Cologne Conference: Von britischen Thrillern und deutschen Großprojekten

Stellte sich gut gelaunt und engagiert dem Publikum: Tom Tykwer in Köln; Foto: kir

Am Freitag ging die 24. Cologne Conference mit den traditionellen Werkstatt-Gesprächen zu Ende. Tom Tykwer sprach unter anderem über seine neuen Serienarbeiten „Sense8“ für Netflix und „Babylon Berlin“ für Sky Deutschland und die ARD. Zuvor präsentierte das Kölner Festival bereits am Donnerstagabend zwei sehr unterschiedliche britische Thrillerserien auf der großen Leinwand.

Zu den Erfahrungen, die man als Besucher eines Film- und Fernsehfestivals macht, gehört fast zwangsläufig, dass man bei manchem Beitrag den Hype nicht nachvollziehen kann. Am britischen Thrillerabend am Donnerstag im Filmhaus Köln war das bei mir bei „The Honourable Woman“ der Fall. Zu bemüht-gediegen plätschert die Gemeinschaftsproduktion der BBC mit dem US-Kabelsender SundanceTV etwa eine Stunde vor sich hin, um wirklich Interesse zu wecken. Auch wenn die Sorgfalt der Ausstattung und die langsame Inszenierung die ganze Zeit zu schreien scheinen: Seht her, das hier ist echtes Qualitätsfernsehen! Maggie Gyllenhaal hält als jüdisch-britische Unternehmenserbin eine Bankett-Eröffnungsrede nach der anderen und versucht zwischendurch, mit eineinhalb Gesichtsausdrücken innere Zerrissenheit zu vermitteln. Die Entführungssequenz des kleinen Sohns des Kindermädchens ist dann zwar effektvoll in Szene gesetzt, insgesamt packte die Geschichte vor dem politischen Hintergrund des nie enden wollenden Konflikts zwischen Israel und Palästina aber nicht so richtig.

Ganz anders „The Fall“, eine weitere Thrillerserie der BBC mit Gillian Anderson als aus den USA eingeflogener Sonderermittlerin in einem Belfaster Mordfall. Während die kühle Beamtin dem Täter auf die Spur zu kommen versucht und eine Verbindung zu einem anderen, weiter zurückliegenden Frauenmord zieht, sucht sich der psychopathische Serienkiller (Jamie Dornan) schon sein nächstes Opfer. Seiner Ehefrau und den Kindern spielt er die Fassade eines netten Familienvaters und Psychologen vor, doch dahinter lauert ein unfassbarer Abgrund. In beklemmenden Parallelmontagen zeichnen die Macher das Bild eines Menschen, den viele wohl als Verkörperung des absoluten Bösen betrachten würden. Das ist ebenso düster wie fesselnd inszeniert und tut manchmal beim Zuschauen fast schon weh.

Serien drehen zwischen Nairobi und Berlin

Eine deutsche Serie gab es auch diesmal in der Hauptreihe „Top Ten“ mit den besten Produktionen aus aller Welt (de facto: USA, UK, Skandinavien) nicht zu sehen. Vielleicht ändert sich das, wenn Tom Tykwer 2016 sein Großprojekt „Babylon Berlin“ fertiggestellt hat. Der gebürtige Wuppertaler gehörte dieses Jahr in Köln zu den auf dem Festival ausgezeichneten Künstlern (er bekam den Hollywood Reporter Award) und stellte sich am Freitagnachmittag in einem öffentlichen Werkstattgespräch den Fragen des Moderators und des Publikums. Mit „Lola rennt“ habe er damals „in Hollywood erst mal eine kollektive Erektion ausgelöst“, wie er selbst erzählte (und eine aktuelle ZDF-Produktion wie „Dina Foxx“ zeigt, dass dessen Bildsprache bis heute nachwirkt). Bis er tatsächlich im Ausland drehte, dauerte es dann aber doch noch eine Weile, weil das Meiste, was er danach aus den USA angeboten bekam, „Quatsch“ war.

Mit den Wachowski-Geschwistern und Hollywood-Stars wie Tom Hanks drehte er später „Cloud Atlas“, für die „Matrix“-Macher inszeniert er zurzeit auch mehrere Folgen ihres neuen Serienprojekts „Sense8“, das im März oder April bei Netflix online gehen soll. Gedreht wird in acht Städten auf fünf Kontinenten (lediglich Australien ist nicht dabei), Tykwer führt(e) bei den Szenen in Nairobi und Berlin Regie. Den Nairobi-Teil hätten die Autoren um J. Michael Straczynski („Babylon 5“) speziell für das Land geschrieben, weil sie die afrikanischen Kinofilme gesehen hatten, die Tykwer und seine Ehefrau mit ihrer Produktionsfirma auf den Weg gebracht haben.

Arbeitsverdichtung und Gemeinschaftsarbeit

Die hohe Arbeitsfrequenz mit sieben Minuten Schnittmaterial, das pro Drehtag fertig werden muss, war für den vom Kino kommenden Regisseur sehr ungewohnt. Er verstehe auch nicht, warum es sich ein Konzern wie Netflix mit seinen Milliardenumsätzen nicht leisten könne, pro Folge zwanzig statt zehn Drehtage anzusetzen. Aber das sei ja ein allgemeiner Trend im Fernsehgeschäft, bei dem eben alle mitmachten: immer weniger Drehtage bei gleichbleibender verlangter Qualität. Er habe auch mit den „Breaking Bad“-Machern gesprochen: „Die waren am Ende von Staffel 5 alle krankenhausreif nach den 18-stündigen Drehtagen“. Über diesen „Wahnsinn“ redete sich Tykwer richtig in Rage.

Ganz sein „Kind“ soll „Babylon Berlin“ werden, das die ARD und Sky Deutschland ab Mitte nächsten Jahres gemeinsam drehen lassen wollen. Er ist der künstlerische Leiter, auch wenn die Funktion eines Showrunners hierzulande noch nicht ausdefiniert sei. Tykwer schätzt an der TV-Arbeit aber ohnehin den Aspekt der Gemeinschaftsarbeit. Die Bücher zur Serie entwickelt er gemeinsam mit zwei Kollegen im Schreibteam, auch die Inszenierung werden sich die Drei teilen. „Es ist eine ganz neue Art der Serie, die sich bisher in Deutschland noch nicht durchgesetzt hat“, schwärmte Tykwer, „Genre, aber extrem politisiert. Es spielt vor der Nazizeit, als noch niemand wusste, was Deutschland vorhat.“ Basierend auf den Kriminalromanen von Volker Kutscher soll die Serie das wilde Berlin der 20er Jahre einfangen, zwischen Lebenslust und Verbrechen. „Inhaltlich finde ich die neue Art des Fernsehens genial“, so der Regisseur. Er sei froh, diese historische Zeitenwende mitzuerleben und wolle unbedingt dabei sein.

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