Bevor im Winter Staffel 3 im Fernsehen anrollen soll, strahlt der ORF noch einmal die ersten beiden aus. Nach zwei vergleichsweise (bei „CopStories“ sind die Grenzen da fließend) charakterbasierten Folgen lässt “Kleinvieh” wieder die Dogan-Storyline aufflammen. Der Titel ist missverständlich – in dieser Folge geht es eigentlich um einen neuen großen Fisch.
Am Ende der letzten Folge, “Dreck“, hatte ich mich noch gefragt, wie die Dogan-Handlung wohl weiterlaufen wird, nachdem all dessen Partner und Verwandte von der Bildfläche verschwunden sind. “Kleinvieh” liefert die Antwort: indem ein neuer Hauptantagonist eingeführt wird, der mit Dogan Geschäfte führt. Berischer heißt er und ist in dieser Folge Opfer eines “Drive-by-Shootings, die Wiener Version halt“. Wir erhalten noch nicht viele Informationen über diese Figur (abgesehen von einem außerordentlich guten Modegeschmack), was darauf schließen lässt, dass „CopStories“ noch viel mit Berischer vor hat. Weitere Indizien: das prominente Gesicht (Cornelius Obonya), ein Foto auf der Rückseite der DVD-Hülle und natürlich eben die Tatsache, dass die Serie ihn zuerst als Opfer einführt, was der Figur noch viel Spielraum, besonders in Bezug auf Dogan, einräumt.
Dogan, Berischer und ein Maulwurf
Dass die Figur in gleich zwei Handlungssträngen auftaucht (Drive-by-Shooting, Notizbuch von Dogan) spricht nicht nur dafür, wie wichtig sie für den Verlauf der weiteren Staffel zu werden verspricht, sondern auch, dass die Serie hier wieder handlungszentrierter wird. So gut wie alle Handlungsbögen von „CopStories“, die sich über mehrere Episoden strecken, drehen sich um die persönlichen Dilemmata der Polizisten – einzig der Dogan-Handlungsstrang, der ja schon immer von der Spielzeit her der voluminöseste war (vergleiche auch Fahri Yardims hervorgehobene Platzierung im Vorspann), umfasst eine breitere Auswahl an beteligten Hauptfiguren, nicht zuletzt bedingt durch Altans Ableben. In der Tat ist schon “Kleinvieh” nicht ganz so charakterbasiert wie es etwa die zwei Folgen davor waren, und auch die Zukunft verspricht vor allem dank des Hinweises, es könne einen Maulwurf unter den Polizisten geben, in diesem erhöhten Tempo weiterzuerzählen.
Das klingt zuerst wie ein ausgelutschtes Klischee (und ist es schlussendlich ja auch), bislang vermeidet es „CopStories“ allerdings, in die typischen Klischee-Fallen zu tappen. Zum einen ist da das starke Ensemble: Obwohl es zehn Hauptfiguren gibt, kommt für mich keine davon als Maulwurf in Frage – davon sind alle zu konsistent charakterisiert. Zusätzlich vermeidet es die Serie, eine neue Nebenfigur im Kommissariat in Staffel 2 eingeführt zu haben, die sich als Täter anbieten würde. Und so fühle ich mich direkt in Leilas Lage hineinversetzt: Es kann doch niemand von uns sein – gibt es also überhaupt einen Maulwurf, oder denke ich einfach zu viel darüber nach? Wie verlässlich ist dieser Autohehler überhaupt?
Zum anderen sind da die Puzzle-Teilchen, die die Serie uns bereits zugespielt hat – das Giftpäckchen aus “Dreck” zum Beispiel, das in “Kleinvieh” keinerlei Erwähnung findet. Das lässt mich vermuten, dass es sich dabei nicht bloß um einen gewöhnlichen Diebstahl handelt, sondern dieser wohl eher von besagtem Maulwurf orchestriert wurde, um wer weiß was damit anzustellen – ich wäre überrascht (um nicht zu sagen enttäuscht), wenn wir bis zum Ende der Staffel dieses Gift nicht zu Gesicht bekämen. Ein Lob der Serealität: Genau solche Gedankengänge werden durch episodenübergreifende Erzählstränge ermöglicht und machen den Reiz von seriell erzählenden Serien ja überhaupt erst aus.
