„CopStories“-Kritik: 1.09 „Kopfschüssler“

Ausgerechnet Eberts soll Volkan verhören - das kann heiter werden. Foto: CopStories DVD, Gebhardt Productions

Bevor im Winter Staffel 3 im Fernsehen anrollen soll, strahlt der ORF zuvor noch einmal die ersten beiden aus. Vor dem Staffelfinale kommt es zum Showdown zwischen Volkan und Eberts, Florian wird vorübergehend vom Dienst suspendiert, und Matthias sucht nach einer vermeintlichen Leiche. Im Fall Dogan kommt es indes zu einer dramatischen Wendung…

Auch in „Kopfschüssler“ präsentiert „CopStories“ einen Handlungsstrang, der eine primär komödiantische Ausrichtung aufweist. Einen Drogenrausch in bewegten Bildern einzufangen ist unheimlich schwierig, weil die Erfahrungen eines Trips nicht in der Außenwelt repräsentierbar sind. Ganz unabhängig davon, ob die Darstellung realistisch ist, ist es in den ersten Szenen eher fad – da will der Humor nocht nicht recht überspringen. Noch dazu kommt, dass ich es der Serie nicht abkaufe, dass Roman 1 und 1 nicht zusammenzählen kann, als er den Schoko-Brownie erblickt. Sobald sich aber Paul Matic und Holger Schober vor Lachen nicht mehr einkriegen können, stecken sie einen damit unweigerlich an.

Reue und Glücklichsein

Ansonsten ist „Kopfschüssler“ allerdings eine der ernsteren Episoden der Serie und das nicht nur aufgrund des titelgebenden Verbrechens. Selbst Matthias‘ ansonsten heitere, wenn auch gelegentlich schlappschwänzige Beziehung mit Chantal endet auf melancholischer Note: Chantal wird heiraten, und es ist natürlich nicht Matthias. Ein reicher Kunde soll es sein, der ihr aber anscheinend trotzdem die Freiheit gönnt, ihre Freier weiterhin zu sehen. Chantal lässt uns nicht ganz durchblicken, was das genau zu bedeuten hat – das hebt sich „CopStories“ für einen späteren Zeitpunkt (das Staffelfinale?) auf. Stattdessen legt die Serie ihren Fokus auf Matthias‘ zerstörte Hoffnungen von einem gemeinsamen Leben mit Chantal – sie mögen von Beginn an naiv gewesen sein, trotzdem ist es nicht schön, ihn so auf den Boden der Realität zurückkrachen zu sehen. Auch wenn „CopStories“ in diesem Handlungsstrang gerne mal ein Schippchen zu viel Pathos aufgelegt hat, findet die Serie hier für ihn ein schönes, melancholisches Ende – falls es ein Ende ist.

Eigentlich kommt Chantal in „Kopfschüssler“ nur am Rande vor; untertags klärt Matthias den Fall des verschwundenen/verstorbenen Johann. Der Fall bleibt zuerst unspektakulär, bis wir sehen, dass Matthias Ellen Meisners fadenscheinige Geschichte durchschaut. Es ist immer schön, unsere Protagonisten ihre Kompetenzen beweisen zu sehen, und während sich Matthias da für gewöhnlich nicht mit Ruhm bekleckert, kann er hier zeigen, dass er doch nicht so naiv ist, wie man manchmal gerne glauben möchte. Seine Beschattung führt dann zu jener bewegenden, wunderschön inszenierten und instrumentalisierten Szene im Park.

Eine der schönsten Kompositionen der Serie. Quelle: CopStories DVD, Gebhardt Productions
Eine der schönsten Kompositionen der Serie; Foto: CopStories DVD, Gebhardt Productions

Manche der Dialogzeilen wirken da zwar hölzern, sprechen aber von einer nur zu einfach nachvollziehbaren Melancholie und Reue. „Das hätten wir schon vor Jahren tun sollen“, sagt Ellen Meisner zu ihrem verstorbenen Ehemann, ehe sie in Gegenwart von Matthias fürchterlich in Tränen ausbricht. Johann Meisner wird immer wieder einzeln ins Bild genommen, so als ob er jeden Moment wieder erwachen könnte – eine unsinnige Hoffnung, und doch spiegelt das genau das wieder, was in Ellen vorgehen muss. Doch leider gibt es keine märchenhafte gute Lösung. Alles, was für Matthias zu tun bleibt, ist Empathie zu zeigen – und dafür könnte sich Ellen keinen besseren Polizisten wünschen.

