„CopStories“-Kritik 2.04: „Jössas!“

Davids Tod ist für seine Mutter nicht zu verkraften. Quelle: ORF TVthek, Gebhardt Productions

Bevor im Winter Staffel 3 im Fernsehen anrollen soll, strahlt der ORF noch einmal die ersten beiden aus. In „Jössas!“ sitzt Altans Tod tief, dennoch ruft bei den meisten wieder die Arbeit. Neben den üblichen Fällen gibt es diesmal auch eine interne Ermittlung – bei der der Zusammenhalt des Teams auf die Bewährungsprobe gestellt wird…

Zunächst einmal ist es ein wenig enttäuschend, dass sich „CopStories“ nicht dazu entschloss, die gesamte Episode rund um das Thema Mortalität zu gestalten, sondern wie üblich die verschiedensten Handlungsstränge ohne wirkliche rote Schnur zu verfolgen. Altans Tod besitzt deshalb nicht ganz die Resonanz, die er haben hätte können – trotzdem ist “Jössas!” eine der besseren „CopStories“-Folgen. Vielleicht ist das aber auch ohnehin ein wenig viel verlangt, schafft die Folge es schließlich diesmal, den meisten ihrer Handlungsstränge äußerst treffende Höhepunkte zu verpassen.

Die Ausnahme ist hierbei wohl der JESUS LIVES-Strang, der zwar der kreativste Fall der Folge ist (“Sie stören hier ein künstlerisches Happening!”), allerdings unter einer recht lächerlichen widerspenstigen Antagonistin leidet. Haben denn weder Tina noch Sylvester Handschellen dabei? Auch das Wiedersehen von Vater und Sohn fiel dabei emotional flach – dafür wurde schlichtweg zu wenig Screentime investiert, und auch ist nicht wirklich ersichtlich, warum er diese Information der Polizei vorenthält. Aber, und das ist die Hauptsache: Das Zusammenspiel von Sylvester und Tina klappt tadellos. Dass sich Tina nicht eingestehen will, dass sie sich zu Sylvester hingezogen fühlt, zieht sich nun schon seit längerer Zeit durch, und auch hier kommt ihr Respekt für Sylvester – verlässlich, wenn es darauf ankommt – gut rüber. Schade aber, wie wenig der Fall mit Altans Tod zu tun hat.

Äußerst gut gefällt dafür Romans Fall, der ganz offensichtlich dafür konzipiert war, um ihn selbst von seiner Mutter zu emanzipieren. Das hätte sehr aufgesetzt wirken können, entsteht aber ausgesprochen organisch. Der Grund dafür hat einen Namen: Ulrike Beimpold alias Davids Mutter. Ich hebe ja selten schauspielerische Leistungen hervor (weil ich mich mehr für Dramaturgie interessiere), aber die große Emotionsbandbreite dieses Handlungsstrangs wird wirklich ausgezeichnet von der Darstellerin getragen. Der Fall besitzt aber auch genügend, großteils glaubwürdige Wendungen (die Attacke mit Staubsauger ist zugegebenermaßen eher absurderer Natur), die allesamt neue Emotionen anregen – mal trauert man um den Sohn, mal um die Mutter, mal um die Junkies, und mal verflucht man, wie grausam das Leben schlichtweg spielen kann. Nicht zuletzt sind bei diesem Fall auch die kleineren Details sehr gelungen – ich liebe zum Beispiel, wie die Junkies Davids Mutter zum Abschied ganz unironisch salutieren.

Gerade diese kleinen Details funktionieren hingegen bei Chantals Wiederauftauchen so gar nicht. Das Gesudere des Taxlers etwa wirkt denkbar aufgesetzt, größeres Manko ist aber die fehlende Atmosphäre bei der Hochzeit. Nicht nur, dass die Hochzeitsgäste so unmotiviert wirkten (vor allem beim Abmarsch), sie wussten auch nicht immer, was sie tun sollten (man beachte, wie beläppert etwa der Pfarrer und sein Gehilfe zurückbleiben). Die pathetische Liebesdeklaration von Matthias hilft auch nicht unbedingt: Das Pathos passt zur Figur, dennoch wirkte die ihm gegoltene Aufmerksamkeit bei einer Gangsterhochzeit schlicht unglaubwürdig (und der Text urfad). Da wirkt „CopStories“ einfach ein wenig unbemüht, obwohl das Resultat dieses Handlungsstranges ein spannendes ist: Die sichtlich gerührte Chantal zögert nicht, den Mafioso trotzdem zu heiraten, um Matthias wahrscheinlich das Leben zu retten. Wie sie aber damit davonkommen kann, als Braut ihre Liebe zu einem anderen offen zu deklarieren, bleibt mir schleierhaft.

