„Die Brücke – Transit in den Tod“-Kritik: Episode 3.1

Saga Norén (Sofia Helin) ist nach wie vor der Magnet der Serie. Foto: ZDF/Carolina Romare

Saga Norén ermittelt wieder an der Grenze zwischen Dänemark und Schweden – dieses Jahr jedoch ohne den im Gefängnis sitzenden Martin Rohde. Der Staffelauftakt macht klar, dass die Serie gut ohne Martin auskommen kann, weil auch Sagas neue Partner viele Möglichkeiten finden, mit ihr anecken zu können.

Doppelfolgen und Binge-Watching

In Deutschland wird „Die Brücke – Transit in den Tod“ seit jeher in Doppelfolgen ausgestrahlt, was auch in Staffel III der Fall ist. Anderen Krimiserien würde das nicht sehr gut bekommen, weil es die Geschichten der einzelnen Episoden weniger hervorhebt. Für die Struktur von „Die Brücke“ (ich lasse den Untertitel jetzt einfach weg – nicht zuletzt, weil er so hoffnungslos bemüht cool klingt) ist das aber genau die richtige Strategie. Die Serie bemüht sich zwar trotz der zehn Folgen überspannenden Suche nach dem diesjährigen Serienmörder, zumindest ein paar kleine Geschichten in einzelnen Episoden abzuschließen, aber baut nach wie vor stark darauf auf, eine Hand voll paralleler Handlungsstränge zu erzählen, deren Zusammenhang sich erst später erschließen wird.

So wäre etwa das Kennenlernen in der Museumsgalerie und das anschließende Stelldichein sehr frustrierend anzusehen, wenn wir diese Woche nur die ersten 50 Minuten der Episode gesehen hätten, weil uns gänzlich vorenthalten wird, was diese Figuren und ihr Techtelmechtel für eine Relevanz haben. „Die Brücke“ verlangt da immer Geduld und Vertrauen in die Serie. Dank der Ausstrahlung in Doppelfolgen halbiert man die Häufigkeit der Frage, warum man einen spannungsarmen Dialog zwischen neuen Figuren ansieht – die Antwort wird dann nämlich gleich in der zweiten Hälfte der Folge geliefert. Der One-Night-Stand der zwei Museen-Besucher dient etwa der Charakterisierung des neuen Kommissars Henrik, wie sich kurz nach der Hälfte von Episode 1 herausstellt.

Die vielen unterschiedlichen Handlungsstränge, deren Zusammenhänge großteils noch unbekannt sind, verlangen auf jeden Fall jede Menge Aufmerksamkeit – und das nicht nur, weil es gleich ein Dutzend neuer Namen zu lernen gibt, die in dieser Staffel wohl noch eine größere Rolle spielen werden (außer Aleksander, der überraschend schnell das Zeitliche segnet – „Die Brücke“ wies schon immer eine ziemlich hohe Opferzahl auf). Auch dabei kommt die Struktur der Doppelfolge zu Gute – die Geschichte ist einfach leichter nachvollziehbar, wenn man die Figuren länger als bloß fünf Minuten pro Woche sieht. Mitsamt seinen ausgesprochen guten Cliffhangern ist „Die Brücke“ darum ideal, um an einem Wochenende gebinged zu werden – die ZDF Mediathek macht’s möglich.

Saga Norén

Es ist selten, dass die Abwesenheit einer sehr gelungenen Hauptfigur kein großes Loch hinterlässt, aber bei „Die Brücke III“ ist das der Fall. Ich vermisse Martin Rohde in keiner Weise, und das hat zwei Gründe: Erstens kann die Serie mit gleich zwei interessanten Ersatz-Ermittlern aufwarten, und zweitens ist Saga Norén das schlagende Herz der Serie. Um ihr Verhaltensmuster ging es auch schon in den vergangenen beiden Staffeln, aber erst die Absenz ihres engsten Partners macht klar, wie unersetzlich sie für die Serie ist.

