Der tote Papa kommt per Post: arte startet die zweite Staffel von „Real Humans“

Die zweite Staffel der schwedischen Science-Fiction-Serie spinnt die Geschichten der zahlreichen Figuren fort und erweitert auf eindrucksvolle Weise das dahinter stehende Gesellschaftspanorama. Die zehn neuen Folgen laufen ab Donnerstag auf arte.

Zwischen freudigem Erwarten und Befürchtungen: Familie Engman startet den geklonten Lennart (Sten Elfström); Fotos: ARTE France / © Johan Paulin

Ein gefährlicher Virus, eine Jugendbewegung von Roboteranhängern, ein geklonter Großvater und der Kampf der Androiden für ihre gesellschaftliche Emanzipation – ganz schön viel, was sich die Autoren des schwedischen Fernsehens für die zweite Staffel ihrer Serie vorgenommen haben. Im Februar 2013 startete in Deutschland das Sci-Fi-Drama auf arte, das eher in der Tradition eines Philip K. Dick steht als in der gängiger Genre-TV-Serien. Präsentiert wird ein Schweden, das sich nur unwesentlich von dem realen der Gegenwart unterscheidet. Wesentliche Abweichung von dem Land, wie wir es heute kennen, ist lediglich, dass die Menschen dort Androiden entwickelt haben, die als Alltagshelfer und für andere Bedürfnisse eingesetzt werden: die sogenannten Hubots. Ob als Haushaltskraft, Kinderbetreuung, Fabrikarbeiter oder Sexsklave – die menschenähnlichen Roboter sind quasi allgegenwärtig. Die erste Staffel führte zum einen die Durchschnittsfamilie Engman ein, deren Leben sich durch die Anschaffung zweier Haushaltsandroiden schleichend, aber heftig veränderte, und verfolgte zum anderen die Suche einer Gruppe autonomer Hubots nach Freiheit und Selbstbestimmung – in Form eines Programmcodes ihres Entwicklers David Eischer.

Die Fortsetzung knüpft ein halbes Jahr nach den Ereignissen des Staffelfinales daran an, was sich auch am veränderten jahreszeitlichen Straßenbild zeigt; Schwedens Städte sind nun mit Schnee bedeckt. Während einige Handlungsstränge direkt wieder aufgegriffen werden – die Suche des Androiden Bea (Marie Robertson) nach dem Code, die Integration Mimis (Lisette Pagler) in die Familie Engman -, führen die Autoren gleichzeitig eine ganze Reihe neuer Topoi und Fragestellungen ein. Das beginnt mit einem eher traditionellen Plot Device wie einem potentiell tödlichen Virus, der sich plötzlich unter den Hubots ausbreitet, schreckt aber auch vor wesentlich gewagteren Entwicklungen nicht zurück. Da ist zum Beispiel ein großes Paket, das den Engmans eines Tages unerwartet geliefert wird und das Lennart (Sten Elfström), den verstorbenen Vater von Inger (Pia Halvorsen), enthält. Oder jedenfalls einen Hubot, der wie dieser aussieht und mit dessen Erinnerungen und Persönlichkeitsprofil programmiert wurde. Aber wer will schon mit dem „Klon“ seines toten Vaters zusammenleben?

Blitzableiter für Agressionen: Im „Hub Battle Land“ kann man zum Spaß auf Hubots schießen

Unterdessen verschärft sich die gesellschaftliche Spaltung zwischen fanatischen Hubot-Anhängern und noch fanatischeren Hubot-Gegnern. Während sich überwiegend junge Leute selbst als Androiden verkleiden und Partys mit Schmierflüssigkeit statt Cocktails feiern (die „Transhumanen“), radikalisiert sich die Anti-Hubot-Partei der „Echten Menschen“ und vor allem deren Jugendbewegung zunehmend. Parallelen zu derzeitigen fremdenfeindlichen Parteien in Europa sind offensichtlich, wobei die Mitglieder des Jugendverbands sich eher im Stil früher Skinheads kleiden (Holzfällerhemden und Hosenträger). Am visionärsten und philosophischsten wird die Serie aber da, wo einzelne Hubots für sich gesellschaftliche Rollen und Rechte reklamieren, die die Unterscheidung zu den Menschen endgültig obsolet machen würden: Die ehemalige Haushaltshilfe Mimi versucht sich als juristische Mitarbeiterin in Ingers Anwaltskanzlei und Florentine (Josephine Alhanko) will sogar (einen Menschen) heiraten und mit ihm Kinder adoptieren. Ihr Auserwählter Douglas ist nicht der Einzige, der sich nach ihrem Kennenlernen die Frage stellen muss, was einen Menschen eigentlich ausmacht: das Fleisch und Blut oder nicht vielleicht doch eher das Bewusstsein, sagen zu können: „Ich bin ein Individuum“?

Auf welcher Seite stehst du?

Klar, neu ist das alles natürlich nicht. Ähnliche Fragen wurden schon in Science-Fiction-Geschichten von „Blade Runner“ bis „Battlestar Galactica“ durchdekliniert. Innovativ ist lediglich, wie das hier einmal in einem gänzlich unamerikanischen Setting geschieht und in einer Welt, die sich sonst nicht von unserer Gegenwart unterscheidet. Keine Raumschiffe und keine Ansprachen über brennende Sternentore können von der Brisanz der behandelten Fragen ablenken. Und wer bemerkt, wie hingezogen sich die Menschen schon heute zu ihren technischen Geräten und deren Möglichkeiten fühlen, wird den Gedanken, dass sich, wo es menschenähnliche Androiden gibt, auch immer jemand finden wird, der sich in einen verliebt, kein bisschen abwegig finden. Das gleiche Thema, nur auf andere Weise, behandelte auch Spike Jonze gerade in seinem Drehbuch zu „Her“.

Geschrieben wurden die acht neuen Folgen komplett von nur zwei Autoren, Lars Lundström und Alex Haridi. Die haben viel von US-amerikanischen Vorbildern gelernt und trauen sich, statt sich auf eine Handvoll Hauptfiguren zu konzentrieren, das ganz große Gesellschaftpanorama zu zeichnen (wenn auch verdichtet in einer einzigen, nach wie vor namenlosen schwedischen Stadt). Die Familie, die Politik, Kanzleien und Fabriken und Freizeiteinrichtungen – die technologischen Entwicklungen betreffen alle Bereiche. Nicht nur jede einzelne menschliche Figur wird sich früher oder später entscheiden müssen, auf welcher Seite sie steht, sondern auch jeder Zuschauer. Erzählt wird das alles zwar mit teils verwirrend vielen parallelen Handlungen, aber ganz unaufgeregt. Und auch wenn dieser Stil manchmal die komplette emotionale Involvierung verhindert, ist doch bemerkenswert, auf welchem internationalen Niveau die Schweden hier erzählen – wohlgemerkt: im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Jeweils zwei Folgen ab dem 15. Mai donnerstags ab 21 Uhr 45 auf arte.

One comment

  1. Hoffentlich werden noch einige staffeln abgedreht.

    Solltet ihr euch echt msl angucken. Ich liebe diese Serie♥♡♥♡♥♡

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