Mit den zwei neuen Serien „Janus“ und „Paul Kemp – Alles kein Problem“ zeigt der ORF, was in Österreich zur Zeit serienmäßig realisierbar ist und wie personell limitiert das heimische Humankapital sich präsentiert.
Von Hari List
Robert De Niro sagte angeblich, er könne sogar ein Schnitzel spielen. Von Harald Krassnitzer ist keine Aussage in diese Richtung bekannt, aber dennoch lässt ihn die ORF-Redaktion als schauspielerische Allzweckwaffe auf uns los: egal ob Bergdoktor, Winzer, „Tatort“-Kommissar oder Mediator. Und zwischendurch verkauft er dem ORF 2-Publikum noch Versicherungen, koffeinfreien Kaffee oder Handytarife.
In der neuen Serie „Paul Kemp – Alles kein Problem“ darf Krassnitzer in 13 Folgen seine eigenen Probleme mit denen seiner Kunden vermischen. Sein Privatleben ist ein einziger Scherbenhaufen: die Frau (Katja Weitzenböck) hat ein Verhältnis mit dem Nachbarn und will es doch noch einmal in der Ehe probieren, der Bruder (Johannes Zeiler) redet kein Wort mit ihm, die Mutter will ins Altersheim und der Partner hat die Mediatoren-Praxis in den Ruin getrieben. Zum Glück ist Kemp wenigstens ein genialer Mediator und muss weder Mengen von Energie noch besonders viele Kunstkniffe anwenden, um die gerichtlich an ihn verwiesenen Probleme seiner Klienten zu klären. Das ist oft in zwei Szenen erledigt – der Zufall hilft meist kräftig mit – und so bleibt das Private die eigentliche Handlung.
Alte Bekannte
In kleinen Episodenrollen gibt sich das Who-is-Who der österreichischen Schauspielerriege die Klinke in die Hand, die TV-Könner stehen allerdings hinter der Kamera. Die Regie teilen sich das Krassnitzer-erprobte „Tatort“-Trio Harald Sicheritz, Sabine Derflinger und Wolfgang Murnberger.
Mühe, das Publikum zu überfordern, gibt man sich keine. Einfach zu deutende Traumsequenzen und der für das Zielpublikum exotische Beruf des Mediators müssen als kleiner Schritt in die komplexere Moderne reichen. Daneben regieren hauptsächlich familiäre Geschichten, getragen von Figuren, die auch das Alter mit dem Publikum teilen.
Alles aus einem Guss
Die Miniserie „Janus“ hingegen traut sich ein wenig mehr. Das liegt zum einen am Sendeplatz und zum anderen an der Herangehensweise. Ein Regisseur, ein Team, in einem Stück gedreht. Sieben Folgen, nicht mehr, nicht weniger.
Der forensische Psychologe Leo Benedikt (Alexander Pschill) wird zu seinem ehemaligen Patienten Stefan (Holger Schober) gerufen. Wider Erwarten ist der allerdings völlig harmlos und aggressionsbefreit. Liegt das vielleicht an der merkwürdigen Pille, die Leo bei Stefan findet? Und warum ist Stefan der einzige, der nach Einnahme dieser Pille nicht so lange mit dem Kopf gegen die Wand rennt, bis eines von beiden nachgibt? Was hat der undurchsichtige Pharmakonzern Janus mit der Sache zu tun und warum verheimlicht Leos Frau, dass sie für Janus arbeitet?
Viel und wenig ist bisher passiert. Die Handlung entspinnt sich nur langsam und nach vier ausgestrahlten Folgen sind immer noch mehr Fragen offen als beantwortet. Die Autoren hatten auch keine Angst vor dramatischen Cliffhangern, einen gut etablierten Charakter überraschend sterben zu lassen oder eine andere Hauptfigur – die grimmige Polizistin ohne Emotionen: Cara Horvath (Franziska Weisz) – als eher untypisches Love Interest für den Helden zu zeichnen. Nur vom „Fall der Woche“-Prinzip konnte oder wollte man sich nicht verabschieden.