Es gibt so viele Krimiserien, dass man schon alle Typen von Ermittlern gesehen hat – die wenigsten Kriminalkommissare stechen sonderlich hervor, nicht zuletzt deshalb, weil sie alle ihre Dämonen in der Vergangenheit haben und diese parallel zur Lösung des Falles bekämpfen müssen. Die meisten Ermittler gleichen deshalb einander, und wecken darum wenig Interesse. Mit Saga Norén hat Hans Rosenfeldt allerdings eine Protagonistin kreiert, bei der ich bei jedem Wort an ihren Lippen hänge. Nicht nur Darstellerin Sofia Helin macht ihre Aufgabe ausgezeichnet – auch die Synchronisation durch Antje von der Ahe ist einfach spitze.

Saga Norén ist nicht nur deshalb faszinierend, weil sie in ihrer emotionalen Distanz äußerst effektiv in ihrer Arbeit ist. Sie ist auch deshalb ein Publikumsmagnet, weil die Dialoge mit ihr häufig zum Schmunzeln einladen. Mittlerweile haben auch ihre anderen Mitarbeiter einen Draht zu ihr gefunden, allen voran natürlich Hans – gerade deshalb vermisse ich ihre Unterhaltungen mit Martin in nur geringem Maße. Ihre neuen Mitstreiter müssen sich an ihre abrupt-ehrliche Art erst gewöhnen – was für viele köstliche Reaktionen in ihren Gesichtern sorgt.

In Staffel I gab es nur vage Hinweise auf Sagas Hintergrund, in Staffel II erfuhren wir über die Hintergründe zum Selbstmord ihrer Schwester. Nach dieser Vorarbeit stürzt sich die dritte Staffel erstmals so richtig tief in ihre Geschichte hinein, weil es die Möglichkeit aufwirft, dass Saga ihrer Mutter zu Unrecht die Schuld für den Vorfall gibt. So aufgewühlt haben wir Saga noch nie gesehen. Saga arbeitet so analytisch, dass ihr Entscheidungen jeglicher Art meist leicht fallen, weil es nie eine emotionale Komponente gibt.

Wenn es um ihre Vergangenheit geht, ist sie aber sehr wohl emotional aufgewühlt – und das gefällt ihr ganz und gar nicht. Sie versucht sich dagegen zu wehren, unter anderem indem sie die Analyse der Tagebücher einem Spezialisten übergibt und überlässt. Andererseits will sie nicht mit Henrik über die Befunde sprechen – an seiner Stelle hätte sie das Zurückhalten von emotionalem Ballast nicht verstanden. Die Beteuerung ihrer Mutter, dass Saga seit 20 Jahren das falsche Bild von ihrer Schwester habe, klingt aufrichtig, das ist Saga klar, aber sie schafft es noch nicht, das mit ihrem Weltbild zu vereinbaren. Und das, obwohl ihr kühler Kopf sagt, dass sie die Sache reevaluieren sollte. Mit diesem Konflikt zeigt uns Staffel III eine Seite Sagas, die wir noch nicht gekannt haben – definitiv eine der spannendsten Neuerungen dieser Staffel.

Alte Garde, neue Garde

Im Polizeipräsidium gibt es wieder die alten Gesichter von Hans, Jon und Lilian zu sehen, während Rasmus von der Bildfläche verschwunden zu sein scheint – vorerst, bei „Die Brücke“ ist es ja nicht unüblich, Staffel-Haupt-, Neben- und Schlüsselfiguren erst im späteren Verlauf kennenzulernen. Das trägt dazu bei, wie unerwartet die Cliffhanger daherkommen – wer die Pressetexte vermeiden konnte, hätte wohl schwer ahnen können, dass Sagas Partnerin Hanne ihren Dienst gerade mal eine Episode ausüben kann, bevor eine Tretmine ihr Bein zerstört. Und segnet Hans am Ende von Folge 1 wirklich das Zeitliche? Vieles deutet darauf hin: Die Einführung von Linn als seine Vertretung, die edle Kette für seine Gemahlin, die vermeintlich guten Überlebenschancen von Entführungsopfern… Aber die Hoffnung stirbt zuletzt: Vielleicht wird er da gar nicht erstickt, sondern bloß mit Chloroform bewusstlos gemacht…

