Wenn Woody Allen Raymond Chandler verfilmt hätte: die HBO-Serie „Bored to Death“

Mit den Waffen der Bonvivants: Der Hauptcast von "Bored to Death"; Abb.: HBO

Jonathan Ames (Jason Schwartzman) ist ein eher halb erfolgreicher Schriftsteller. Im Privatleben bekommt er noch weniger auf die Reihe, was vor allem daran liegt, dass seine bevorzugte Freizeitbeschäftigung Kiffen und lethargisches Rumhängen mit seinen Freunden ist. Als ihm wegen seines ausufernden Marihuana- und Weißweinkonsums auch noch die Freundin wegläuft, weiß er mit seinem Leben erst recht nichts mehr anzufangen. Bis ihn ein Detektivroman auf die Idee bringt, per Kleinanzeige seine Dienste als private eye anzubieten.

Jonathan Ames ist aber auch der Erfinder und Hauptautor der HBO-„Comedy“-Serie „Bored to Death“, die sich um eben diese Grundidee dreht. Ein geschicktes Spiel mit den echten und literarischen Identitäten, wie sie schon Paul Auster in seinem Roman „Stadt aus Glas“ auf die Spitze getrieben hat (wo ebenfalls ein Autor in die Rolle eines Privatdetektivs schlüpfte). „Bored to Death“ ist eine jener kleinen, auf den ersten Blick unspektakulären US-Pay-TV-Serien, die im Schatten aufwändigerer Produktionen wie „Game of Thrones“ oder „Breaking Bad“, die in Magazinen und Online-Foren rund um die Welt heiß diskutiert und gefeiert werden, fast untergehen. Nicht nur in Deutschland, denn auch im UK ist die DVD-Box zur ersten, bereits 2009 bei HBO ausgestrahlten Staffel erst vor kurzem erschienen, die zweite von 2010 ist noch nicht einmal in den USA auf DVD erhältlich. Und auch HBO selbst scheint nicht allzu viel Vertrauen in seine Serie zu haben, besteht doch jede Staffel nur aus acht jeweils knapp 25-minütigen Folgen. Dabei kann man sich an der Show und vor allem ihren drei Hauptfiguren kaum sattsehen.

Ames (der echte) zeigt uns ein New York, wie wir es bisher fast nur aus Woody Allen-Filmen kannten: ein Soziotop lauter exzentrischer und mehr oder minder verrückter Intellektueller, die trotzdem alle liebenswert sind. Reibung entsteht immer dann, wenn sie ab und zu mal mit der Außenwelt kollidieren, also mit all jenen Menschen um sie herum, deren Arbeit mehr körperlichen Aufwand erfordert, als nur wild Worte in eine Tastatur zu hacken – oder gar mit dem Füllfederhalter auf einen Notizblock zu schreiben. Ames (der fiktive) wird mit diesen „Normalbürgern“ überwiegend durch seinen neuen Nebenjob konfrontiert: betrogene (natürlich immer attraktive) Ehefrauen, masochistisch veranlagte Polizisten und russische Mafiosi wenden sich an ihn mit allerlei oft skurrilen Aufträgen. Ohne Lizenz und ohne einen blassen Schimmer vom Geschäft stürzt sich der Schriftsteller kopfüber in die verfänglichsten und gefährlichsten Situationen, seine Kenntnisse über Detektivarbeit beschränken sich auf die Lektüre diverser Hardboiled-Romane à la Chandler.

Mehr gehindert als unterstützt wird er dabei desöfteren von seinen beiden besten Freunden, dem Superheldencomic-Zeichner Ray (Zach Galifianakis) und George Christopher, Chefredakteur eines Kulturmagazins im Stile des „New Yorker“ und trotz seiner 62 Jahre alles andere als weise. Ted Danson („Becker“, „Damages“) ist als George der eigentliche Star der Show; wenn er auftaucht, sind die Lacher fast garantiert. Die Diskrepanz zwischen seinem äußeren, wohlanständigen Erscheinungsbild als seriöser älterer Medienmanager und seinem kindlich-ausgeflippten Innenleben liefert immer wieder die herrlichsten Pointen, interessiert er sich doch für nicht viel mehr als Pot, Sex („I’ve been sexually out of control for 40 years.“) und seine Kolumne. Was ihn nicht daran hindert, ständig Fitzgerald oder für den US-Mainstreamgeschmack noch abseitigere Künstler anzuführen („I want to become a crazy artist like Klaus Kinski.“). Diese Mischung aus elitär-bohemistischem Künstlerleben, graßgeschwängerter Kifferromatik und knallhartem Detektivgeschäft macht auch die ganze Show so unterhaltsam.

Gemeinsam im Einsatz: Jonathan (Jason Schwartzman), George (Ted Danson) und Ray (Zach Galifianakis); Foto: HBO

Gäbe es das Wort sophisticated nicht, man müsste es wohl für „Bored to Death“ erfinden. Dabei ist sie bestimmt keine Serie für die breite Masse, lädt sie statt zum Schenkelklopfen doch eher zum leise in sich hinein Schmuzeln ein. Allerdings auch nur, wenn man weiß, wer Werner Herzog ist, wenn man schon immer mal Jim Jarmusch auf einem Kinderrad durch eine Halle fahren sehen wollte und wenn man die Stereotypen klassischer amerikanischer Thriller kennt. Durch die Breite der Anspielungen von Hoch- bis Popkultur, von Nabokov bis Spider-Man dürften allerdings die meisten, die sich überhaupt für Kultur interessieren, zumindest einen Teil der Gags goutieren.

Stilistisch ist die Serie so perfekt, wie man es von HBO gewohnt ist: Produktionsdesign, Bildgestaltung, Musikauswahl – alles stilvoll und makellos. Nur dass hier eben keine CGI-Orgien und keine Wahnsinnskulissen nötig sind wie in aktuellen Genreserien. Neben aller Komik thematisieren die Autoren ganz nebenbei auch ernstere Aspekte des Lebens, von Zukunftsangst und Bindungsunfähigkeit bis zur Diagnose Prostatakrebs. Und nicht zuletzt entwickelt sich die Serie zunehmend zur Geschichte einer großen Männerfreundschaft. Jonathan, Ray und George, diese drei äußerlich so verschiedenen kreativen Kindsköpfe, sind immer füreinander da, teilen all ihre Gefühle und helfen einander, wo sie nur können – auch wenn Ray und George vor lauter Kiffen im Auto schon mal vergessen, dass sie ja eigentlich aufpassen sollten, dass Jonathan bei seinem Auftrag nichts passiert.

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