Freundschaft ist magisch: VOX gründet den „Club der roten Bänder“

Tanzen verbindet: Jonas (Damian Hardung), Emma (Luise Befort) und Leo (Tim Oliver Schultz); Fotos: VOX/Martin Rottenkolber

Willkommen im Club! Mit der heute startenden Dramedy „Club der roten Bänder“ reiht sich VOX in die deutschen Privatsender ein, die eigene Dramaserien produzieren. Dabei wählten die Kölner für den Einstieg in diesen Geschäftszweig ein für deutsche TV-Verhältnisse recht ungewöhnliches Genre, eine Krankenhausserie mit überwiegend jugendlichen Protagonisten.

Und damit sind nicht „junge Ärzte“ gemeint, wie sie auch die ARD in ihrem „In aller Freundschaft“-Ableger präsentiert, sondern die Patienten einer Kinderstation. Diese in sich geschlossene Welt, die nach ganz eigenen Regeln funktioniert, lernen wir durch die Augen von Jonas (Damian Hardung) kennen, einem etwa 17-jährigen Krebspatienten, dem ein Bein amputiert werden muss. Das ist für ihn besonders hart, weil er leidenschaftlicher Skateboarder ist. Zum Glück ist er aber mit seinem Schicksal nicht allein, sondern findet mit seinem Bettnachbarn Leo (Tim Oliver Schultz) einen Leidensgenossen, der genau weiß, wie er sich fühlt. Leo hat sein Bein nämlich schon vor einiger Zeit verloren, er ist quasi der Veteran unter den Patienten der Kinderstation.

Er ist es auch, der auf die Idee kommt, eine Gang zu gründen. Sein Physiotherapeut erklärt ihm, dass es dabei immer eine feste Rollenverteilung gebe: einen Anführer, einen zweiten Anführer, einen Schlauen, einen Hübschen, einen „guten Geist“, der das Ganze zusammenhalte, und immer nur ein Mädchen. Als Anführer sieht Leo selbstbewusst sich selbst, der Stellvertreter ist mit Jonas auch schon gefunden und Mädchen kennen sie in der Klinik sowieso nur eines, die magersüchtige Emma. Fehlen also nur noch zwei Mitstreiter, um die Rollen auszufüllen – und natürlich ein griffiger Name. Da die roten Patientenbänder das äußerlich verbindende Element der Jugendlichen sind, ist der schnell gefunden.

Ein Tänzchen vor der Beinamputation

„Club der roten Bänder“ basiert auf der katalanischen Erfolgsserie „Polseres Vermelles“ des Autors Albert Espinosa (und dessen autobiografischem Roman „Glücksgeheimnisse aus der gelben Welt“), die bereits in aller Welt adaptiert wurde. So versuchte sich auch das US-Network FOX in der vergangenen TV-Saison an „Red Band Society“, was allerdings von der Masse des amerikanischen Fernsehpublikums nicht goutiert wurde – nach einer Staffel war schon wieder Schluss.

Die deutsche Umsetzung der „Weinberg“-Autoren Arne Nolting und Jan-Martin Scharf macht schon einmal nicht den Fehler der US-Kollegen, den Fokus auf das Klinikpersonal zu verlagern. So bleiben Ärzte und Pfleger hier Nebenfiguren, im Mittelpunkt stehen klar die jugendlichen Patienten. Mit ihnen sollen die Zuschauer den Krankenhausalltag erleben und lernen, dass es dort trotz aller Beeinträchtigungen auch genügend Raum für Freude und Freundschaften gibt. So ist die wohl berührendste Szene der ersten Folgen der Moment, wenn Jonas am Abend vor seiner Beinamputation zum ersten Mal mit einem Mädchen tanzt. Etwas erzwungen wirkt hingegen das Knüpfen der Beziehungen, wenn zum Beispiel ein furchtbar unsympathischer Mitpatient für die Clique rekrutiert wird, einfach weil man ja noch einen „Hübschen“ braucht. Dass auch dieser arrogante Mobber Alex (Timur Bartels) schrittweise seine Verletzlichkeit und damit sympathischere Züge offenbaren wird, ist vorhersehbar. Erfrischender ist da schon der Kommentar von Emma (Luise Befort), die sich wundert, dass Alex schon als Hübscher durchgehe.

