Was Webserien auch können: Themen und Figuren abseits des Mainstreams zu Helden machen. Nein, keine Superhelden wie die X-Men, sondern Charaktere, die ihren Alltag meistern, obwohl er von dem der Durchschnittsmenschen abweicht – wie bei einer Schauspielerin, die im Rollstuhl sitzt. Kein Grund zur Aufregung, keine Standing Ovations nötig: Hier kommt „My Gimpy Life“.
Von Jens Mayer
Teal Sherer ist eine blonde Schauspielerin, die versucht, sich in Hollywood durchzuschlagen, dem Ort im Filmgeschäft, an dem die Kluft zwischen Versagern und Weltstars vielleicht am kleinsten ist – ganz sicher aber auch am tiefsten. Dass ein solches Setting genügend komischen Stoff bereithält, um eine Serie über mehrere Staffeln zu tragen, haben „Curb Your Enthusiasm“, „Entourage“ und „Episodes“ bereits bewiesen. „My Gimpy Life“ erzählt die schon oft gehörte Geschichte der aufstrebenden, jungen Schauspielerin allerdings aus einer völlig neuen Perspektive, denn Teal sitzt im Rollstuhl.
Dass die Webserie dabei keinerlei Interesse daran hat, die Protagonistin als bemitleidenswertes Opfer ihres Schicksals darzustellen, beweist schon der selbstironische Titel (zu Deutsch: „Mein verkrüppeltes Leben“). Stattdessen erzählen die fünf- bis zehnminütigen Episoden vom Alltag Teals, der eben nicht nur durch unfähige Agenten, peinliche Castings und fiese Konkurrentinnen bestimmt, sondern auch von unüberwindbaren Treppen, überfüllten Bars und Restaurants, heuchlerischen Sympathiebekundungen oder schamlos-neugierigen Fragen zu ihrem Sexleben erschwert wird. Dass es die besonders peinlichen Momente sind, in denen sich die sogenannten „Normalen“ zu Witzfiguren machen, sei es durch Ignoranz oder besonders unangebrachte Behutsamkeit, kostet „My Gimpy Life“ ergötzlich aus und entwickelt dadurch im Laufe der bislang vorliegenden zwei Staffeln seinen besonderen Humor und seine Stärke.
Basierend auf eigenen Erfahrungen
Die 33-jährige Sherer, die aufgrund eines Autounfalls seit ihrem vierzehnten Lebensjahr im Rollstuhl sitzt, trat erstmals durch ihr Mitwirken in der erfolgreichen Webserie „The Guild“ öffentlich in Erscheinung, und entwickelte daraufhin 2011, zusammen mit Autor Gabe Uhr, das Konzept zu „My Gimpy Life“, das auf ihren eigenen Erfahrungen als Schauspielerin in Hollywood basiert. In den einzelnen Folgen kann sie dabei nicht nur mit einem bunten Cast aus ehemaligen „Guild“-Kolleginnen (Felicia Day, Amy Okuda, Marissa Cuevas, Jennifer Ramirez) aufwarten, sondern präsentiert mit Brent Bradshaw als verschrobenem Mitbewohner und Teale (mit e!) Sperling als kleinwüchsiger Konkurrentin auch neue Darsteller, die im Laufe der insgesamt neun Episoden zu liebenswerten Co-Stars gedeihen.
Mit Hilfe einer rasch gewachsenen Anhängerschaft gelang es Sherer 2013, mit einer Crowdfunding-Kampagne eine zweite Staffel mit diesmal nur vier neuen – dafür aber doppelt so langen – Folgen zu realisieren. Hier zeigt sie, welches Potenzial in der Serie steckt, weil sie sich stärker auf die Weiterentwicklung von Story und Figuren konzentriert statt auf exemplarische Situationen. Nach der Vorarbeit von „The Guild“ beweist auch „My Gimpy Life“, dass sich Webserien durchaus zu ernstzunehmenden Alternativen zu TV-Formaten entwickeln können, wenn sie Themen und Figuren in den Mittelpunkt stellen, die Produzenten und Senderverantwortliche wohl viel zu schnell als mainstreamuntauglich brandmarken würden – selbst für den Nischenmarkt der Pay-TV-Kanäle. Dennoch wäre es durchaus wünschenswert, dass das Resultat und die positiven Reaktionen auf „My Gimpy Life“ auch bei denen für ein Umdenken sorgen könnten, denn eine auf 25 Minuten pro Folge ausgedehnte Comedyserie mit der sympathisch-nonchalanten Hauptdarstellerin Teal und ihren ungewöhnlichen und gewöhnlichen Freunden aus dem Showbusiness würde das überwiegend konventionelle Comedy-Programm vieler Sender garantiert enorm aufwerten.