„CopStories“-Kritik 2.05: „Dreck“

Ein demonstrierender Mob macht einem unschuldigen Mann gehörig zu schaffen. Quelle: ORF TVthek, Gebhardt Productions

Bevor im Winter Staffel 3 im Fernsehen anrollen soll, strahlt der ORF noch einmal die ersten beiden aus. Helga hat einmal mehr schon in der Arbeit alle Hände voll zu tun, und dann kommt Toni mit einer mächtigen Überraschung an. Indes darf Florian wieder in den Außendienst – und wird ausgerechnet zur Aufklärung eines Kindesmissbrauchs eingesetzt…

“You’re my confidant! My passion…”, trällert es bei der Schlussmontage zu “Dreck“ und summiert dabei in dieser Phrase sehr treffend das Thema der Folge, in weiterem Sinne aber auch der Serie. Die „CopStories“-Polizisten sind, sowohl aus praktischen als auch erzählökonomischen Gründen, meist in Zweier-Teams unterwegs, eine Tatsache, die “Dreck” besonders hervorhebt – sei es durch die unübliche Paarung von Florian und Leila, das eingespielte Pärchen Sylvester und Tina, der viel zu einsame Bergfeld (Andreas!), der viel zu einsame Roman, der viel zu einsame Eberts oder der notorische Einzelgänger Lukas, der schon seit Längerem nicht nur seine eigene Vergangenheit, sondern auch Identität von sich stößt.

Einzelgänger

Wir gehen die Figuren wie immer der Reihe nach durch, beginnend mit Letztgenanntem. Lukas‘ mysteriöser Besucher besitzt zwar immer noch keinen Namen, dafür jetzt aber eine Identität: Es handelt sich (der persönlichen Anmutung von Lukas’ Watsche nach zu urteilen) um seinen ehemaligen Liebhaber. Spannend, wie überraschend Lukas’ Homosexualität für Neueinsteiger daherkommen muss und hier der Szene eine weitere Nuance verleihen kann, ohne für Kenner der ersten Staffel ein bloßes Lippenbekenntnis zu sein – dass Lukas homosexuell ist, war schon immer eine der subtileren Seiten von „CopStories“, aus dem nie eine große Sache gemacht wurde. In jedem Fall scheint bei seinem Besucher ein längerer Bogen gespannt zu werden: Von seinem Namen abgesehen wissen wir vom Besucher immer noch nicht, was genau “damals” vorgefallen ist, beziehungsweise was er in der Gegenwart für einen Auftrag für Lukas hat – und warum ist es Lukas so wichtig, sein Bestreben, ein guter Vater werden zu wollen, zu verheimlichen?

Ebenfalls mit seiner Vergangenheit zu kämpfen hat Eberts, allerdings mit der jüngeren: Altan ist tot. Zugegebenermaßen bezieht sich Eberts lediglich in einer Zeile darauf, dennoch handelt es sich dabei um jene Triebfeder (oder wollen wir es so nennen: den Vorwand?), die ihn Gloria Michaelis, seine Rassismus-Therapeutin, aufsuchen lässt. Wie auch schon in Staffel 1 funkt es zwischen den beiden nach wie vor, zum Glück aber nicht mehr ganz so wortwörtlich.

Direkt Feuer gefangen haben hingegen endlich der Oberst Bergfeld und die Frau Integrationsbeauftragte – just in dem Moment, in dem es positive Nachrichten von seiner Frau gibt. So ein Zufall aber auch! Es ist einer der wenigen ungeschliffenen Momente, die die Illusion brechen – vielleicht wäre es glaubwürdiger gewesen, sie hätte es ihm auf die Mailbox gesprochen, während er zu beschäftigt war, sich die verpassten Nachrichten anzuhören? Jedenfalls gefällt wiederum sehr gut, dass Lukas unfreiwillig von der Affäre Wind bekommt – nicht nur, weil dadurch gleich mehrere Cliffhanger geschaffen werden (Dogan ist wieder da! Bergfeld muss sich entscheiden!), sondern auch, weil Bergfeld damit den idealen (weil unbefangenen) Gesprächspartner bekommt, sollte er mal beichten gehen wollen.

