„Ich habe das Gefühl, wir leben heute auch in einer ‚Neuen Zeit'“: August Diehl und Abel Ferrara in Köln

August Diehl
Zurückhaltender Schauspieler: August Diehl (r.) im Gespräch; Fotos: kir

Zum Abschluss des Film Festival Cologne luden die Veranstalter zu den traditionellen Künstlergesprächen ins Wallraff-Richartz–Museum. Ein zurückhaltender August Diehl und ein exzentrischer Abel Ferrara standen Rede und Antwort.

August Diehl hat sich nach der Hauptrolle des Walter Gropius in der neulich ausgestrahlten ZDF/arte-Serie „Die Neue Zeit“ erst einmal eine längere Arbeitspause gegönnt. Als er die Rolle angeboten bekam, sei er zunächst misstrauisch gewesen: „Serie war für mich schon das erste Alarmwort und dann habe ich mich beim Thema Bauhaus gefragt, was der Regisseur und Autor Lars Kraume denn dazu erzählen will.“ Das Drehbuch habe ihn dann aber schnell überzeugt, die Geschichte sei ihm bei solchen Projekten wichtiger als die jeweilige Rolle einer historischen Figur. „Das Gefühl beim ersten Lesen eines Drehbuchs ist oft das Gleiche wie später beim Sehen des fertigen Films.“

Vier Stunden in der Maske

Kritisch stand Diehl anfangs auch der Idee gegenüber, auch den gealterten Gropius mit einer entsprechenden Maske zu spielen. Nicht nur, weil das bedeutete, jeden Morgen vier Stunden in der Maske zu verbringen. „Ich kenne eigentlich keinen Film, wo so eine Maske funktioniert. Deshalb dachte ich, warum nehmen sie dafür nicht einfach einen älteren Schauspieler.“ Bei historischen Stoffen – Diehl spielte unter anderem auch bereits den jungen Karl Marx – sei es aber ohnehin nicht die Aufgabe eines Schauspielers, dem realen Menschen besonders zu ähneln. „Früher habe ich gedacht, man muss sich für jede neue Rolle auch innerlich komplett verwandeln. Heute denke ich eher, es geht darum, die eigene Persönlichkeit einzubringen.“ Das Interessanteste an der Bauhaus-Serie sind aus Diehls Sicht die gesellschaftlichen Parallelen zur Gegenwart: „Ich habe das Gefühl, dass wir heute auch in einer ‚Neuen Zeit‘ mit vielen Entwicklungen leben.“

Befragt zur Zusammenarbeit mit eventuell weniger begabten Kollegen, sagte Diehl, früher habe er am Set oft schnell gesagt, wenn es nicht so gut lief. Heute mache er das nicht mehr, aber ein Schauspieler könne immer nur so gut sein wie seine jeweiligen Kollegen. Insgesamt zeigte sich Diehl in Köln als sehr bescheidener und fast introvertierter Schauspieler.

Skurriler Auftritt: Abel Ferrara (r.) mit Moderator Daniel Kothenschulte (l.) und Film-Festival-Cologne-Vertreter

Ganz anders als Abel Ferrara. Der italo-amerikanische Kultregisseur, der erzählte, gerade Italienisch zu lernen, dabei aber eher sein Englisch zu verlernen, legte einen höchst skurrilen Auftritt hin. Mit Moderator Daniel Kothenschulte von der Frankfurter Rundschau vor der Bühne stehend und herumlaufend, hatte er offenkundig wenig Lust, dessen Fragen zu beantworten. Stattdessen ermutigte er die zahlreichen Filmstundenten im Publikum, selbst Fragen zu stellen oder über ihre eigenen Motivationen für die Berufswahl zu sprechen.

Was deutlich wurde, ist Ferraras große Liebe zum Kino. „Als Filmstudent habe ich an einem Tag im Kino Scorseses „Mean Streets“ und Bertoluccis „Der Konformist“ gesehen. Danach merkte ich, dass ich gar nicht so genial war, wie ich vorher dachte.“ Heute sei die Filmkultur eine ganz andere. Er habe zwar kein Problem damit, wenn Menschen seine Filme auf dem Handy ansehen. Die Interaktion, die sich ergebe, wenn man einen Film mit Anderen zusammen im Kino sehe, sei aber nicht zu ersetzen. „Die Faszination von Filmen, der Grund, warum alle sich in Schauspieler verlieben, ist, dass Kino ein Fenster zur Seele ist.“ Nur im Kino könne man sich ganz mit einer Figur identifizieren. Über seinen neuen autobiografisch geprägten Film „Tommaso“, in dem sein langjähriger Kollaborateur Willem Dafoe einen Regisseur spielt, der versucht, eine Krise zu überwinden, sagte Ferrara: „Wenn ich den Film sehe, sehe ich nicht mich oder Dafoe, sondern die Figur.“ Ebenso sei es etwa bei Western: „Ich kann nicht reiten, aber wenn ich Redford auf der Leinwand sehe, denke ich, ich könnte es.“

Auf keinen Fall zurück nach Hollywood

Über seine eigene wechselhafte Karriere als Regisseur: „Was immer du beim letzten Film gelernt hast, kannst du beim nächsten nicht mehr gebrauchen.“ Nicht zurück will Ferrara, der den überwiegenden Teil seiner in den 1970er Jahren begonnenen Karriere als Independent-Regisseur aktiv war, nach Hollywood. Nach dem Erfolg seiner Filme „King of New York“ und „Bad Lieutenant“ drehte er Anfang der 1990er Jahre für Warner Bros. den Blockbuster „Body Snatchers“, die dritte Adaption eines SF-Romans von Jack Finney. Das war trotz des üppigen Honorars von 500.000 US-Dollar eine abschreckende Erfahrung: „Für ein Hollywood-Studio zu arbeiten, sucks.“ Jeder rede einem rein und der Film hätte nichts mehr mit der Romanvorlage zu tun gehabt, die er liebt. Bei der gewaltigen Produktionsmaschinerie wäre es im Grunde gar nicht aufgefallen, wenn er zuhause geblieben wäre. Da bleibe er lieber im Independent-Bereich, wo er seine Fähigkeiten besser einbringen könne. „Als Regisseur muss man in der Lage sein, seine Visionen auch umzusetzen.“

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