Es hat nicht sollen sein. Wenn Serien nach wenigen Folgen wieder eingestellt werden, dann ist das traurig, aber kein Grund, nicht trotzdem einen Blick zu riskieren. In dieser Reihe „Lückenfüller“ empfiehlt Hari List kurzlebige Serien der jüngeren Vergangenheit, die euch das Sommerloch und die Wartezeit bis zum nächsten Staffelstart versüßen sollen. Heute: „Magic City“.
Miami im Dezember 1958. Während im luxuriösen Hotel Miramar Playa die Vorbereitungen für die Silvesterfeier voranschreiten sollten, drängt sich das Personal vor Sorge um die Verwandten in Kuba um die Radiogeräte: Ein argentinischer Arzt hat die Stadt Santa Clara eingenommen und seine bärtigen Genossen stehen kurz vor Havanna.
Hotelbesitzer Ike Evans (Jeffrey Dean Morgan) hat andere Sorgen als das, was 100 Meilen entfernt passiert. Zehn Meter vor seinem Hotel verlangen unzufriedene Angestellte die Gründung einer Gewerkschaft. Ike, eigentlich kein schlechter Mensch, kann das jetzt so gar nicht brauchen. Das Hotel steckt in finanziellen Schwierigkeiten und für den Jahreswechsel hat man Frank Sinatra geladen. Einzige schnelle Lösung: um Hilfe beim lokal ansässigen Mafiaboss Ben „The Butcher“ Diamond (Danny Huston) ansuchen. Seinem Namen gerecht werdend, löst der das Problem mit dem Streikführer.
Für Ike Evans beginnt eine Spirale, aus der er die nächsten 16 Folgen auszubrechen versucht. Das Hotel ist sein Baby, aber er muss immer wieder einen Pakt mit dem Teufel schließen. Ein moralisch einwandfreier Staatsanwalt (Matt Ross) und die eigene Familie machen ihm das Leben nicht leichter.
Ike Evans Söhne Stevie und Danny könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Stevie (Steven Strait) bei den Frauen nichts anbrennen lässt und sich seine ersten Sporen als Manager einer der Hotelbars verdient, studiert Danny (Christian Cooke) Rechtswissenschaften und hat ehrliche Absichten mit dem Zimmermädchen Mercedes. So unterschiedlich die Brüder sein mögen, sind sie beide doch gleich weit von ihrem Vater entfernt. Hitzkopf Stevie erkennt das notwendige Böse in Ben Diamond und kann sich nicht von ihm – und vor allem seiner Frau Lily (Jessica Marais) – fernhalten, während Danny jegliche halblegale Aktion seines Vaters ablehnt, um schließlich sogar den Sommerjob beim Staatsanwalt anzunehmen.
Querschüsse kommen auch von Ikes zweiter Gattin Vera (Olga Kurylenko), einer ehemaligen Nachtclubtänzerin aus Havanna, die in ihrer Rolle als Ehefrau voll aufgehen möchte. Sie kämpft nicht nur gegen den Geist ihrer Vorgängerin und für die Zuneigung der Stiefkinder, sondern auch mit der High Society der Stadt, die sie hinter ihrem Rücken als „Zigeunerin“ ablehnt. Und in den Hotelzimmern wird derweilen die kubanische Konterrevolution geplant.
The Beautiful People
Vermutlich hat man es hier mit dem schönsten (und explizitesten) Cast der Fernsehgeschichte zu tun. Kombiniert mit dem sonnigen Miami (inklusive entsprechendem Color Grading) und der hervorragenden zeitgenössischen Ausstattung ist das fast schon zu viel. Die Schauwerte lenken von dem ein oder anderen zu kantig gezeichneten Charakter, der ein oder anderen überflüssigen Nebenhandlung ab.
Da sind wir dann auch schon in der Ursachenforschung. Warum konnte sich der produzierende Sender Starz nicht zu einer Verlängerung über die zweite Staffel hinaus durchringen? Zum einen war die Serie unglaublich teuer, auch wenn man niemanden von Hollywoods A-List vor (oder hinter) der Kamera hatte. Mit „Spartacus“ hatte Starz schon eine kostspielige Serie und opferte neben „Magic City“ auch „Boss“. Womit dem Sender bis heute noch immer keine wirklich langlebige Serie zu Buche steht.
Weil Frauen mit oder ohne Bikini und Sex ohne Ende nach der zweiten Folge langweilig werden, beginnt man, sich dann doch für die Darsteller zu interessieren und kommt zu folgender Erkenntnis: Jeffrey Dean Morgan ist einfach kein Leading Man. Als George-Clooney-/Javier-Bardem-Lookalike reicht es einfach nicht, Don Draper im Zigarettenanzünden Konkurrenz machen zu wollen, ansonsten aber außer Charme wenig einzubringen.
Spannend ist das historische Setting. Wenn zur Stunde Kuba und die USA wieder gegenseitig Botschaften eröffnen, dann schadet es nicht, einen Blick auf den Anfang des Konflikts zu riskieren. Und auf die Gesellschaft von einflussreichen Exilkubanern, die nach der gescheiterten Aktion in der Schweinebucht die diplomatischen Beziehungen zur alten Heimat haben erkalten lassen.
Die jüdischen Gangster, die Miami in den 1950ern und 60ern kontrollierten, werden hier durch Danny Huston eher ins Lächerliche gezogen. Der glänzt leider wenig, nicht nur als grausamer und irrationaler „Butcher“, sondern auch als ziemlich perverser Macho bringt er immer eine Spur „zu viel“ aufs Tapet. Nicht nur einmal ertappt man sich beim Gedanken an die Glanzleistung des großen Lee Strasberg im zweiten „Paten“. Zur Ehrenrettung der Kosher Nostra eilt ausgerechnet „Sonny Corleone“ James Caan, der Mitte der zweiten Staffel das Oeuvre seiner mafiösen Rollen noch einmal erweitern darf.
Wer „Mad Men“, „Boardwalk Empire“ oder eben die „Der Pate“-Filmreihe mochte, wird auch an dieser Serie Gefallen finden, aber Handlung, Setting und Machart wiederkennen. „Magic City“ hatte wenig Zeit, seine eigene Identität zu entwickeln und muss sich deshalb diesem unfairen Vergleich stellen. Kann man sich aber trotzdem anschauen – so zwischendurch als Lückenfüller, wenn das Geld für den nächsten Miami-Urlaub nicht reicht.
„Magic City“
Starz, 2012-2013, 16 Folgen á 50 Minuten