Die interne Ermittlung

Strukturelles Highlight der Episode ist allerdings, wie sich die Untersuchung durch die interne Abteilung über mehrere Handlungsstränge ausstreckt und dabei sowohl direkt als auch indirekt den Tod von Altan aufgreift. Einerseits gibt es da natürlich bezüglich Efe, Dogan und Co. ein paar Ungereimtheiten, für die das Team keine allzu guten Erklärungen besitzt. Andererseits schweißt gerade Altans Ableben die Kollegen zusammen – unter anderen Umständen hätte Helga Eberts es wohl nicht durchgehen lassen, Beweismaterial vor der Dorfer von der Internen zu verstecken bzw. sie zu beleidigen (Eberts halt), so aber zog das gesamte Team am selben Strang, und niemand wollte ihr Eberts‘ Namen verraten.

Es gefällt mir sagenhaft gut, wenn „CopStories“ es schafft, seine parallelen Geschichten kollidieren zu lassen, zum Beispiel eben, indem die Dame von der Internen bei gleich mehreren Polizisten herumschnüffelt. In Florians Handlungsstrang rund um das Sorgerecht für seine Kinder ist sie ein exzellentes Vehikel, um ihm mitzuteilen, dass er wegen sexuellen Missbrauchs an seiner eigenen Tochter angezeigt wird, und an dem Florian daraufhin seine Wut auslassen kann. „CopStories“ neigt dazu, Wutausbrüche seitens der Polizisten ein wenig überzustrapazieren, hier liegt die Serie aber goldrichtig. Florian ist der mitunter Ruhigste aus der Riege, aus seinen Ausbrüchen kann die Serie das meiste Kapital schlagen. Nicht zuletzt funktionieren diese Szenen auch sehr gut, weil Frau Dorfer durch ihre gelassene, überlegte Art und ihre (unfreiwillig antagonistische) Position als interne Ermittlerin sehr gut zum Ensemble passt – eine der gelungeneren wiederkehrenden Figuren!

Und auch Andreas hat die interne Ermittlung am Hals – zumindest bald, laut der Aussage des Staatsanwaltes Hofmeister. Deren Unterredungen bleiben ja meist im selben Schema: gegenseitige Schuldzuweisungen, anschließende Drohungen und schließlich doch eine unproduktive Zusammenarbeit. Diese Szenen wiederholen sich langsam, aber ich verstehe, dass sie essentiell für diesen Handlungsstrang sind – insbesondere jetzt, wo Altan und Efe von der Bildfläche verschwunden sind.

Gerade aufgrund Leilas geheimer Beziehung zu Altan kurz vor dessen Ableben bleibt dessen Echo aber der Serie wohl noch eine Weile erhalten. Leila wird in dieser Episode bewusst nichts zu tun gegeben, außer in einer Szene an Altans Spind dem Verstorbenen nachzutrauern, indem sie in sein Hemd heult. Sie starrt auch allein aus dem Fenster im Café, und auch in der Montage zum Schluss ist sie allein im Bild – es hat schon seinen Grund, warum Leila in dieser Folge nicht zur Aufklärung eines Falles geschickt wird; stattdessen sehen wir sie in ihrer Isolation leiden. Alle trauern um Altan, aber Leila noch mehr als die anderen, nicht zuletzt deshalb, weil sie es keinem ihrer Kollegen mitteilen kann.

Quelle: CopStories DVD, Gebhardt Productions
Altans Andenken lebt weiter, auch wenn es von Dogan keine Spur gibt. Quelle: ORF TVthek, Gebhardt Productions

Crescendo

„CopStories“ beendet ja jede Episode mit einer Musikmontage. Ich persönlich bin ein großer Fan dieses Stilmittels, aber die Schlussmontage von “Jössas!” ist auch objektiv betrachtet schlichtweg fantastisch. Da stecken so unglaublich viele kleine, gut beobachtete Momente drin: Wie egal es Matthias ist, dass er sich von Lukas eine Standpredigt anhören darf; wie Roman seine Lehren aus dem Fall zieht; wie Florian eine Postkarte aus Spanien aus dem Postkasten zieht und sie genau bei dem Wort “loooooove” wendet, nur um ein großes, gezeichnetes Kinderherz zu sehen; wie Helga zwei Mal schauen muss, um im Blumen bringenden Mann ihren Ehemann zu sehen – ja, da beweist „CopStories, zu welch visueller Poesie die Serie, nicht zuletzt dank ihrer erzählerischen Komplexität, fähig ist. Bitte mehr davon.

