Es hat nicht sollen sein. Wenn Serien nach wenigen Folgen wieder eingestellt werden, dann ist das traurig, aber kein Grund, nicht trotzdem einen Blick zu riskieren. In dieser Reihe „Lückenfüller“ empfiehlt Hari List kurzlebige Serien der jüngeren Vergangenheit, die euch das Sommerloch und die Wartezeit bis zum nächsten Staffelstart versüßen sollen. Heute: „Studio 60″
Zu Beginn eine Entschuldigung. Letzte Woche wurde die „Lückenfüller“-Empfehlung (unter anderem hitzebedingt) ausgesetzt, dafür werden aber heute gleich zwei Serien empfohlen.
Wobei, eine davon haben wir in einem Podcast schon ausführlich besprochen. „The Newsroom“ war ambitioniert, hat aber nicht nur das Fortsetzung.tv-Team (damals noch unter dem Titel torrent) gespalten. Egal welche persönliche Meinung man von der Serie hat, objektiv kann man sagen, dass die Serie Potenzial für mehr und viele ganz starke Momente hatte. Vergleichbares wird nicht nur von diesem Autor zurzeit schmerzlich vermisst.
It’s the same, but different
Allerdings braucht man nur ein paar Jahre in die Vergangenheit schauen, um in „Studio 60 on the Sunset Strip“ brauchbaren Ersatz zu finden. Mit 22 Folgen in Network-Länge (42 Minuten) ist sie nur unwesentlich kürzer als ihr Pay-TV-Nachfolger, aber um nichts weniger opulent in allen Belangen.
Und die beste Nachricht: Inhaltlich handelt es sich beinahe um die gleiche Serie. Natürlich sind einzelne Elemente verschieden, die Sprache networkfreundlich und die Attribute der Figuren anders verteilt. Wer der Abstraktion fähig ist, wird dieser These aber nur schwer widersprechen können. Beispiele gefällig?
- Handlungsort ist das Studio einer Live-Sendung (in „Studio 60“ eine wöchentliche Sketch-Show à la „Saturday Night Live“). Das führt zur Show in der Show, deren Vorbereitung und Durchführung als dominierender dramaturgischer Überbau dient.
- Die Handlung wird durch einen rant des Aushängeschilds der Sendung in Gang gesetzt, was die Verantwortlichen veranlasst, neues Personal in die Sendung zu bringen.
- Producer und Hauptdarstellerin haben eine Vergangenheit und der gemeinsamen Zukunft stehen ebendiese und die unterschiedliche Weltanschauung entgegen.
- Boss und Untergebener sind für einander bestimmt und lassen uns von Anfang an für sie hoffen (bei „The Newsroom“ gab es sogar zwei solcher Paare).
- Drei Ebenen über der Sendung: Liebenswürdig-verrückter Chef 1 hält der Sendung den Rücken frei und will „quality first“ durchsetzen. Chef 2 darüber ist vordergründig ein Arschloch und schaut nur auf Ratings und Werbekunden, entpuppt sich aber im Laufe der Show als eigentlich ganz okay. Und Oberchef 3 ist alt und hat schon viel mitgemacht, hat größere Pläne, entscheidet sich aber in den richtigen Momenten doch dafür zu kämpfen und für „das Richtige“ einzustehen.
Natürlich kann man in Sorkins erster Serie „Sports Night“ auch einige Elemente finden, die sich mit beiden genannten Serien abgleichen ließen. Sorkins langjähriger Partner Thomas Schlamme war erst bei „The Newsroom“ nicht mehr als Regisseur und Executive Producer dabei, deshalb hebt sich die HBO-Serie optisch etwas mehr von den anderen Serien ab und so lässt sich „Studio 60“, was die technische Umsetzung angeht, dann doch näher bei „The West Wing“ als bei „The Newsroom“ verorten.
Warum sollte man das sehen?
- Wer Aaron Sorkins Werk schätzt, wird hier gut bedient.
- Wer nach dem Ende von „The Newsroom“ das Gefühl hatte, zu kurz gekommen zu sein und gerne mehr davon hätte, kann mit „Studio 60“ noch einmal eine fast identische und doch andere Serie in gleicher Länge sehen .
- Wer liebgewonnene Darsteller aus „The West Wing“ noch einmal zusammen sehen möchte, ist hier an der richtigen Stelle. Die Chemie, die Matthew Perry und Bradley Whitford während Perrys Gastauftritt im Weißen Haus hatten, wird hier nahtlos in ihren Hauptrollen fortgesetzt. Timothy Busfield, der als „White House“-Reporter Danny Concannon brillierte, darf hier eine nicht minder sympathische Hauptrolle als Sendungsregisseur übernehmen. Sein Wiedersehen mit guest host Allison Janney in der Folge „The Disaster Show“ gehört zu den Dingen, die einem die dunkelsten Stunden erhellen können.
- Alles was vor zehn Jahren lustig/relevant war: Sarah Paulson macht die Stimmen von Holly Hunter, Juliette Lewis und Delfinen gekonnt nach und Simon Helbergs Show in der Show in der Show „The Nic Cage Show“ muss man einfach gesehen habe. Gaststars as themselves wie Sting (inklusive Laute) während seiner Barock-Phase, Felicity Huffman, die in „Sports Night“ eine Hauptrolle hatte und gerade mit den „Desperate Housewives“ ihren Karrierehöhepunkt erlebte, oder Howie Mandel (damals : „Deal or no Deal“, heute „America’s Got Talent“) sorgen für zusätzliche herrliche Momente.
„Studio 60 on the Sunset Strip“, NBC 2006, 22 Folgen in einer Staffel à 42 Minuten (nur auf DVD erhältlich)
„The Newsroom“, HBO 2012-2014, 25 Episoden in 3 Staffeln à 55 Minuten (erhältlich bei Amazon Instant Video, Sky Snap)
Aaron Sorkin haben wir uns auch schon ausführlich gewidmet:
Der Drehbuchgott – Porträt Aaron Sorkin
Es wäre noch ganz praktisch, wenn ihr am Ende darauf hinweisen könntet, wo man die Serien finden kann, die in dieser Rubrik vorgestellt werden. Ob bei Netflix, Sky oder nur separat über Amazon, Import oder eben (noch) gar nicht – das würde die Suche verkürzen.
Ist ergänzt.
Danke für die Anregung! „Studio 60“ gibt’s, soweit ich weiß, nur als Import-DVD-Box.