„It’s a hard job being human“: Jane Campion auf dem Film Festival Cologne

Jane Campion und Steve Blame
Bescheiden und reflektierend: Jane Campion im Gespräch mit Steve Blame; Foto: kir

Zum Abschluss des diesjährigen Kölner TV- und Filmfestivals stand Jane Campion in einem Werkstattgespräch Rede und Antwort. Im Gespräch mit Ex-MTV-Moderator Steve Blame zeigte sich die neuseeländische Regisseurin als ebenso sensible wie selbstreflektierte Künstlerin, die von ihrem Einstieg ins Filmgeschäft und den Recherchen für „Top of the Lake 2“ erzählte.

„Ich begann, indem ich die Arbeiten anderer Leute liebte“, erinnerte sich Campion an die Zeit, bevor sie selbst ihren ersten Film drehte. „Durch deren Filme lernte ich zum ersten Mal, dass Erwachsene auch interessant sein konnten.“ Durch die Arbeit an ihren ersten eigenen Kurzfilmen sei ihr dann später bewusst geworden, welche Energie in ihr steckte, während sie vorher eher eine „semi-depressive Teenagerin“ gewesen sei. Drehbuchschreiben sei nicht viel anders als zur Therapie zu gehen. „Glauben Sie mir, ich habe mit beidem Erfahrung“, kommentierte die 63-Jährige lachend.

Nach dem internationalen Durchbruch mit dem Historiendrama „The Piano“, das 1994 sogar drei Oscars gewann (davon einen für Campions Drehbuch), habe sie absurd hoch dotierte Angebote aus Hollywood bekommen, etwa einen Vertrag über drei Filme für sechs Millionen Dollar. Aber die Art des Filmemachens, wie sie in Hollywood gefordert sei, wäre einfach nicht ihr Ding gewesen. „Ich habe lieber zwei Millionen genommen und bin abgehauen“, so Campion ironisch. Beim „Piano“ arbeitete die damalige Newcomerin auch zum ersten Mal mit Superstars wie Harvey Keitel zusammen, der heute noch ein guter Freund sei. „Er sagte am Anfang der Dreharbeiten zu mir: ‚Ich zeige dir meine Idee von jeder Szene, aber ich verspreche dir, danach zu tun, was immer du von mir verlangst.'“ Bei einer wichtigen Szene, in der sich der von Keitel gespielte Nachbar der stummen Pianistin, die Holly Hunter darstellte, erotisch nähern sollte, blieb der erfahrene Schauspieler 40 Minuten in seiner Ecke sitzen, während Hunter immer weiter Klavier spielte. Während sie wiederholt fragend zur Regisseurin rüberguckte, ließ Campion die Kamera einfach weiterlaufen. „Ich dachte, Harvey würde schon wissen, was er tut.“ Als er dann tatsächlich aufgestanden sei und seine Hand auf Hunters Rücken gelegt habe, hätte das eine ganz andere Authentizität gehabt. Dadurch lernte die Regisseurin, dass es wichtig ist, die Dinge beim Dreh manchmal einfach laufen zu lassen, den Schauspielern Raum zu geben, sich zu entfalten.

Seltene Freiheiten im TV-Geschäft

Für die zweite Staffel ihrer Serie „Top of the Lake“ mit dem Untertitel „China Girl“, in der es um Prostitution geht, recherchierte Campion unter anderem im Internet und stieß dort auf eine Online-Bewertungsplattform für Sex-Arbeiterinnen. Freier beschreiben dort absurd detailliert die „Vorzüge“ einzelner Prostitutierter und geben Tipps, wo man in deren Nähe günstig parken könne. Campion traf sich auch persönlich mit einigen Freiern. „Das waren ganz unterschiedliche Männer, die auch alle ihre eigenen Probleme mitbringen, manche sind auch in eine Sex-Arbeiterin verliebt und reden sich ein, eine Beziehung mit ihr zu führen.“

Top of the Lake 2
Elisabeth Moss und Gwendoline Christie („Game of Thrones“) in „Top of the Lake: China Girl“; Foto: SundanceTV/BBC

Der Grad der künstlerischen Freiheit, den sie bei der Gemeinschaftsproduktion von Sundance TV mit der BBC habe, sei im TV immer noch ungewöhnlich. „Es gibt auch heute noch viel Mist im Fernsehen“, so Campion. „Die Sender geben den Leuten zu knappe Drehpläne und zu wenig Geld, da kann oft von Anfang an nichts Gutes rauskommen.“ Bei „Top of the Lake“ hätten sie und ihr Team hingegen die Gelegenheit gehabt, das zu machen, „was wir wollten: Es war wie Kochen in einem kleinen Restaurant, bei dem man den Geschmack einer anderen Welt vermitteln kann.“ So hätte sie auch ihr eigenes gedrehtes Material selbst schneiden dürfen, was bei Serien eine Seltenheit sei.

Auf ihren besonderen visuellen Stil angesprochen, bei dem Landschaften meist eine wichtige Rolle spielen, antwortete Campion, sie sei einfach eine Kunst- und auch Lyrikliebhaberin, die sich von vielen anderen Kunstwerken inspirieren lasse. „Als Regisseurin kann man von allen anderen Künsten stehlen“, sagte die bescheiden gebliebene Filmemacherin, die sich auch höchst interessiert am beruflichen Hintergrund des Publikums zeigte. Immer wieder fragte sie nach, wer selbst Regisseur oder Schauspieler sei und ermutigte insbesondere die wenigen weiblichen Filmemacher, die sich meldeten. Frauen hätten in Hollywood noch immer einen schweren Stand, das müsse sich endlich ändern. Andererseits sei Sensibiltät auch nicht immer eine Frage des Geschlechts, sie habe auch sehr sensible männliche Freunde und Kollegen. Mit Harvey Keitel etwa weine sie immer erst einmal, wenn sie sich nach längerer Zeit wiedersehen.

Die zweite Staffel von „Top of the Lake“ läuft ab dem 7. Dezember jeweils donnerstags um 20 Uhr 15 auf arte.

 

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