Die Medientage in München sind immer auch das Trendbarometer des aktuellen und zukünftigen Mediengeschehens. 2016 standen sie deshalb zu Recht unter dem Motto „Mobile & Me – Wie das Ich die Medien steuert.“ Fortsetzung.tv hat am Eröffnungstag zwei Panels zum Thema TV besucht.
Im German Entertainment Media Outlook ging es vor allem um die Bedeutung und Zukunft von Online Video. Beim Panel Over the Top or Down to Earth wurde gefragt, ob TV-Streaming eine Alternative zu Kabel-/Sat-/terrestrischem Fernsehempfang sein kann.
Die Zahlen und Fakten sind eindeutig: Streaming und Online-Videos boomen. Und es ist kein Ende in Sicht. War Fortsetzung.tv letztes Jahr noch überrascht, wie gelassen manche deutsche Medienvertreter sich angesichts der aufziehenden neuen Machtverhältnisse im Markt gaben, scheint man hier und da doch etwas unruhiger zu werden und beginnt gegenzusteuern.
Die große Hoffnung bei den deutschen Medienunternehmen liegt dabei weiterhin beim typischen deutschen Fernsehpublikum. Denn der (durchschnittliche) deutsche Zuschauer, egal ob im Free-TV, Pay-TV oder bei Streamingdiensten, mag weiterhin auf deutschsprachige Inhalte nicht verzichten. Auch kuratierte und für den Zuschauer verständlich, übersichtlich und leicht findbar aufbereitete Inhalte oder Themenspecials sind weiter wichtig und sehr erfolgreich. Sagten jeweils unisono Maxdome-Chef Marvin Lange und Sky-Manager Peter Schulz. Bei Maxdome hat man nach dem Tod von Götz George schnell reagiert und alte Schimanski-“Tatorte“ und George-Filme aus dem Archiv geholt und damit erfolgreich seine Kunden erreicht. Sky ist stolz auf seine erfolgreichen Programmpakete, wie den James-Bond-Kanal, wo bis auf den aktuellsten alle jemals produzierten Bond-Filme in Dauerschleife gezeigt wurden. Oder die Aktion vor kurzem, wo man alle „Star Wars“-Filme noch einmal separat auf einem Kanal gebündelt hat. Auch dieses Programmpaket war nach Angaben von Peter Schulz sehr erfolgreich. Man würde jetzt natürlich gerne wissen, wie sich so ein Erfolg bemisst. Aber konkrete Zahlenbeispiele geben Sky und Maxdome bei so einer Veranstaltung nicht heraus.
Serien morgens auf dem Handy
Einig war man sich, dass hochwertige Serien, Blockbuster-Filme oder Live-Sportereignisse immer noch bevorzugt auf dem großen Fernseher geschaut werden und der Zuschauer dafür auch gerne bis zum Abend wartet, um sie auf der Couch zusammen mit der Familie zu schauen. Sonst nimmt jedoch das Smartphone oder Tablet bei der täglichen Mediennutzung einen immer wichtigeren und größeren Nutzungszeitraum ein. Speziell Serien werden dort auch schon mal morgens geschaut.
Interessante Aussagen kamen auch von Michael Heise, Leiter Produktentwicklung bei RTL Interactive. Er habe sich schon lange von jeglichem Denken in Gerätekategorien verabschiedet, wenn das denn je Sinn gemacht habe. Zudem werde das Smartphone wahrscheinlich irgendwann die Steuerung aller heimischen Home-Entertainment-Geräte übernehmen.
Ein paar interessante Zahlen zum deutschen TV-Markt gab es beim zweiten Panel zu hören. So können sich zum Beispiel 48 Prozent der Onliner vorstellen, zukünftig ausschließlich über Internet fernzusehen. Zudem hat nach Angaben von Zattoo und Magine TV jeder sechste Haushalt gar keinen Fernseher mehr, sondern konsumiert Fernsehen oder VoD-Angebote nur noch über PC, Laptop, Tablet oder Smartphone. Dem Rundfunkbeitrag von ARD und ZDF entkommen diese Haushalte allerdings seit 2015 auch nicht mehr.
Deutsche Medien gegen Amazon, Netflix und Google
Ein weiterer Diskussionspunkt waren typische Vorbehalte gegenüber TV-Streaming. Zum Beispiel, dass TV-Streaming doch kein Mensch brauche, weil jeder einen Fernseher zu Hause hat. Wozu braucht es da eine Alternative wie Magine TV oder Zattoo? Oder das Thema Qualität: Immer wenn es richtig spannend wird, ruckele das Bild oder wenn 80 Millionen Deutsche das Endspiel der Fußball-WM über das Internet schauen, brächen doch die Netze zusammen. Alle Vorbehalte konnten natürlich widerlegt werden. Es war eine sehr launige Runde, sehr gut moderiert von Jörg Meyer, Vice President von Zattoo International.
Was bleibt hängen? Die deutschen Medienverantwortlichen glauben weiterhin daran, eine Chance gegen Amazon, Netflix, Google & Co. zu haben – mit selbst produzierten Serien und auf die deutschen TV-Zuschauer ausgerichteten Inhalten oder Programmpaketen. Denn, so stellte Michael Heise klar: „Ganz Deutschland ist nur eine Nische und ein tolles Spielfeld für Nischenprodukte“
In Nischen lässt es sich gut leben, wenn man sie beherrscht. Das ist mit Sicherheit eine Chance für die deutschen Anbieter. Der (Nischen-)Kuchen ist groß genug für alle – fragt sich nur, wie lange noch? Die nächsten Jahre werden es zeigen.