Genauso hilflos wie Ellen dem Tod gegenübersitzt, muss Matthias diese Geschichte betrachten – ein Paar, das sich eine wunderbare Zeit in ihrer Pension erhofft und das dafür scheinbar hart gearbeitet hat, nur um nun durch einen Wink des Schicksals dieses gemeinsamen Lebensabends beraubt zu werden.  In gewisser Weise ist dieser Handlungsstrang das Echo von der Geschichte rund um den verstorbenen Sohn des Herrn Vogelsang aus „Oida?“, in der die Polizisten ebenfalls bloß stille Zeugen sein konnten. Nur im entferntesten Sinne geht es bei diesem Fall um die Zukunft von Matthias und Chantal – und trotzdem schleicht sich das Gefühl ein, dass Matthias‘ Wunsch, derjenige zu sein, den Chantal heiraten wird, damit zu tun hat, es nicht wie Ellen Meisner zum Schluss zu bereuen, sich sein Glück nicht gesucht und genommen zu haben.

Eberts‘ Triumph

Eberts‘ Herzdame Michaelis kommt in dieser Folge, nach dem Brandanschlag wohl aufgrund eines Aufenthalts im Krankenhaus, nicht vor; trotzdem findet der Fall Volkan ein Ende, nachdem dieser von Eberts überführt wird. Einerseits ist es ein abgenütztes Klischee, die Verbrecher dermaßen zu provozieren, bis diese aus freien Stücken ihre Taten gestehen – andererseits passt es sehr gut zu diesem bereits etablierten Charakter. Noch besser sitzt aber, wie Eberts‘ Provokationstaktik die Retourkutsche für Volkans Spuckattacke aus der Vorwoche ist. Natürlich fehlt Volkan die Selbstdisziplin, und so lässt er sich von seinen eigenen Waffen schlagen.

Auch wenn es schlussendlich gar nicht so schwierig wirkte, Volkan hinter Ginter zu bringen, ist es eine rundum gelungene Geschichte, die „CopStories“ da konstruiert hat, voller kleiner Momente, die die Figuren ganz natürlich aneinandergeraten lassen. Wie Bergfeld in so gut wie jeder Folge gleich in mehreren Handlungssträngen integriert ist, ist schon immer sehr gelungen, aber gerade wie er hier als Vermittlungsperson zwischen Selma und Eberts agiert, hin- und hergerissen zwischen Selma und seinem Team respektive Selma und seiner Frau, das ist schon beachtenswert. Aber auch wie Eberts einen Balanceakt zwischen Rassismus und Pragmatismus vollführen muss, etwa bei der Verhaftung oder dem Verhör von Volkan, mit Dr. Michaelis halb als Rassismustherapeutin und halb als verletztem Opfer, ist sehenswert – mit Sicherheit darf man diesen Handlungsstrang als Vorzeigemodell für weitere Staffeln bezeichnen.

Charaktertreue

Wenn man „Kopfschüssler“ etwas ankreiden kann, dann ist es, dass sich gleich mehrere Figuren scheinbar uncharakteristisch benehmen. Romans Naivität wurde bereits zu Beginn angesprochen – die war zwar schon immer vorhanden, grenzt in dieser Folge aber schon an Dümmlichkeit. Ebenso verwundert Florian in dieser Folge: Wir wissen zwar, dass er schnell einmal die Nerven verliert, wenn es zu einer Ungerechtigkeit kommt, aber auch wenn er hier gleich Opfer von zwei solcher Ungerechtigkeiten wird – zuerst wird er fälschlicherweise beschuldigt, einen Unfall verursacht zu haben, nur um später von seiner Frau um das Recht betrogen zu werden, mit seiner Tochter zu sprechen – ist es doch ein großer Schritt, seinen Dienst aufzugeben.

