Es ist nur ein schwacher Trost, wenn der Episodentitel an den gleichnamigen Bruce Willis-Film erinnert, der einem gleichermaßen schwer im Gedächtnis haften blieb. Ein „klassisches“ Eigentor, leider nicht das einzige.
Analog zur „klassischen Sinfonie“ und dem in der Folge furchtbar gewählten Surrogat für Homosexualität, orientiere ich mich bei der Besprechung an den Tempi.
Allegro
Schnell ist in dieser Folge niemand unterwegs, außer Betty mit ihrem frechen Mundwerk vielleicht, der es auch diese Woche wieder zukommt, für die Lichtblicke zu sorgen. Annaleigh Ashford zeigt wieder ihre Qualitäten als „scene stealer“, und macht aus selbst mageren Dialogzeilen noch erinnernswerte Momente: Wenn sie einen Anrufer in der Leitung vertröstet, Bill Masters zusammenstaucht und es nahtlos professionell zurück ans Telefon schafft, dann wünscht man sich, sie möge genauso mit den Autoren umspringen, die sich in der Staffelmitte weiter verzetteln.
Adagio
An Dante erinnert in dieser Folge das träge Tempo, so dass man sich als Zuschauer in der Hölle wähnt. Zwar verzichten die Autoren auf Gorillas und Kindererziehung, können mit dem gewonnenen Freiraum aber erzählerisch einerseits wenig anfangen, und hinterlassen so andererseits den Eindruck, dass ihnen diese Themen nicht sonderlich am Herz liegen und letztendlich austauschbar sind.
So darf Virginia jetzt noch die posttraumatische Belastungsstörung eines Kriegsheimkehrers, der auch ihr Sohn sein könnte, entdecken und in Dan an ihrer Seite einen besseren Vater für ihren Sohn erkennen, als es George ist – worüber man geteilter Meinung sein darf. Diese Szene krankt wie viele andere dieser Folge am unterdurchschnittlichen Buch von Steven Levenson, dem mit der dritten Folge dieser Staffel noch ein weitaus besserer Wurf gelungen war. Das nun in dieser Situation ausgerechnet der Pazifik-Veteran zunächst kein Verständnis für den jungen Mann aufbringt, erstaunt, und ist wenig glaubwürdig. So lässt einen auch dieses Nebenthema kalt, was nun wahrlich nicht allein dem Episodentitel in die Schuhe geschoben werden kann. Es hätte nicht mehr als zwei Einstellungen in den vorhergehenden Episoden gekostet, wenn Virginia mal sorgenvoll auf ein Kinderfoto ihres Jungen auf dem Schreibtisch geguckt oder sich in einer anderen Folge nach einem GI auf Urlaub umgedreht hätte . So langsam frage ich mich, ob es den Autoren schlicht an Zeit gemangelt hat, um die Bücher sorgfältiger zu planen.
Auch sonst darf Josh Charles alias Dan Logan schauspielerisch nicht glänzen und Virginia nur Klischeeerholung mit Massage und Shopping in Las Vegas bieten bzw. sie später nicht gleich aktiv am Verkaufsgespräch beteiligen, obwohl er es besser wissen müsste. Virgina hingegen darf einmal mehr unter Beweis stellen, dass sie nicht abschalten kann und ihr offenbar kein Privatleben jenseits des Beischlafs zugestanden wird. Oder geschieht dies nur, um sie in diesem Punkt Bill ähnlicher zu machen? Wir werden es womöglich nie erfahren.
Scherzo
Lester und Jane, die in der ersten Staffel so wunderbar miteinander harmonierten, schlagen sich indes mit dem undankbaren Eifersuchtsplot herum, Austins Monolog wird lustig zwischen zwei Szenen hin- und hergeschnitten, was den Subplot mit der von Helen so sehr herbeigesehnten Schwangerschaft leider nicht besser macht, dessen Auflösung mittels Jungfernhäutchen(!) geradezu hanebüchen ist.
Libby hingegen hätte hingegen besser schon letzte Woche wie prognostiziert mit dem Nachbarn im Bett landen dürfen, dann hätte ihre einsilbige Haltung vielleicht nicht so platt gewirkt, nur um dann völlig überraschend die Auflösung des Verhältnisses mit Robert aus der Vorgängerstaffel zu verschenken. Das, was wohl ihre größte Szene in dieser Staffel hätte sein können, verpufft, ohne wirklich zu berühren. Man stelle sich beispielsweise vor, Paul wäre aufgestanden und hätte versucht, sie in die Arme zu nehmen, während Libby vor ihm zurückweicht. Ob hier das Drehbuch oder die Regie die Zusammenarbeit verweigert hat, kann einem als Zuschauer egal sein. Ärgerlich bleibt, was hier an berührendem Drama verschenkt wurde.