Einer für alle, alle für einen. Quelle: ORF TVthek, Gebhardt Productions
Einer für alle, alle für einen. Quelle: ORF TVthek, Gebhardt Productions

Auch Roman befindet sich in einem komplizierten Netz aus Einsamkeit und Kompanie: Er ist zwar der Kollege, den alle mögen, aber für eine Beziehung ist eine “Wompatngemeinschaft” doch ziemlich eng – und selbiges gilt für Matthias. Wie Roman zu seiner neuen Herzensdame stoßt, wirkt reichlich aufgesetzt, was zum einen daran liegt, wie dick beim Gerede über Übergewicht aufgetragen wird, und zum anderen, wie unvermittelt und eigentlich auch unbegründet der Konflikt zwischen ihr und Helga entflammt. Auch ist das Hinzufügen des Herzchens auf Romans Arm ein bisschen zu viel des Guten – gelungen ist dafür der tonale Umschwung von Drama auf Humor, darauf ist bei Roman immer Verlass. Und so wechselt Roman von einer Frau zur nächsten – es würde mich nicht wundern, wenn sich die neue Freundin rührend um ihn kümmern würde…

Zwei Jobs

Helga ist im Grunde ja ebenfalls Einzelkämpferin, Alleinerziehende ist sie allemal. Ihr Mann Toni schien sich in “Jössas!” endlich gefangen zu haben, brachte ihr sogar rote Rosen zum Dienstende – doch eigentlich hätte man es besser wissen müssen. Im Grunde war der Blumenstrauß ja typisch Toni: ungeschickt, bemüht, aber schlussendlich sinnlos. Ich interpretierte Helgas kritischen Blick als einen Verteidigungsmechanismus – dass sie kaum glauben konnte, was sie da sah. Stattdessen erkannte sie, dass Toni einmal mehr falsch lag: Sie erkennt die nette Geste an, aber was sie eigentlich braucht, ist jemand, der ihr bei all ihren Aufgaben hilft. Toni müsste für sie kochen oder den Kindern beim Lernen helfen, aber nein: Toni geht Blumen kaufen. Schön anzusehen, aber das nützt Helga schlichtweg nichts.

Genau so verhält es sich auch mit dem neu gekauften Auto, das förmlich nach Toni schreit. Ich bin wirklich beeindruckt, wie der Toni-Konflikt in dieser Staffel ein ganz anderer ist, während er der Figur treu bleibt. Inspiriert durch die beratenden Worte Bergfelds zum Ende der ersten Staffel (“Bist du deppert!“), dass Toni endlich mal selber auf sich zu achten lernen habe, lebt dieser nun die andere Seite seiner manischen Depression (?) aus: übermotiviert und gedankenlos plaudert er davon, sich jetzt selbstständig machen zu wollen, ohne zu wissen, was das heißt. Helga wird fragen: Und wer passt auf die Kinder auf? Und Toni wird sagen: Wurscht. Oder: Also daran habe ich nun wirklich nicht gedacht.

Von all den Cops hat Helga den härtesten Job: Sie hat nämlich zwei, und ist nicht bereit, bei auch nur einem davon nachzulassen. Da ist es auch nicht verwunderlich, wenn selbst ihr einmal die Geduldsschnur reißt, auch wenn sie sich das nicht eingestehen möchte. Wenn sie Davids Mutter vorwirft, endlich mit der Mitleidsmasche aufzuhören, spricht sie natürlich in Wirklichkeit mit ihrem Mann. Nur bei diesem will sie sich nicht erlauben, den Geduldsfaden reißen zu lassen – zu tief sitzt da noch die Erfahrung aus Staffel 1, als Toni fälschlicherweise behauptet hatte, sie habe ihn wutentbrannt die Stiegen hinuntergestoßen. Geduld, so sagt sie sich, ist der einzige Weg, um den Toni wieder auf die richtige Bahn kommen zu lassen – aber ob diese Strategie von Erfolg gekrönt wird, wage ich zu bezweifeln.