“Jössas!” ist ein Paradebeispiel dafür, wie gut „CopStories“ darin ist, unterschiedliche Handlungsstränge zu verknüpfen, während gleichzeitig staffelüberspannende Bögen weiterentwickelt werden – und das alles, während auch noch ein paar Kriminalfälle gelöst werden. Ab und zu mögen Antagonisten oder Komparsen nicht ganz glaubhaft wirken, aber das ist schließlich nebensächlich: Um die Entwicklung der Hauptfiguren geht es, und die kriegt „CopStories“ hier nahezu perfekt hin.

Noch mehr Bla:

– Der Song/ Ohrwurm zur Schlussmontage: Scott Matthew – Love Will Tear Us Apart.

– Der Running Gag, dass sich die Kollegen häufig Aufträge einander zuschieben, ist immer wieder witzig, und dazu auch noch sehr gut eingebettet – in der Tat haben da alle Beamten gerade mit Fällen zu tun, die in dieser Episode stattfinden.

– Lukas’ Besucher aus seiner Vergangenheit: Na, viel wissen wir noch nicht über ihn. Aber toll, wie unglaublich viele unterschiedliche Handlungsstränge diese Serie parallel entwickelt, und hier scheint ebenfalls einer zu entstehen.

– Nur ein kleines Detail, das mir sehr gut gefällt: Der Staatsanwalt erklärt, wie er Andreas die interne Abteilung vom Leib halten kann, nämlich indem er die Berichte nicht termingerecht einreicht. Das wirkt dadurch gleich ungemein kompletter und glaubwürdiger.

– Lassen sich Polizisten eigentlich im echten Leben wirklich so viel von Menschen bieten? Ich selber habe öfter mit amerikanischen Polizisten zu tun gehabt als mit österreichischen, und die würden, denke ich, da deutlich weniger Geduld haben.

– “I hob jetzt nix vastondn!”, beklagt sich Matthias, weil zu diesem Zeitpunkt eine Bim vorbeifährt. Sowas ist ja sehr schwierig zu filmen, vor allem bei dem engen Drehplan von „CopStories“ (magere sechs Drehtage pro Folge). Daraufhin habe ich mir die Szene extra nochmal in der TVthek angesehen, und in der Tat musste man dafür ein wenig schummeln. Im Grunde ist das sogar ziemlich witzig, wenn man darauf achtet: Matthias schaut sich ständig um, wo die Bim ist, damit er genau rechtzeitig für die Zeile auf die Straße geht, nur um anschließend wieder auf den Gehsteig zu wechseln.

– „CopStories“ verwendet ja recht viel Popmusik. Gelegentlich sind die Songs wirklich ausgezeichnet ausgewählt (siehe Schlussmontage), aber manchmal stören sie auch mehr, als dass sie helfen, etwa bei der Hochzeit.

– “Des deppate Ehrenkreuz hätten se se a sporn können, etz wo a tot is.” Erst jetzt im Nachhinein fällt mir auf, wie dieser Satz später in der Folge einen neuen Kontext findet, als sie den vermeintlichen Erlöser vom Kreuz holen.

– Apropos neuer Kontext: Der Vorspann hat ja nun eine neue Form, in dem statt Fahrim eine kurze Laufszene inszeniert wird. Mir gefällt dabei wahnsinnig gut, wie Claudia Kottals und Serge Falcks Blicke eine gänzlich andere Bedeutung annehmen, nun, da sie nicht mehr Altan anblicken, sondern die Leere, die seine Figur hinterlässt.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in etwas anderer Form auf BlamayerTV.wordpress.com.

„CopStories“ Staffeln 1 und 2 werden seit dem 7. Juli jeden fußballfreien Dienstag um 21.05 Uhr auf ORFeins ausgestrahlt. Danach sind die Folgen jeweils für sieben Tage in der ORF-TVthek (auch weltweit) verfügbar. Beide Staffeln sind als DVD erhältlich.

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