Segnet Hans Pettersson (Dag Malmberg) vorzeitig das Zeitliche? Bitte nicht... Foto: ZDF/Carolina Romare
Segnet Hans Pettersson (Dag Malmberg) vorzeitig das Zeitliche? Bitte nicht… Foto: ZDF/Carolina Romare

Unabhängig davon, ob Hans seine Entführung überlebt, gibt es in seiner Vergangenheit einiges zu buddeln, um Licht auf die Hintergründe der Entführung zu werfen. Saga ist überzeugt, dass Aleksanders Statement, dass Hans ihn zum Aussagen genötigt habe, eine Lüge sei. In der Unterhaltung zwischen Aleksander und Hans erfahren wir hingegen, dass er sehr wohl davon überzeugt ist. Wenn wir Sagas Urteilungsvermögen also vertrauen, legt das die Vermutung nahe, dass da jemand ein Verbrechen in Hans‘ Namen begangen zu haben scheint. Das würde auch erklären, warum Hans von Aleksanders Mörder nicht befreit, sondern getötet oder betäubt wird – damit Hans dieses Missverständnis nicht aus dem Weg räumen kann. Mein Hauptverdächtiger wäre da Aleksanders Spezi, der ja jetzt scheinheilig mit dessen Familie zusammenlebt.

Soviel zu Hans. Henrik wird klar als Sagas Partner für die Staffel etabliert. Außerhalb seiner Kompetenz als Polizist wissen wir noch nicht viel über ihn. Der Staffelauftakt lässt aber sehr wohl durchblicken, dass seine Zusammenarbeit mit Saga kein Zufall zu sein scheint – und er etwas Bestimmtes von ihr erfahren möchte. „Die Brücke“ geizt an dieser Stelle noch damit, was für Tabletten Henrik da nimmt und was diese mit Saga zu tun haben (oder ob überhaupt). Arm an offenen Fragen ist „Die Brücke“ jedenfalls nicht.

Das gilt insbesondere für die Nebenfiguren. Die Serie tätigt dabei einen gelungenen Balanceakt: Egal ob in Folge 1 oder 4 einer Staffel, „Die Brücke“ behält uns immer genug Informationen vor, um es unmöglich zu machen, ein klares Bild davon zu bekommen, was als Nächstes passieren könnte – was hat die Serie beispielsweise mit Lise, ihren radikalen Ansichten und ihrer Tochter vor? Inwiefern hat die Halskette Relevanz, die Rikard seiner Mutter (?) auf das Kissen legt? Andererseits gibt uns die Serie aber auch immer genug Stoff und ominöse Vorzeichen, um gleich mehrere Zeitbomben ticken zu lassen: Lise macht den Eindruck, als ob sie einer gewaltsamen Konfrontation wohl kaum entgehen können wird, Aleksanders Frust über das verschwundene, verbuddelte Geld musste ja überkochen, und das perfekte Leben seines Partners hat den Anschein, als ob die Idylle trügt. Und da ist er wieder: dieser Sog, den „Die Brücke“ auch schon in den vorherigen Staffeln erzeugte, der einen sofort die nächste Episode schauen lassen will.

Der ZDF strahlt Staffel 3 von „Die Brücke – Transit in den Tod“ jeden Sonntag um 22 Uhr in Doppelfolgen aus – Fortsetzung.tv wird die Episoden wöchentlich mit Artikeln begleiten.

Alle drei Staffeln sind zur Zeit zur Gänze in der ZDF Mediathek verfügbar. Auch Netflix bietet Staffeln 1 und 2 in seinem Angebot in Deutschland an.

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