„CopStories“-Kritik 2.08: „Au Weh“

“Du darfst mir gar nix toan, stimmts, Frau Lehrerin?” – “Nein, Benny.” Fotos: ORF/Gebhard Productions

Was macht eine „CopStories“-Folge zu einer guten? Das ist bei der komplizierten Dramaturgie dieser Serie gar nicht so einfach zu sagen. Abgesehen davon, dass ein Fall überraschen oder berühren soll, muss er aber auch Konsequenzen für die Hauptfiguren besitzen, sei es persönlicher oder arbeitstechnischer Natur. “Au Weh” bietet beides – großteils.

Au weh!

Um ehrlich zu sein missfällt mir die Namensgebung der „CopStories“-Folgen sehr. Bei „CopStories“ ist es natürlich sehr schwierig, aus einer Episode das einende Element zu finden – für “Au Weh” wäre das zum Beispiel die Verantwortung, anhand derer man die Polizisten in ihrer Arbeitsweise und ihren Erfolgen vergleichen kann. Da wäre das ein äußerst hilfreicher Fingerzeig, um bei dieser komplexen Serie besser die Parallelen und Unterschiede zwischen den Figuren hervorzuheben, und würde auch für einen größeren Wiedererkennungswert sorgen. Bei “Jössas!” erinnert man sich gleich, dass darin der skurrile Jesus-Fall enthalten war – aber worum ging es für die Polizisten? “Au Weh” besitzt hingegen nur den vagesten Hinweis auf seinen Inhalt und könnte genauso gut der Titel jeder anderen Folge sein.

Er bezieht sich noch am ehesten auf den Fall der vom Vater missbrauchten Frau, der einerseits durch seine Tragik (insbesondere die Tatsache, dass diese schwer suizidgefährdete Frau ausgerechnet mit einem scheinbar geistig zurückgebliebenem Mann zusammen ist) schon zu berühren wusste. Wie es wohl dazu kam und wie diese beiden gebrochenen Seelen Stützen füreinander sind?

Immerhin kann Leila die verloren geglaubte Spur von Dogan wieder aufnehmen, indem sie unwahrscheinlicherweise den Schlüssel im Leichnam von Michael findet – „Saw“ lässt grüßen. Die Geschichte bewegt sich in Babyschritten fort, nächste Folge wird wohl der Suche nach dem Schließfach gewidmet, und das Staffelfinale bietet dann aller Voraussicht nach die letzte Konfrontation. Kein schlechter Plan, um die Geschichte über die ganze Staffel zu strecken, aber insgesamt doch ein wenig dünn.

Verantwortung

Apropos strecken: Das könnte man durchaus vom Bergfeld’schen Beziehungsdreieck behaupten. In “Au Weh” beläuft sich das lediglich auf das Erörtern von der Hintergrundgeschichte der Ehe. Das ist zwar äußerst expositionslastig, aber da es sich um die 18. Folge der Serie handelt, kann man da schon mal ein Auge zudrücken. Dooferweise ändert das aber nichts am Status Quo: “Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich machen soll.”  In der Tat eine schwierige Situation, doch „CopStories“ sollte sich da bald etwas einfallen lassen, bevor sich dieser Handlungsstrang zu sehr zu wiederholen beginnt.

Schnell eskaliert hingegen der Handlungsbogen rund um Helgas Ehemann, der nicht nur des Drogenhandels überführt wird und das zugibt, sondern sich auch endgültig von Helgas Fuchtel befreit. Nachdem wir Helga bereits viele Male aufgrund Tonis Egoismus und Unfähigkeit explodieren sehen haben, ist es hier eben ihr versteinertes Schweigen, das davon spricht, wie endlos frustriert und enttäuscht sie sich fühlt. Selbst wenn Toni einsichtig wäre, würde das ihre Familie schwer treffen – wie soll sie das ihren Kindern erklären? Die werden denken, die Mama habe den Papa eingesperrt. Schlimmer macht es bloß Tonis schlecht durchdachte Mischung aus Naivität und Häme (“Du weißt gar nicht, wie schwer das ist. Du hast es nie schwer.”). Geradezu genüsslich spricht er von all der Zeit, die er seine Frau los sein wird, und verabschiedet sich mit einer Verdammung. Mal sehen, wie lange diese Uneinsichtigkeit auch hinter Gittern währen wird…

"Geh einfach scheißen." Toni (David Oberkogler) und Helga (Kristina Bangert) am Scheideweg.
„Geh einfach scheißen“: Toni (David Oberkogler) und Helga (Kristina Bangert) am Scheideweg.

Während sich Toni also immer weiter vor der Verantwortung drückt, wird Lukas langsam von dieser überhäuft. Während mich die frühen Kapitel der Geschichte rund um Lukas’ Ex-Liebhaber Christoph eher kalt ließen, ist dieser Handlungsstrang spätestens seit “Au Weh” in voller Fahrt. Die Daten, die Christoph Lukas zuspielt, sind fehlerhaft, womöglich sogar mit einem Virus versehen – wollte Christoph Lukas also von Anfang an an der Nase herumführen? Warum kontrolliert Lukas nicht selber zuerst die Daten? Irgendwo hat die Sache einen Haken.

