Als das ZDF 2014 ankündigte, sich an einem „deutschen Breaking Bad“ versuchen zu wollen, gab es an höhnischen Reaktionen in den Medien keinen Mangel. Nach mehreren Verschiebungen ist die Miniserie „Morgen hör ich auf“ jetzt endlich da – und das Ergebnis ist überraschend positiv.
Die Anfangsszenen scheinen noch alle Befürchtungen zu bestätigen, die Mainzer hätten doch nur ein billig abgekupfertes Plagiat in Auftrag gegeben: Zu offensichtlich werden die Flash-Forwards des „Breaking Bad“-Piloten zitiert, nur um einige Fallhöhen tiefergelegt. Statt Walter White in der Unterhose, mit Knarre in der Wüste auf seine Verfolger wartend, sehen wir Bastian Pastewka vor jemandem weglaufen, nachdem ein (falscher) Fuffziger unter der Wasseroberfläche herumgeschwommen und ein Sprengsatz explodiert ist. Dieses Stilmittel der sich wiederholenden Vorausblicke, auf das, was am Ende (der Staffel) mit dem Protagonisten geschehen wird (und das ich schon beim Original nervig fand), setzt die Serie in den nächsten Folgen regelmäßig ein. Ebenso wie das Bild des sich ständig im Laufrad abrackernden Hamsters der jüngsten Tochter (Anspielung für Perry-Rhodan-Fans: Das Tier heißt Gucky), eine etwas platte Metapher für den Alltag des „Helden“.
Der heißt hier Jochen Lehmann, hat von seinem Schwiegervater eine Druckerei übernommen, die kurz vor dem Konkurs steht, und auch familiär läuft es nicht gerade rund: Seine Ehefrau Julia (Susanne Wolff), eine ehemalige Schönheitskönigin, treibt es mit einem Imbissbudenbesitzer (was Jochen allerdings nicht weiß), der Sohn fährt betrunken auf dem Moped in die Luxuskarre eines Rentners und selbst die jüngste Tochter spielt in der Grundschule mit einer Mitschülerin Abu Ghraib nach. Als die Schulden überhand nehmen und die Verlängerung des Bankkredits scheitert, kommt Jochen die rettende Idee: Er probiert nachts, alleine einen gefälschten 50-Euro-Schein zu drucken. Das Ergebnis fällt überzeugend aus und so bleibt die gezinkte Banknote nicht die einzige…
Die halbe Besetzung stammt aus Österreich
Gut, das Konzept ist zu 90 Prozent geklaut, da kann das ZDF behaupten, was es will. Aber schlecht ist diese inoffizielle Adaption wirklich nicht ausgefallen. Zunächst einmal überrascht Bastian Pastewka, den man bisher zwar für einen sympathischen Menschen und witzigen Comedian halten konnte, aber nicht zwingend auch für einen guten Schauspieler. Er kommt in der Hauptrolle nicht nur sympathisch rüber, sondern schafft es durchaus, dass man mit dieser vom Pech verfolgten Figur mitleidet. Auch Susanne Wolff überzeugt als enttäuschte Frau an seiner Seite, ebenso wie die Kinderdarsteller. Die Qualitäten österreichischer Schauspieler haben sich inzwischen auch bis zum ZDF herumgesprochen, so sehen wir in den Nebenrollen gleich mehrere renommierte Darsteller aus dem Nachbarland: Georg Friedrich ist als Gangster und Sexshop-Inhaber Damir Decker gespenstisch wie immer (unter anderem bei Ulrich Seidl). Die ebenfalls aus Österreich kommenden Cornelius Obonya und Simon Schwarz tauchen erst in späteren Folgen auf.
Loben muss man grundsätzlich auch die Drehbücher von Martin Eigler, Sönke Lars Neuwöhner und Sven S. Poser. Es ist nicht leicht, eine fremde Serienidee so zu bearbeiten, dass sie spannend bleibt und halbwegs authentisch wirkt. Den Amerikanern ist das mit „The Bridge“ gelungen, den Österreichern mit „CopStories“ – und nun tatsächlich auch den Deutschen. Natürlich ist hier alles etwas provinzieller als in New Mexiko (obwohl Albuquerque schon nicht gerade eine Metropole ist). Es ist auch sicher kein Zufall, dass „Morgen hör ich auf“ in der Kleinstadt Bad Nauheim spielt und damit in genau jenem Rhein-Main-Gebiet, in dem auch das ZDF beheimatet und das außerhalb Frankfurts oft genauso kleinbürgerlich-spießig ist wie der Sender selbst. Die Geschichte vom Normalbürger und Familienvater, der sich aus Verzweiflung über seinen drohenden Existenzverlust zu einer Verzweiflungstat aufrafft, wird aber stimmig erzählt und zwar durchaus so, dass man als Zuschauer emotional involviert wird. Positiv fallen zudem eingestreute gesellschaftliche Seitenhiebe auf, etwa auf zu Geld gekommene Alt-68er, die sich beim Whiskey an ihre Straßenschlachten an der Seite von Joschka Fischer erinnern und immer noch Che Guevara an der Wand ihres schmucken Eigenheims hängen haben.
Moloch am Main
Martin Eigler hat sich auch bei der Inszenierung (er führte bei allen fünf Folgen Regie) von internationalen Vorbildern inspirieren lassen. Mit Zeitlupen, Zeitraffern und gesplittetem Bildschirm hebt sich das wohltuend von der üblichen deutschen Serienkost ab. Zudem versteht es Eigler, die Mainmetropole Frankfurt so ins Bild zu setzen, dass sie fast wie ein amerikanischer Moloch wirkt.
Der Serie gelingt also durchaus zu unterhalten und einen mit den Cliffhangern am Ende jeder Folge bei der Stange zu halten. Wirklich vorwerfen kann man den Machern (oder besser dem auftraggebenden Sender) nur eines: den mangelnden Mut, etwas originär Eigenes zu entwickeln. Ich weigere mich zu glauben, dass Eigler und seinen Koautoren nichts wahrhaft Originelles eingefallen wäre. Mit diesen Talenten vor und hinter der Kamera hätte dann eine Serie entstehen können, die wirklich keinen Vergleich mit amerikanischen Vorbildern nötig gehabt hätte. So, wie es jetzt gelaufen ist, sind diese aber unvermeidbar (und können letztlich nicht gewonnen werden). Insofern ist dieser Versuch leider doch ein wenig eine vertane Chance – völlig unnötigerweise. Bitte beim nächsten Mal dann etwas mehr Zutrauen in die Fähigkeiten der eigenen Leute zeigen, liebes ZDF, dann könnte das echt noch was werden mit dem internationalen Serienniveau.
Die fünf Folgen laufen ab heute samstags um 21 Uhr 45 im ZDF (Wiederholung sonntags zur gleichen Zeit auf ZDFneo). Dieser Text erschien zuerst auf wunschliste.de.