Unlikely Hitman: Cologne Conference zeigt „Hit and Miss“

Eiskalter Engel? Chloë Sevigny als Auftragskiller(in) Mia; Foto: Sky Atlantic

Am Montagabend (1. Oktober) zeigt das Kölner Fernseh- und Filmfestival die BSkyB-Produktion. Darin präsentiert Erfolgsautor Paul Abbott („Shameless“, „State of Play“) eine der ungewöhnlichsten Prämissen der Seriengeschichte : eine transsexuelle Auftragskillerin, gespielt von Indie-Ikone Chloë Sevigny („Big Love“).

Von Marcus Kirzynowski

Der Auftakt ist klassisch für das Genre: Ein Mann wird nachts in einem Parkhaus von einer Person in Kapuzenpulli erschossen. Eiskalt packt die Killerin Mia danach ihre Utensilien zusammen, schraubt das Kennzeichen ihres Autos ab und zieht noch einmal ihren Lippenstift vor dem Rückspiegel nach, bevor sie den Tatort verlässt. „Eine perfekte Maschine“ nennt ihr Boss und Auftragsvermittler sie kurz danach in der Kneipe, und er meint das durchaus bewundernd. Aber Mia ist innerlich nicht annähernd so emotionslos wie sie bei der Arbeit wirkt: Das zeigt sich, als sie einen Brief von einer ehemaligen Geliebten bekommt, die an Krebs erkrankt ist. Der Clou: Mia hieß früher Riley und ist gerade auf dem Weg zur Geschlechtsumwandlung, der Brief eröffnet ihr nun, dass sie Vater eines inzwischen 11-jährigen Sohns ist.

Als Mia sich aufmacht, die Obhut für ihren Sohn zu übernehmen, wechselt die Serie das Genre scheinbar komplett: Die Mutter ist bereits gestorben, die dysfunktionale Restfamilie, die Abbott uns nun präsentiert (bestehend aus vier Kindern von mindestens drei verschiedenen Vätern, ohne Geld und bisher sich selbst überlassen) erinnert sehr an die Gallaghers aus seiner Erfolgsserie „Shameless“ (s. torrent 1/2012). Mia fällt nun halb widerwillig die Rolle der Ersatzmutter zu, ähnlich wie der ältesten Tochter Fiona in „Shameless“. Wobei sie in diesem Fall erst einmal das Misstrauen der Kinder überwinden muss.

Was die Patchwork-Familie zusammenschweißt, sind die Gefahren, die von außen kommen: der schmierige Vermieter, der die finanziell prekäre Situation der Familie ausnutzt, indem er sexuelle Gefälligkeiten einfordert, der Mitschüler, der Mias kleinen Sohn auf dem Schulweg „abzieht“. Die Reaktionen Mias darauf sind ähnlich denen des „Fremden“ im Italo-Western, der in die Stadt einreitet, um sich schützend vor die Wehrlosen zu stellen – und sie letztlich auch zum Rückschlagen zu ermächtigen.

Vom langsamen Aufbau der Geschichte her erinnert „Hit and Miss“ durchaus an jüngere HBO-Produktionen, vordergründige Effekte sucht man hier eher vergeblich. Erst ganz zum Schluss des ersten Teils kommt es zu einem – dann allerdings umso heftigeren – Gewaltausbruch, der jedoch inhaltlich motiviert ist. Ansonsten interessiert sich Sean Conway, der das Drehbuch nach einer Idee Abbotts geschrieben hat, eher für die Figuren als für Action oder Spannung. Allen voran natürlich für die ungewöhnliche Profikillerin, die wohl auch deshalb so allergisch auf abfällige Bemerkungen über Frauen reagiert, weil sie selbst so gerne als Frau geboren worden wäre. Dass sich hinter der so emotionslos wirkenden Fassade eine tiefe Veletzlichkeit verbirgt, gehört fast schon zu den Klischees des Genres, durch den Twist mit der Genderproblematik und den widerstreitenden Geschlechterrollen bleibt es aber spannend zu sehen, was die Autoren daraus machen. In der ersten Folge wirkt Mia noch etwas blass, auch wenn Sevigny für eine solche gebrochene Figur die Idealbesetzung darstellt.

Sie spricht übrigens in dieser Rolle mit einem irischen Akzent, während die anderen Figuren ein breites Manchurian pflegen, was daran erinnert, dass wir hier eben doch nicht bei HBO sind, sondern bei Sky Atlantic. Und es ist durchaus bemerkenswert, dass ein britischer Pay-TV-Kanal eine solch hochwertige Serie „with an edge“ produzieren lassen kann, die denen der US-Kollegen kreativ in Nichts nachsteht. Ein großes Budget ist eben nicht zwingend. Mit dem Auftakt dieser zunächst auf sechs Teile angesetzten Serie beweist Paul Abbott einmal mehr, dass es auch im europäischen Fernsehen möglich ist, genregerecht zu erzählen, ohne dabei den Anspruch aufzugeben, „soziale Realität zu reflektieren“, wie er es auf der letztjährigen Cologne Conference gefordert hat (s. Gespräch in torrent 1/2012).

Teil 1 von „Hit and Miss“ läuft am 1. Oktober um 19 Uhr im Filmhaus, Maybachstr. 111 in Köln.

2 comments

  1. Hab die bisher leider einzige Staffel in 3 Tagen verschlungen. Wirklich eine super Serie. Tolle Schauspielerleistungen und gute Bildsprache.

    1. Habe gerade gelesen, dass es keine zweite Staffel geben wird. Die Serie soll angeblich von Anfang an als abgeschlossene Miniserie geplant gewesen sein. Dafür ist der Cliffhanger am Ende aber ziemlich krass. Schade.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.