Niedriges Budget lässt Serienmacher auf Altbewährtes in kompakter Form zurückgreifen. Nicht nur Lisa Kudrow bittet in „Web Therapy“ zum Therapeuten, sondern auch zwei Webserien aus Deutschland und Österreich. Alle drei haben sich eine Chance verdient, meint Hari List.
Wenn das Budget eher niedrig oder gleich gar nicht vorhanden ist, dann ist Kreativität gefragt. Wenige Drehorte, wenige Darsteller, wenig (und wenn, dann meist zeitgenössische) Ausstattung, und Effekte – egal ob visuell oder spezial – kann sich schon gar niemand leisten. Was bleibt? Dialoge!
Denkschritt Zwei: Wenn zwei Menschen miteinander reden, was bringt den Zuseher dazu, sich dafür zu interessieren? Zwei komplett identische Wesen, mit austauschbarer Weltsicht? Langweilig. Zwei völlig Fremde, die sich ohne Grund begegnen? Unlogisch! Wir wollen Abhängigkeiten, Fallhöhe, jemand soll etwas zu verlieren oder zu gewinnen haben.
Auftritt Therapie-Webserie: Patient vs. (mehr oder weniger qualifiziertem) Therapeuten. Es geht um etwas, aber nicht um viel. Und dazu müssen die Protagonisten noch nicht einmal im selben Raum sein. Dass die Abgründe und bunten Auswüchse der Psyche begeistern und ein Massenpublikum faszinieren können, beweisen täglich Hunderte Serien aus dem Polizei- oder Medizin-Genre. Warum also nicht in komprimierter Form darauf setzen?
Wallace, Fauner, Verbier – drei Länder, drei Ansätze
„Web Therapy“ von und mit Lisa Kudrow hat dieses Prinzip zur Prämisse erhoben: Therapie kann in drei Minuten erledigt sein und dafür muss man sich nicht unbedingt in einer Praxis auf die Couch legen. Per Onlinechat und Webcam tauscht sich „Friends“-Veteranin Kudrow als Fiona Wallace mit ihren – oft von prominenten DarstellerInnen verkörperten – Patienten über alles Mögliche aus und ist dabei selten hilfreich. Showtime gefiel die Serie und so wurde daraus ein Positivbeispiel, wie über den Umweg Web eine Serie ins Fernsehen kommt. Produziert wird „Web Therapy“ von LStudio, einer Tochterfirma von Lexus (Toyota).
Nicht geschafft hat es hingegen „Fauner Consulting“. Die zehnteilige Serie (Länge der Folgen jeweils etwa 15 Minuten) war von Anfang an darauf bedacht, seine Fortsetzung unter regulären Produktionsbedingungen im ORF zu feiern. Manuel Rubey („Braunschlag“, „Borgia“) verkörpert den wenig kompetenten Lebensberater Franz Fauner, der sich bei seinem ersten Patienten in einer Wiener Innenstadtwohnung einnistet und von dort aus seinem Beruf nachgeht. Geworden ist aus dem engagierten Projekt dann nichts. Publikum und Medien konnten sich nicht darauf einigen, ob man es hier mit Genie oder Wahnsinn zu tun hatte.
Nach Verbier: „Immer wird geredet und geredet und geredet und nichts passiert!“
Mehrere Schritte weiter hat es eine Filmemachertruppe aus Köln getrieben. Mit Dr. Hanno Verbier und der von ihm entwickelten „Expositionsmaßnahme nach Verbier“ erfanden sie einen fiktiven Psychotherapeuten inklusive täuschend echter Website und Facebook-Page. Hanns Zischler verkörpert den revolutionären Arzt, dessen Methode seinen ebenfalls fiktiven Patienten Gert Sacher (Piet Fuchs) seine Erlebnisse auf Video festhalten und im Internet veröffentlichen lässt.
Über all diesen Serien steht aber immer noch eine Frage: Warum sollte ich mir das ansehen, da wird doch nur geredet? Klar, die Welt steht noch und war nie ernsthaft in Gefahr, durch diese kleinen Serien in ihrem Lauf gestört zu werden. Doch hinter diesen Versuchen stehen meist junge, engagierte Filmemacher mit guten Ideen, die aus den begrenzten Mitteln viel herausholen. Denen kann man durchaus eine Chance geben.
Link-Tipps:
„Alles passiert zuerst im Internet“: Interview mit Lisa Kudrow
Ich bin ja noch Jungfrau in Sachen Webserien, dafür aber bekennender „In Treatment“-Fan, von daher wäre das vielleicht wirklich mal die Gelegenheit da ein bisschen reinzuschnuppern… Danke jedenfalls für die Anregung!
Und wer das Thema Psychotherapie mal als Feel-Good-Komödie aufgezogen sehen will, der sollte sich mal „Michael: Tuesdays & Thursdays“ zu Gemüte führen. Ganz tolle kanadische Comedy von den Machern von „Slings & Arrows“, die leider schon nach einer Staffel abgesetzt wurde, aber wirklich sehenswert ist.