Verwandte Verläumdungen

Ebenfalls nicht ganz zufällig muss sich auch Florian im Arbeitsalltag seinen Dämonen von zu Hause stellen, namentlich: Die Tatsache, dass er seine Tochter nur noch zwei Mal im Monat sehen darf, wird unmittelbar im Fall des Martin Fischer gespiegelt. Auch diesem wird vorgeworfen, ein Pädophiler zu sein, und so wird die Suche nach dessen Schuld oder Unschuld für Florian zur persönlichen Hexenjagd. Nicht umsonst führt seine Empathie mit dem falsch aussagenden Jungen dazu, dass Fischer von den Anschuldigungen befreit wird – es zeigt ihm, dass er den Worten von Frau Dorfer (von der Internen) Glauben schenken sollte und sich dem Thema langsam nähern sollte. Vielleicht zeigt seine Ex dann ja ebenfalls Einsicht? Andererseits ist das vielleicht genau die falsche, naive Zuversicht, die Florian so gar nicht behilflich ist.

Ein bedeutenderer Aspekt in diesem Narrativ ist allerdings die Erkenntnis, wie es so einem fälschlich des Kindesmissbrauchs verdächtigten Mann ergeht: Nach der Klärung des Falles kann dieser nicht in seine alte Welt, seinen Job und zu seinen Kindern zurückkehren, stattdessen kann er sich dem Stigma eines verdächtigten Kindermissbrauchers nicht mehr entziehen. In Wien wird er darum keinen Job mehr finden, er wird sein Glück in Kärnten versuchen. Halb im Scherz meint er noch, er würde dort lediglich so lange bleiben, bis sie auch dort Eier nach ihm werfen würden – was wahrscheinlich nicht ganz unrealistisch ist.

Und genau dieses Schicksal könnte auch Florian ereilen, wenn er nicht vorsichtig ist. Im Gegensatz zu Fischer kann er allerdings nicht einfach seine sieben Sachen packen und Wien den Rücken kehren: Seine Emma ist noch hier, und sie zu verlassen würde ihn erstens mental zerstören, und zweitens würde das seine Ex siegen lassen – und bei der Größe ihrer Anschuldigungen geht es dabei nicht nur um ihre Tochter, sondern auch um Florians Ehre. Und wenn jemand im Präsidium stolz ist, Polizist zu sein, dann er.

Pärchen

“You’re my confidant! My passion…”, trällert es in der Schlussmontage von “Dreck” just in jenem Moment, in dem sich Frau Schmidt zu ihrem Gatten legt – eine nette Kurzgeschichte, die aber an und für sich nicht aus der Masse hervorstechen würde – wäre da nicht dieser eine magische Moment in der Montage. Er zeugt davon, was für ein Geschick „CopStories“ in seiner zweiten Staffel dafür entwickelt hat, in diesen Montagen nicht nur den richtigen Song zu wählen, sondern vor allem seine Geschichten in kurzen, prägnanten, ja, manchmal auch sehr poetischen Momenten auf den Punkt zu bringen. Letzte Woche war Emmas Brief das Highlight, diesmal ist es (ungewöhnlicherweise) eine Nebengeschichte, die den bittersüßesten Punkt bildet.

Am Ende des Tages sind und bleiben sie doch noch ein Paar. Quelle: ORF TVthek, Gebhardt Productions
Am Ende des Tages sind und bleiben sie doch noch ein Paar. Quelle: ORF TVthek, Gebhardt Productions

Nicht zuletzt funktioniert die Geschichte auch gut, weil sie Tina und Sylvester wieder zusammenarbeiten lässt, die auch hier sehr gut harmonieren. Was sich liebt, das neckt sich offensichtlich: Tinas kleine Seitenhiebe über offenes Hosentürlein oder Sylvesters Babyspeck sind ja recht spaßig, aber am Besten charakterisiert Sylvesters erster Satz die Beziehung der beiden am Besten: Sylvester nennt Tina Prinzessin, als er sie zur Teamarbeit einlädt – und Tina besitzt die Größe, trotzdem “ja” zu sagen. Nicht ohne freche Zwischenbemerkung, aber trotzdem: Sie arbeitet gerne mit Sylvester in Team.