Weil die Ermittlungen rund um Dogans Drogenhandel wieder im Zentrum der Episode stehen, wird wenig Wert auf ein der Folge übergeordnetes Thema gelegt – stattdessen verleiht eben dieser Fall “Kleinvieh” seine Grundstruktur. Nicht zuletzt deshalb wirkt allerdings die Schlussmontage loser miteinander verknüpft, an diesem Feierabend finden sich weniger Parallelen als bei den zwei Folgen zuvor. Andererseits: Weil die Folge einen so starken Fokus besitzt, kann sie ausnahmsweise die ersten paar Minuten der Folge auflockern. Zwar sollte von vornherein klar sein, dass sie Dogan nicht so einfach schnappen können, trotzdem kann man über das Tempo zu so früher Stund’ erfreut sein.
Und die Guten
Ansonsten wird die Folge von den üblichen Nebengeschichten geprägt. Manche sind nur kurze Weiterführungen der Geschehnisse der Vorfolge: Romans Date wird nur kurz in der Montage angeschnitten, und Helgas neues Dilemma mit Toni besitzt nur unwesentlich mehr Handlung. Nach nur einem einzigen Tag fährt Toni seinen Sportflitzer zu Schrott. (Warum er davon spricht, seit zwei Monaten keine Versicherung mehr dafür bezahlt zu haben, wo er es doch erst in der Folge zuvor erworben hat, verstehe ich nicht – überhaupt wirkt der Dialog hier ungewöhnlich gestellt.) Helga starrt das Auto gleich in zwei Szenen verzweifelt an – das Symbol der Einfältigkeit ihres Mannes, der es nicht einmal fertig bringt, sich die Schuld für den Unfall einzugestehen. (Ich liebe den Establishing Shot hier: weit und breit kein anderes Auto, der Hydrant ist einwandfrei zu sehen.)
Nicht ganz so warm werden kann ich bei Lukas‘ ehemaligem Liebhaber Christian. Ich weiß nicht genau, was ich mir erwartet hatte, was sich dieser von Lukas erwarten würde, aber dass der den Job hinter verschlossenen Türen lösen würde – das ist dann doch eher fad. Es ist schön, dass Lukas ein wenig auf fremdes Terrain geholt wurde – normal ist er es, der kühl reagiert und an sein eigenes Wohl denkt; doch die Präsenz von Christian bringt ihn dazu, plötzlich den Moralposten spielen zu müssen. Vielleicht ist auch der derzeitige Lukas erst durch diese Beziehung entstanden und kühlte erst durch, was auch immer Christian getan hat, ab. All das (und die hübschen Lokalitäten) lenkt aber nicht davon ab, dass die Beiden bloß reden, reden, reden – dafür hätte man um Christian nicht so ein Geheimnis machen müssen.
Viel besser gefällt mir hingegen Florians erster Termin bei der Kindertherapeutin. Das hätte sehr fad sein können, aber „CopStories“ weiß hier dessen Ängste sehr gut einzufangen. Bloß durch die Anwesenheit der Therapeutin ist das Klima im Spielzimmer ein völlig Fremdes. Da kann die Therapeutin noch so gutmütig sagen, dass Florian einfach so tun solle, als wäre sie nicht da – das Wissen um die Beobachtung liegt ihm zu tief im Nacken. Und so erleben wir den eigentlich liebevollen Flo als überbemühten, übervorsichtigen, um nicht zu sagen verdächtigen Vater. Gut möglich, dass ihm weitere Zeit mit seiner Tochter untersagt wird – die kurze Einstellung, wie er abends allein im Umkleideraum sitzt, spricht davon, dass er sich dessen durchaus bewusst ist.