Noch dazu, wenn es so offensichtlich ist, dass er keinerlei Schuld am Unfall des Motorradfahrers trägt. Und auch seine Entscheidung, sein Handy in den Mülleimer zu werfen, schlägt in dieselbe Kerbe – seine Wut ist nicht stark genug motiviert, um der Figur das abzukaufen. Staffel 1 wurde zwar zu einer Zeit gedreht, in der Smartphones noch nicht so allgegenwärtig sind wie heute, aber auch vor fünf Jahren hat man nicht so einfach mir-nichts-dir-nichts sein klingelndes Handy weggeworfen, so cool und stimmungsvoll die Musik das auch untermalen mag.

Drittens sei noch der große Überraschungsmoment der Folge erwähnt, Dogans Kopfschüssler, der seine Wirkung nicht verfehlt. Besonders gelungen ist es, wie Dogan den Vorfall dazu nützt, um Altans reflexive Loyalität zu prüfen – einen Test, den Altan nicht besteht, weshalb er prompt von Hamit niedergeschlagen wird. Innerhalb nur weniger Sekunden führt „CopStories“ diesen Handlungsstrang dramatisch in eine neue Richtung: Plötzlich ist der Fall akuter denn je zuvor und das nicht nur, weil Altan vermutlich in Lebensgefahr schwebt. Der Mord an Susanne vermittelt uns eindrücklich, wie gefährlich Dogan in Wahrheit ist – nachdem er Altan so schnell wieder in die Familie aufgenommen hatte, wäre das beinahe in Vergessenheit geraten.

Die Frage ist bloß, warum Dogan das überhaupt tut. Bislang machte er nicht den Eindruck, ein Psychopath zu sein, und als Kopf eines gigantischen Drogenrings muss er ja einen kühlen Kopf besitzen. Andererseits liefert ihm Susanne nicht wirklich einen Grund für den Mord: Sie mag Drogen nehmen und mit Altan rumflirten, aber warum diese beiden Fakten ein Todesurteil für das Mädchen aussprechen sollen, bleibt offen. Es wirkt ein wenig, als ob Susanne eine tragende Rolle in diesem Handlungsstrang spielen sollte, bis den Autoren bewusst wurde, dass der Staffel-Showdown ja schon in der nächsten Folge ist – und so wurde eine wiederkehrende Rolle im Nachhinein auf eine magere, zwei Folgen dauernde Gastrolle gekürzt.

Nach dem ersten kurzen Schrecken lachen alle noch kurz... Quelle: CopStories DVD, Gebhardt Productions
Nach dem ersten kurzen Schrecken lachen alle noch kurz… Foto: CopStories DVD, Gebhardt Productions

Das ist insofern schade, als dass es schwierig ist, dem Mädchen nachzutrauern – wir kannten sie ja kaum. Außerdem fällt es schwer, Dogans Motivation nachzuvollziehen: ein so kaltblütiger, offenkundiger Mord im eigenen Café ist keine Kleinigkeit, während seine Motive im Dunkeln bleiben. Vielleicht legt da ja das Staffelfinale noch nach. Andererseits glückt der Überraschungsmoment umso besser, weil „CopStories“ da unsere dramaturgische Erwartungshaltung ausspielt. In jedem Fall ist das aber ein Cliffhanger, der sofort Lust auf mehr macht – leider müssen wir uns im öffentlichen Fernsehen noch eine Woche gedulden.

„CopStories“ Staffeln 1 und 2 werden seit dem 7. Juli jeden fußballfreien Dienstag um 21.05 Uhr auf ORFeins ausgestrahlt. Danach sind die Folgen jeweils für sieben Tage in der ORF-TVthek (auch weltweit) verfügbar. Beide Staffeln sind als DVD erhältlich.

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