Noch mehr alte Bekannte
Auch hier geben sich die Gastdarsteller ein wöchentliches Stelldichein. Das Ergebnis ist ein Symptom für die scheinbare Alternativlosigkeit der österreichischen Caster. Wenn zum Beispiel Holger Schober zuerst in „Janus“ auftritt, einige Wochen später in „Paul Kemp“ einen Mediator braucht und 2014 gemeinsam mit Johannes Zeiler und Michael Steinocher wieder dem Ensemble von „CopStories“ angehört, dann zeugt das von einer personellen Armut im Land. Auch bei den Regisseuren, Drehbuchautoren und Produktionsfirmen arbeitet eine kleine Gruppe für einen einzigen Sender und agiert verständlicherweise vorsichtig und konservativ, bedient wie mit „Paul Kemp“ starke Zielgruppen jenseits der Werberelevanz oder macht Mini-Schritte in Mini-Serien, anstatt großer Schritte in längeren Serien.
Daher ist es fast ein Phänomen, wenn wie aktuell mit „Janus“ ein paar Schritte in die richtige – in die erzählerisch spannendere – Richtung gemacht werden. Mehr Konkurrenz zwischen Sendern, Darstellern, Autoren und Regisseuren würde der Qualität für uns Zuseher sicher gut tun.
„Paul Kemp“ läuft immer donnerstags um 20 Uhr 15 auf ORF 2 und „Janus“ dienstags um 21 Uhr 05 auf ORF 1. Beide Serien sind danach ohne Ländersperren sieben Tage unter TVThek.orf.at abrufbar.
Dann ist die Wirkung von „Braunschlag“ also ergebnislos verpufft?
Business as usual.
„…scheinbare Alternativlosigkeit der österreichischen Caster.“
So weit würd ich jetzt mal nicht gehen. Ich denke, dass es in Österreich genügend Alternativen zu bekannten Gesichtern geben würde. Ich bin selbst Schauspieler und unabhängig davon, ob ich eine Alternative wäre, kenne ich einige Kollegen, die auf jeden Fall das Zeug haben, eine gute Performance als Ermittler etc. abzugeben. Die Frage ist nur, ob sich die zuständigen Leute auch trauen, es mit neuen Darstellern zu versuchen. Es ist natürlich in gewissem Grad verständlich, dass man auf bekannte Gesichter zurück greift, andererseits aber auch manchmal ziemlich frustrierend. Aber so ist die Situation und man kann als unbekannter Schauspieler in erster Linie hart am Erfolg arbeiten aber natürlich auch darauf hoffen, dass man auch mal eine Chance für eine größere Rolle bekommt.
Übrigens fällt die Entscheidungen im seltesten Fällen auf die Caster zurück, das entscheiden oft die Regisseure und in manchen Fällen auch die Redakteure.
Ich geb dir 100%ig recht und genau deshalb auch das Wörtchen „scheinbar“. Ich hab auch nichts persönlich gegen Schober und Steinocher, die boten sich nur gerade als Beispiel an.
Das die Caster der Hauptrollen ident mit den Regisseuren und Redakteuren sind ist klar, bei den kleinen Rollen als „Täter der Woche“ könnte man aber mehr variieren. Noch dazu wenn die gleichen Darsteller dann auch noch in den wenigen österreichischen Kinofilmen zu sehen sind. In zuletzt „Die Werkstürmer“ z.B. waren Schober und Manuel Rubey dabei, letzterer wird auch noch in „Paul Kemp“ auftauchen.
Wer einmal in der Maschine drin ist, der hat zwar nicht ausgesorgt aber zumindest einen guten Stand. Und Krassnitzer darf echt alles spielen, weil er schon eine Marke ist, die bei der älteren Generation super zieht. Dann bekommt er mit 13 Folgen eine vollwertige Staffel und Janus darf „nur“ 7 Folgen füllen.
Wenn dann noch immer die gleichen Regisseure mit immer den gleichen Darstellern zusammenarbeiten, wie soll sich die Serienkultur weiterentwickeln?