2008 entwickelte Lisa Kudrow („Friends“) die Webserie „Web Therapy“ und übernahm selbst die Hauptrolle der Fiona Wallice, einer Psychotherapeutin, die ihre Sitzungen im Internet abhält. 2011 adaptierte Showtime das Format als halbstündige Comedy, die zweite Staffel läuft ab Februar beim deutschen glitz. Im Interview spricht Kudrow über den gegenwärtigen Status von Webserien, den Weg vom Internet auf den Fernsehschirm und neue Herausforderungen für ihre Figur.
Wie kamen Sie auf die Idee, eine Webserie zu erfinden? Was war zuerst da: die Idee für die Therapeutin, die ihre Sitzungen übers Internet abhält, oder der generelle Einfall, eine Webserie zu entwickeln?
Zuerst kam der Gedanke an Menschen, die alle möglichen Dinge online erledigen. Wie weit würde das noch gehen? Es gibt ja Sachen, die man ganz offensichtlich nicht online machen kann, wie eben eine Psychotherapie. Aber was käme heraus, wenn das doch jemand machen würde?
Haben Sie erst versucht, das Konzept an einen TV-Sender zu verkaufen, bevor Sie es als Webserie entwickelt haben?
Nein, wir hatten das Glück, von einem Internetunternehmen den Auftrag für die Serie zu bekommen [von LStudio.com, das von Lexus finanziert wird; die Red.]. Wir hatten dabei komplette kreative Kontrolle über das Projekt. Es wäre auch unmöglich gewesen, in einen Fernsehsender hereinzuspazieren und denen zu erzählen: Wir haben hier eine Serie über zwei Menschen, die sich miteinander über Webcam unterhalten. Das hätte niemand ernst genommen. Die Webserie war dann wie eine Promo für Showtime.
Sehen Sie Webserien dann eher als ein Werbemittel, um die Aufmerksamkeit herkömmlicher Fernsehsender zu bekommen? Oder kann eine Serie auch allein im Internet profitabel sein?
Naja, etwas Profit abwerfen können sie vielleicht schon. Aber richtig großes Geld ist da noch nicht drin, jedenfalls nicht das, was man im Fernsehgeschäft unter Geld versteht. Aber vielleicht geht es in Zukunft in diese Richtung.
War es schwierig, das Konzept dann fürs Fernsehen zu adaptieren? Sind Sie dabei auf Einschränkungen gestoßen, was die künstlerische Freiheit angeht?
Nein, wir hatten keinerlei künstlerische Einschränkungen, weil Showtime im Grunde ein fertiges Werk gekauft hat. Außerdem ist die Freiheit bei Showtime als Pay-TV-Sender ohnehin größer. Bei einem Network hätte es nicht funktioniert.
Für die TV-Version haben Sie zusätzliche Szenen für jede Folge gedreht, in denen das Privatleben von Fiona Wallice gezeigt wird. Sind diese eher traditionellen Erzählelemente für eine reguläre Fernsehserie notwendig oder hätte die Show auch ohne sie funktioniert?
Es ist ja keine Sketchshow wie etwa „Saturday Night Live“, und sogar da gibt es Figuren, die jede Woche wiederkommen. Selbst bei der Webserie konnten wir gar nicht anders, als zumindest einige Erzählstränge im Hintergrund einzubauen. Die anderen wiederkehrenden Figuren einzuführen, war dann ganz einfach. Wir fanden zum Beispiel diesen tollen Schauspieler, Victor Garber, für Fionas Ehemann Kip, der dann auch schon in der Webserie auftauchte. Alles, was später im Fernsehen passiert, wird zuerst im Internet eingebaut. Es ist wichtig, Fionas Ehemann und vor allem ihre Mutter in der Serie zu sehen, die von Lilly Tomlin gespielt wird, weil das ihr Verhalten erklärt. Man versteht, welchen Schaden die Mutter bei ihr angerichtet hat.
Ihre Show ist ja nicht die einzige in jüngerer Zeit, die sich mit der Situation einer Therapiesitzung auseinandersetzt. Es gab etwa auch die HBO-Serie „In Treatment“. Was macht die Faszination dieses Themas aus, dass es eine so gute Grundlage für Serien liefert?
Eine Therapie soll ja eigentlich eine solch intime Situation sein, in der man alle Tore öffnet. Das macht es wohl so faszinierend, dabei zuzusehen.
Stimmt es eigentlich, dass alle Amerikaner zum Therapeuten gehen?
(energisch) Nein, das stimmt nicht. Nun ja, viele machen sicher schon irgendwann einmal eine Therapie…
Welche neuen Entwicklungen können wir denn in der zweiten Staffel der TV-Version erwarten?
Kip kandidiert ja für den Kongress, also werden wir viel Zeit aufwenden, ihn während des Wahlkampfs zu zeigen und Fiona als Kandidaten-Ehefrau. Das gibt ihr Gelegenheit, ihre Ansichten zu politischen Themen wie Abtreibung zu äußern – Ansichten, die absolut krass und inakzeptabel sind. Außerdem sehen wir ihr dabei zu, wie ihr Ego immer weiter wächst. Sie entwickelt sich von einem Gewinn für den Wahlkampf ihres Gatten zu einem Hindernis. Dann entdeckt Kip seine Homosexualität und sucht eine „Schwulen-Bekehrungs-Therapeutin“ auf, die Meryl Streep spielt.
Ist das tatsächlich ein Beruf oder haben Sie den erfunden?
So traurig es ist, den Beruf gibt es wirklich. In den USA gibt es eine Menge davon, meistens sind sie mit religiösen Gruppen verbunden.
Wie wird es mit der TV-Serie, der Webserie oder beiden weitergehen?
Wir starten nächste Woche [Ende Oktober; die Red.] mit den Dreharbeiten der dritten TV-Staffel. Ich darf aber noch nicht verraten, welche Gaststars wir darin sehen werden. Mit der Webserie machen wir ebenfalls weiter.
Interview: Marcus Kirzynowski
Die erste Staffel von „Web Therapy“ wird zzt. mittwochs um 20 Uhr 15 bei glitz wiederholt. Die zweite folgt voraussichtlich im Februar. Alle Staffeln der Webserie lassen sich kostenlos über die Seite von LStudio.com abrufen.