Wenig Betrieb im Krankenhaus

Solche witzigen Momente lockern die Handlung auf, die sonst doch arg formelhaft die Grundsituation etabliert, bis sich am Ende der zweiten Folge der Club mit allen seinen Mitgliedern zusammengefunden hat. Dabei ist die Stimmung der Serie überwiegend eher emotional als humoristisch. Während die Nachwuchsschauspieler, allesamt noch am Beginn ihrer Karrieren, durchaus überzeugen können, stehen die reichlich hölzernen Dialoge der Identifikation mit Geschehen und Figuren im Weg. So muss etwa Leo kurz nach der Erklärung seines Krankengymnasten die Zusammensetzung jeder Clique noch einmal fast wörtlich wiederholen – dabei wirkte diese Aufzählung der Rollen schon beim ersten Mal irgendwie künstlich. Wieso es zum Beispiel nur ein Mädchen geben darf, bleibt wohl das Geheimnis der Autoren und erscheint nicht gerade zeitgemäß (so hatte die ursprüngliche „Red Band Society“ auch mehrere weibliche Mitglieder).

Der "gute Geist": Der komatöse Hugo (Nick Julius Schuck) kommentiert die Handlung
Der „gute Geist“: Der komatöse Hugo (Nick Julius Schuck) kommentiert die Handlung

Leider wirkt auch das Setting etwas künstlich. Das Krankenhaus macht einen zu sterilen und damit unrealistischen Eindruck. Alles ist zu aufgeräumt, sauber und unbelebt, höchstens läuft ab und zu mal ein Pfleger im Hintergrund durchs Bild. Kein Vergleich mit den großen US-Klinikserien wie „ER“ oder „Grey’s Anatomy“, wo es vor Patienten, Angehörigen und Personal nur so wimmelt. Zumindest hat die Ausstattung bei der Einrichtung der Krankenzimmer nicht so übertrieben wie in der US-Version, wo man sich eher in der Jugendzimmer-Abteilung eines Möbelhauses wähnte als auf einer Kinderstation.

Leben in der Zwischenwelt

Auch der Inszenierungsstil ist in den überwiegend in der Klinik spielenden Szenen zu aufgeräumt. Stilistisch interessanter wird es immer dann, wenn es – in Rückblenden – nach draußen geht oder Traumsequenzen ins Metaphysische führen. Für letzteres sorgt vor allem das jüngste Clubmitglied Hugo (Nick Julius Schuck), der „gute Geist“. Der liegt zwar im Koma, bekommt aber alles mit und kommentiert das Geschehen als Erzähler für die Zuschauer. Leider fasst er dabei öfter auch genau das zusammen, was man sowieso gerade erst gesehen hat. Sein Leben in der Zwischenwelt bietet aber immer wieder Anlass für schön gefilmte Szenen im und am Schwimmbecken (in dem Hugo verunglückt ist). In diesen zeigen Regie und Kamera, dass sie durchaus Stilwillen haben und diesen auch überzeugend umsetzen können – leider erhalten sie dazu insgesamt zu wenig Gelegenheit.

Lobenswert ist, dass VOX sich für seine erste eigenproduzierte Dramaserie eines wenig erprobten Genres bedient hat, statt einfach mit einer weiteren Krimiserie aufs sicherere Pferd zu setzen. Es bleibt allerdings die Frage nach der Zielgruppe. Wie schon die US-Version ist auch die deutsche Umsetzung des Stoffs im Kern eine Jugendserie. Ob Teenager jetzt aber in Massen VOX einschalten werden, ist ebenso fraglich wie die Reaktion der im Durchschnitt vermutlich deutlich älteren Stammzuschauer. Vielleicht hätte diese Serie besser zu jugendaffinen Sendern wie ProSieben oder RTL II gepasst. Trotz der erzählerischen und stilistischen Schwächen ist VOX aber zu wünschen, dass die Serie ein ausreichend großes Publikum findet – schon, damit das deutsche Fernsehen sich endlich einmal von seiner Fixierung aufs Krimigenre lösen kann.

Fünf Doppelfolgen, ab heute jeweils montags um 20 Uhr 15. Dieser Text erschien zuerst auf wunschliste.de.

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