Einer für alle…

“You’re my confidant! My passion…”, trällert es zum Schluss, als die gesamte Mannschaft ihr Wort hält und Roman dabei hilft, von zu Hause auszuziehen. Es ist eines der erheiterndsten Bilder der Serie, Romans Freunde ihm beim Schleppen helfen zu sehen. Einer für alle, alle für einen. Sie verladen die ganzen Möbel ganz bewusst nicht in ein gewöhnliches Möbel-Transportfahrzeug, sondern in ein Polizeiauto – denn da, so die Metapher hier, packen die Polizisten in Zusammenarbeit ihre Leben hinein, und nur in Symbiose mit der Arbeit kommen die Privatleben auch weiter. Ermöglicht wird das durch die Hilfsbereitschaft und den Zusammenhalt des Teams – und im Endeffekt heißt der Gewinner „Cop Stories“.

Noch mehr Bla:

– “Des is rechts, und Sie sind auch kein Fiacker.”

– Der kleine, kurze Streit um den Buben, der Müll auf die Straße wirft: Genau so schafft es „Cop Stories“, das Aufeinanderprallen zweier Kulturen passend zu dramatisieren.

– Dogan ist die einzige Figur, die vom Dogan-Handlungsstrang noch auf freiem Fuße beziehungsweise überhaupt noch am Leben ist: Altan, Theo und Dogans linke Hand sind tot, Efe hinter Gittern. Allein deshalb vermute ich, dass dieser Handlungsstrang in absehbarer Zukunft, auf jeden Fall noch in dieser Staffel, beendet wird, weil Dogan einfach niemanden mehr hat, mit dem er interagieren kann – außer, er findet da einen gewissen russischen Geschäftspartner…

– Das Päkchen Gift wurde also gestohlen… wird nun jede Folge ein neuer Handlungsstrang begonnen?

– Bester Witz der Folge: Gert weiß auch nicht, wie sein Ausbildner heißt.

– Die Vöglein auf den Hitler scheißen zu sehen, das war schon nicht schlecht. Ein Sonderplus verdient sich die Serie, falls wir die Tauben in einen der nächsten Kriminalfälle eingebunden sehen.

– Leila ist jetzt aber hoffentlich nicht von Altan schwanger, oder? Ihr Übergeben in der Früh ist sonst allerdings recht kontextlos… Was diese Theorie stützen würde: Ausgerechnet sie wird hier mit Florian zum Kinderfall geschickt, und rein zufällig kann sie nicht sehr gut mit Kindern umgehen – wo sich wiederum ein interessanter Plausch mit Lukas ergeben würde…

– Ein allgemeines Problem der Serie: der Teaser. Weil die Serie dergestalt streng strukturiert ist, dass jede Folge genau einen Tag umfasst, beginnt jede Folge an ihrem langweiligsten Segment: Beim Frühstück, wo alle nur rumscherzen wollen, bevor die Arbeit (= die Fälle) überhaupt erst beginnt. Das führt unter anderem dazu, dass die Kaffeehausszene oftmals auf einer sehr schwachen Note endet, was manchmal sogar regelrecht entfremdend wirkt. In jedem Fall macht der Teaser selten Lust auf mehr und tut damit der Serie bei Weitem nicht Genüge.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in etwas anderer Form auf BlamayerTV.wordpress.com.

„CopStories“ Staffeln 1 und 2 werden seit dem 7. Juli jeden fußballfreien Dienstag um 21.05 Uhr auf ORFeins ausgestrahlt. Danach sind die Folgen jeweils für sieben Tage in der ORF-TVthek (auch weltweit) verfügbar. Beide Staffeln sind als DVD erhältlich.

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