Diese Folge bringt die Wiedervereinigung zweier liebgewonnener Nebenfiguren, neues Leid für Virginia und Williams meist eher peinliche Versuche als Marketingexperte und Menschenfreund.
Gleich vorweg: Meine Voraussage von vergangener Woche, dass wir Allison Janney vermutlich nicht so schnell in ihrer Rolle der Margaret Scully wiedersehen würden, war völlig verkehrt. Denn schon eine Woche später ist auch sie zurück und so steht der von Fans lange ersehnten Wiederbegegnung mit Beau Bridges‘ Barton nichts mehr im Weg. Margaret tritt zwar zugleich als Patientin von Bill Masters auf und präsentiert diesem gemeinsam mit ihrem neuen Lebenspartner einen nicht allzu interessanten medizinischen Fall der Woche. Dafür hat es ihre fortgesetzte Auseinandersetzung mit dem Ex-Gatten aber um so mehr in sich: Alte Gefühle lassen sich eben schwer abschalten, auch wenn Margaret realisieren musste, dass ihre jahrzehntelange Ehe auf einer Lüge aufgebaut und im Grunde eine Farce war. Es ist rührend mitanzusehen, wie sie Barton sein Lieblingsessen vorbeibringt und sich auch noch Sorgen um dessen Gesundheit macht. Barton kann einem auch wirklich Leid tun, ist andererseits aber überhaupt nicht in der Lage, über seinen eigenen Schatten zu springen. In seiner neuen – platonischen – Beziehung zur Nachbarin macht er wieder die gleichen Fehler wie bei Margaret, weil er es nicht schafft, sich als schwuler Mann zu outen. Auch Margaret fürchtet, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, ist aber zumindest bereit, daran zu arbeiten. Schauspielerisch ist das mal wieder ganz großes Kino, was Janney und Bridges hier auffahren, und macht bewusst, warum diese beiden großartigen Darsteller in der zweiten Staffel so schmerzlich vermisst wurden.
Auch Virginia leidet. Diesmal macht nicht nur Tochter Tessa weiter Ärger, hinzu kommt die Angst um Sohn Henry, der sich in Vietnam zu einer Kampfeinheit gemeldet hat – und sich irgendeine Art von Virus eingefangen zu haben scheint. Über die Befürchtung, es könne sich um Malaria oder eine ähnlich ernste Erkrankung handeln, ergibt sich auch eine persönliche Beziehung der Mutter zu dem von Josh Charles gespielten Parfümfabrikanten Dan. Charles, gerade auch in der bei Netflix veröffentlichten ersten Staffel der durchgeknallten Comedy „Wet Hot American Summer“ zu sehen, beweist hier einmal mehr sein schauspielerisches Talent, das sich sowohl aufs komödiantische wie aufs ernste Fach erstreckt.
„Sorge dich nicht, lebe“
Tessas fortgesetzte Odyssee beim Suchen ihrer sexuellen Selbstbestimmung ist weiterhin schmerzhaft mitzuverfolgen. In einem Akt von Selbstverletzung wirft sie sich ihrem vorherigen Vergewaltiger an den Hals – oder, schlimmer, an ein anderes Körperteil. Wobei ich gestehen muss, dass ich bei der entsprechenden Szene nach Tessas Aufforderung, er solle seinen Gürtel öffnen, damit sie ihn oral befriedigen könne, kurz dachte, es käme jetzt zum blutigen Racheakt. Wenigstens das hat uns die Serie (vorerst) erspart. Nicht ersparen wollten uns die Autoren hingegen das Leiden von Paul und Joy, den schicksalsgeprüften Nachbarn der Masters. Nach ihrer Gehirnblutung ist Joy jetzt auf den Zustand eines „Gemüses“ zurückgeworfen, wie Libbys Tochter geschockt wiedergibt, und so sieht es auch der verzweifelte Ehemann Paul. Libby, die Verkörperung der Gerechtigkeitsliebe, will diese Sicht jedoch auf keinen Fall hinnehmen und fordert ihn energisch auf, seiner vor sich hin vegetierenden Gattin denselben Respekt entgegenzubringen, den er bei ihrer Hochzeit hatte. Dass Libby sich deshalb so in ihre Ansprache hineinsteigert, weil sie selbst befürchtet, ebenfalls von ihrem Ehemann zurückgelassen zu werden, liegt auf der Hand.
Der scheitert unterdessen nicht nur bei einem erneuten Versuch, seinen älteren Sohn mit einer Mischung aus Einfühlung und Strenge ein richtiger Vater zu sein. Auch seine allgemeinen Bemühungen, mit Hilfe eines Lebensratgebers von Dale Carnegie, ein freundlicherer und umgänglicherer Mensch zu werden, muten skurill bis vergeblich an (dieses Lächeln gegenüber der Verkäuferin!). Im Gespräch mit dem Buchhändler, der so entgegenkommend war, Bills Buch ins Sortiment zu nehmen, obwohl es sich nicht gerade um einen Bestseller handelt, kommt der ebenfalls gar nicht mehr aus den Fettnäpfchen heraus. Dass Bill hinter der abweisenden Schale doch ein guter Mensch ist (oder dies zumindest gerne wäre), zeigt sich nicht nur an der Art, wie er über Barton und dessen in der damaligen Zeit noch als Makel empfundene sexuelle Orientierung redet, sondern auch in seinem Bemühen am Ende der Folge, gegenüber Virginias Sorgen als Mutter Verständnis zu zeigen. Hier entsteht Anlass zur Hoffnung, es könne sich doch noch eine gleichberechtigte Beziehung zwischen den Beiden entwickeln. Insgesamt eine weitere, thematisch zwar etwas überfrachtete, aber sehr gelungene Folge.