten) Fall der Woche gefüllt wird. Ein paar mehr Entwicklungen habe ich mir schon erwartet: Ist Chantal wirklich für immer weg? Gibt es für Flo und seine Tochter keine Neuigkeiten? Vor allem aber der Haupthandlungsstrang der bisherigen Serie hätte eine gebürtigere Rolle einnehmen müssen, anstatt wie eine Fußnote behandelt zu werden.
Trotzdem stellt mich die letzte Montage der Staffel ziemlich zufrieden, beinhaltet sie doch so viel der titelgebenden Liebe: Eberts besucht seine Rassismus-Therapeutin außerhalb der Visitationszeiten, Matthias und Roman finden durch dessen endlich an die Oberfläche getretenen Selbstzweifel zu einer gelungenen Bromance (welche beiden Figuren unheimlich gut tut!), Helga ist ohne Toni glücklich, und über Dogan wird der Sargdeckel gelegt. Die Lichter werden ausgeknipst – wir sehen uns in Staffel 3 – im Frühjahr 2016.
Dieser Artikel erschien ursprünglich in etwas anderer Form auf BlamayerTV.wordpress.com.
„CopStories“ Staffeln 1 und 2 werden seit Mitte 2015 jeden fußballfreien Dienstag um 21.05 Uhr auf ORFeins ausgestrahlt. Danach sind die Folgen jeweils für sieben Tage in der ORF-TVthek (auch weltweit) verfügbar. Beide Staffeln sind als DVD erhältlich.
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