Lukas muss umgehend dem Staatsanwalt die Daten geben, doch ausgerechnet da bricht bei Iris die Fruchtblase. „CopStories“ hätte das als billigen Zufall verkaufen können, stattdessen ist es die vollkommen logische Konsequenz von Lukas‘ kürzlicher Entwicklung: Der betont kühle Chefinspektor bemüht sich, in seinem Privatleben aufzutauen – jetzt allerdings, wo sein “Gefallen” für Christoph zu einem Problem für ihn werden könnte, hat das schwerwiegende Konsequenzen für sein Berufsleben. Und auch nun, wo er die Chance hätte, die Situation zu klären, setzt er sein Privatleben an vorderste Stelle – bei der Geburt seines Sohnes mehr als verständlich. Trotzdem sehen wir gerade, wie sich Lukas beruflich in ein Netz voller loser Enden verheddert – hoffentlich tut es ihm die Serie nicht gleich.

Besonders gelungen auch, wie “Au Weh” das mit der Vermutung verknüpft, es könne einen Verräter unter den Polizisten geben. Lukas spielt Dogan bestimmt keine geheimen Daten zu, sein möglicher Verrat wäre jener an Bergfeld – falls der Staatsanwalt diese Drohung wahr macht. Für Lukas stellt das nicht nur eine Probe seiner Loyalität gegenüber seinem Team dar, sondern auch ein Test für ihn als Person: Wie machtgierig ist er noch? Zugegebenermaßen wäre es keine große Überraschung, wenn er dieses unmoralische Angebot ablehenen würde. Allerdings würde es sich dabei um einen ausgezeichneten Entscheidungspunkt für Lukas handeln, der mit seiner anderweitigen Entwicklung kongruent ist, und ich kann mir kaum vorstellen, dass „CopStories“ dieses gefundene goldene Ei auslassen wird.

Respekt

Lukas ist allerdings nicht der Einzige, der da an seinen Aufgaben wächst: “Inspektor” Sylvester wird nach seiner Heldentat in der Schule bereits zum zweiten Mal in den Verhörraum gelassen. Dort ist er zwar keine große Hilfe und gibt schnell auf, trotzdem scheint ihn der Erfolg ungemein zu beflügeln – Tina ist out, Romana ist in! Es wäre nicht Sylvester, wenn es nicht ein Spiel mit dem Feuer wäre, mit einer polizeilich beschützten Person eine Beziehung/ Affäre einzugehen, und trotzdem liebäugelt er damit. Wir sehen, wie ihn seine bisherige „CopStories“-Karriere stärker gemacht hat: Als sich der missratene Benni – eine Episodenfigur aus der ersten Staffel, die Sylvester Kopfzerbrechen bereitete – als Mitschüler von Romanas Sohn entpuppt, weiß Sylvester von Anfang an, wie er mit dem Kleinen umzugehen hat. Bewundernswert ist auch, wie Benni in dieser Folge Respekt für Sylester entwickelt: Durch die Rettung von Sylvester lernt Benni diesen zu schätzen.

Leider gab es diesen Moment zum Schluss nicht, in dem Benni Sylvester auch tatsächlich diesen Respekt zollt – dafür müssen wir uns wohl bis zu seinem nächsten Erscheinen (in der nächsten Staffel?) gedulden müssen. Ansonsten ist die Schlussmontage wieder äußerst gelungen – irre, wie viele kleine, aber wichtige Momente sich darin verstecken. Die nicht gerade vor Chemie sprühende, beginnende Zusammenarbeit von Eberts und Leila ist da noch der fadeste Teil; jene Szenen versprühen den meisten Espirt, die eine weitere Nuance oder Wendung zum vorher bereits etablierten Ende hinzufügen. Wie hübsch sich Romana etwa doch gemacht hat, um sich bei Sylvester zu bedanken; oder wie Roman entdeckt, dass sich Tina ein Buch zur Offiziersausbildung gekauft hat (was wiederum in die Hände des Verantwortungs-Themas spielt); oder wie “die Frau” für Florian beim Boxen im Vordergrund steht; oder wie Lukas sein Kind erstmals kritisch beäugt, während Iris ihm dabei strahlend zusieht. Toll, toll, toll.

Mein Favorit in dieser Episode ist allerdings die kurze Beobachtung, wie sich der Falschparker mit einer Rose bei Tina bedankt und vielleicht auf ein zweites Date hofft. Hier ist es nicht bloß ein poetisches Bild oder eine logische Schlussfolgerung einer der Geschichten, sondern außerdem noch glatt eine komplette Inversion eines Handlungsstrangs. Und das völlig überraschend! Florian hatte noch so halb gewarnt, dass diese Methodik nicht Usus werden sollte, und schon bekommt Tina ihren Denkzettel – ihre Körpersprache sagt uns ganz klar, dass sie daran kein Interesse hat. Wie dieser kleine Fall völlig nonverbal in ein paar Sekunden eine gänzlich andere Bedeutung erlangt, ist einfach unglaublich schön. Das I-Tüpfelchen ist wie immer der Cliffhanger, diesmal eher emotionaler Natur: Nach all diesen kleinen Happy Ends (bewusst wurden etwa die misshandelte Frau oder der als Polizist verkleidete Täter nicht gezeigt) folgt das Ende der Rauper-Ehe. Toll, toll, toll.

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