Mein Favorit ist allerdings die Handlung rund um Sylvester, bei dem die Serie immer wieder unter Beweis stellt, dass sie weiß, welche Hebel sie da drücken muss. Sylvester ist ein selbstsicherer Mann, der aber gerne dazu neigt, seine Grenzen zu unterschätzen – und wird eben besonders dann getestet, wenn ihn die Situation dazu zwingt, aus seinem Komfortbereich herauszutreten. „CopStories“ ist selten besser, als wenn Sylvester sein selbstzufriedenes Grinsen aus dem Gesicht gewischt wird – das war schon bei der Pilotfolge (“Bahöh“) ausgezeichnet, als Sylvester glaubte, versehentlich einen Verdächtigen bei einem Handgemenge umgebracht zu haben, und funktioniert auch hier ausgezeichnet: Mit der Ernsthaftigkeit der Situation sieht er sich gezwungen, seine Grinsemaske abzulegen, und der wahre Sylvester, der auch mal die Nerven verlieren kann, kommt ans Licht.
Er will es nicht zugeben, aber: Die kurze Schießerei hat ihn doch recht mitgenommen – aber für Tina und die anderen Kollegen grinst er wieder. Und da beginnt er dann zu denken: So professionell, wie er das geregelt hat, kann er “seinen” Fall auch selber regeln – nicht wissend natürlich, dass er sich da mit Gegnern anlegt, die ein paar Kaliber zu groß für ihn sind. Trotz seiner Standfestigkeit wäre Sylvester kein guter Kandidat für die Kripo, denn: Er lässt sich zu sehr von seinen eigenen Gefühlen leiten. Das macht sich auf nicht wirklich destruktive Weise auch schon im Präsidium bemerkbar, aber wird erst gefährlich, wenn es dadurch sein Urteilungsvermögen im Fall selber beeinträchtigt. Es wäre da nicht die hässlichste tragische Ironie, wenn seine, nennen wir sie mal so, “Empathie” für Ramona ihr noch zum Verhängnis werden würde, was auch seiner Beziehung mit Tina im Wege stehen würde…
Ausgezeichnet fungiert hier Bergfeld als Parallele – dieser ist es ja, der Sylvester erst das Verhör mit dem Verdächtigen führen lässt. Dabei wird auch Andreas wohl demnächst erfahren, was für Probleme allzu enge Beziehungen am Arbeitsplatz bringen – gerade wegen seiner Lügen gegenüber beiden Frauen wird dieser Konflikt wohl kaum friedlich enden. Während es bei Sylvester der Über-Mut ist, der ihn in Teufels Küche bringt, ist es bei Andreas seine Feigheit. Wenn er also Sylvester an Ramonas Tür mit Blicken zur Schnecke macht (ein wirklich ausgezeichnet gespielter Moment), schimpft er in Wirklichkeit auch mit seinem Spiegelbild – aber es ist eben leichter, mit jemand anderem ins Gericht zu gehen, vor allem für jemanden wie Bergfeld, der beruflich zwar Mut zeigt, aber mit sich selber nicht ins Reine kommen kann.
Insgesamt ist es schön, dass der Dogan-Handlungsstrang wieder Fahrt aufnimmt, und das von neuer Seite her – aber ob Berischer auch tatsächlich ein interessanter Antagonist wird, bleibt abzuwarten.
Dieser Artikel erschien ursprünglich in etwas anderer Form auf BlamayerTV.wordpress.com.
„CopStories“ Staffeln 1 und 2 werden seit dem 7. Juli jeden fußballfreien Dienstag um 21.05 Uhr auf ORFeins ausgestrahlt. Danach sind die Folgen jeweils für sieben Tage in der ORF-TVthek (auch weltweit) verfügbar. Beide Staffeln sind als DVD erhältlich.