Einen guten ersten Eindruck unter den Lebenden hat hingegen Emily Kinney hingelegt, die die etwas zu streberhaft angelegte ehemalige Nachbarstochter der Masters, Nora Everett, unaufdringlich spielt und sich für das Surrogat-Programm empfiehlt.
Beau Bridges genügen wie üblich ein paar vielsagende Blicke, um die Tiefe seiner Figur am Leben zu erhalten. Vielleicht ist das auch nur die Trauer vor den uns womöglich bevorstehenden klassischen Kalauern: „Would you mind to conduct a little Grieg tonight?“ – „I’d love to roll over Beethoven.“ – „Ok then, but please be Mozart with me.“ – Schnitt auf eine Sex-Montage, unterlegt mit dem „Rondo alla Turca„.
Presto
Wie bereits eingangs erwähnt – schnell ist hier nichts, außer meinem polnischen Abgang, der euch zunächst mit Bob Dylan, dann wie gewohnt mit Marcus zurück lässt. Jens Prausnitz
Viel gibt es im Grunde nicht mehr hinzuzufügen. Nach der abstrusen Folge der Vorwoche konnte es kaum noch weiter bergab gehen, von einer Rückkehr zum alten Niveau ist die Serie aber auch weiterhin meilenweit entfernt. Stattdessen häufen sich die Unglaubwürdigkeiten in den Charakterzeichnungen:
Virginia kann nicht nur auch beim Blaumachen nicht richtig von der Arbeit abschalten, sondern ist auch in der Lage, alleine durch Beobachtung ihrer Mitspielerinnen im Casino zu erkennen, welche körperlich-emotionalen Vorgänge sich gerade bei denen abspielen. Das ist mir langsam zu dick aufgetragen und ich frage mich, warum sie nicht längst den Nobelpreis zugesprochen bekommen hat.
Libby hat also nur Sex mit ihrem Nachbarn (mit seiner Prognose hat sich Jens einmal mehr als größerer Kenner der Menschen und ihrer Beziehungen erwiesen als ich), um das Gefühl des Zusammenseins mit ihrem verstorbenen Liebhaber zu reproduzieren. Dumm nur, dass wir von dem seit der zweiten Staffel nichts mehr gehört hatten, weswegen diese Erklärung jetzt wie ein deus ex machina wirkt.
Bill hat früher die Nachbarstochter völlig ignoriert, selbst wenn er sie notgedrungen nach Hause fahren musste. Bei der Wiederbegenung ist er plötzlich aufmerksam und relativ gesprächig. Liegt das nun daran, dass aus dem kleinen Mädchen mit den aufgeschlagenen Knien ein hübscher Backfisch geworden ist oder ist es auch wieder der rasanten Menschwerdung des Dr. Masters zuzuschreiben? Der steht dann aber plötzlich fürsorglich mit einer Hühnersuppe vor der Haustür der vermeintlich erkälteten Virginia, während er vorher ihre Abwesenheit skrupellos ausgenutzt hat, um eine neue Studienreihe hinter ihrem Rücken (und gegen ihren Willen) auf den Weg zu bringen. Irgendwie passt das für mich alles nicht mehr zusammen: Entweder er ist ein guter Mensch oder ein Arschloch, beides zusammen geht nicht, wie die Lebenserfahrung lehrt. Vielleicht ist er aber auch einfach ein Psychopath, der seine Gefühle je nach Gelegenheit an- und ausknipsen oder vortäuschen kann.
Auch sonst wirkt die Handlung so, als würden die Autoren immer den einfachsten Weg wählen. Die Art, wie Bill Helens Homosexualität auf diese biologisch-medizinische Weise aufdeckt, war wirklich abstrus. Dafür darf/muss Dr. Austin „Hengst“ Langham schlussendlich selbst ran.
Ich werde den Eindruck nicht los, dass Showtime nach „Homeland“ zum zweiten Mal eine grandios gestartete Dramaserie relativ schnell durch undurchdachte Drehbücher und zu einfache Auswege aus Sackgassen, in die man sich selbst geschrieben hat, ruiniert hat. Da helfen die sonstigen Qualitäten der Serie wie Schauspieler, Ausstattung, Musik, etc. gar nichts mehr. Marcus Kirzynowski
Linktipp:
Eine Gegenüberstellung von „Fakten vs. Fiktion“ zur dritten Staffel. Spoiler: Über den Gorilla sind allein die Autoren gesprungen.