„CopStories“-Kritik: Ep 1.06: „Nackerpatzl“

Bergfeld (Johannes Zeiler) und Altan (Fahri Yardim) sitzen im selben Boot. Foto: CopStories DVD, Gebhardt Productions

Bevor im Herbst Staffel 3 im Fernsehen anrollen soll, strahlt der ORF zuvor noch einmal die ersten beiden aus. In „Nackerpatzl“ gibt es ein Nackerpatzl, die Suche nach einer verlorenen Tochter und die Ehrung des Vermächtnisses eines verstorbenen Jazz-Musikers.

Während die Episodensynopsis eigentlich ganz gut klingt, ist „Nackerpatzl“ gleich in mehrerlei Hinsicht die bislang schwächste und nachlässigste „CopStories“-Episode. Festzumachen ist das sowohl an den teils absurden Ideen der einzelnen Fälle („Ich bin ein Engel!“), den Figuren (Fritz aus Tirol), der Eindimensionalität der Fälle (Caruso und Herrchen) sowie der Umsetzung (Spaziergänger im Park). Doch der Reihe nach.

Einfältige Hinterwäldler

Mathias bekommt in dieser Episode Besuch aus Tirol: Fritz ist auf der Suche nach seiner verschwundenen Tochter. Als die Spur in ein Striplokal führt, spricht alles dafür, dass sich hier ein Vater einer ganz anderen Welt stellen muss. Leider tritt genau das Gegenteil ein: „CopStories“ versucht nicht wirklich zu ergründen, wie es Fritz oder seiner Tochter bei der unausweichlichen Konfrontation ergehen würde, sondern entscheidet sich für das komplette Gegenteil. So oberflächlich hat die Serie bislang noch nie charakterisiert.

Dass Fritz solch ein Stereotyp des kulturfremden Hinterwäldlers vom Lande darstellt, ist insbesondere deshalb enttäuschend, weil das ja auch schon Mathias‘ Nische war. Anstatt also hier einen anderen Weg einzuschlagen, entscheidet man sich dazu, die von Mathias schon ein wenig verkörperten Klischees (leicht tölpelhaft, herzlich, konservative Wertvorstellungen, etc.) noch einmal zu bestätigen und verstärken – von nuanciert kann dabei gar keine Rede sein.

Vielleicht wollte man damit ja auf Humor abzielen – erstens ist es aber nicht witzig, und zweitens zeigt Mathias in dieser Folge bravourös, warum er das auch alleine übernehmen kann: „Die Lena isch aber groß word’n“ oder die glamouröse Vortäuschung, zum Notariat gehen zu wollen, sind beide absolut köstlich. Stattdessen sind die griffbereite Büchse und die schrecklichen und viel zu subtextlosen Dialoge („Die Stadt hat di vergiftet!“, „Du bist scho dei Leben long g’fangen!“) regelrecht zum Schämen. Erstmals liegen die Autoren da so richtig daneben – wenn man die gelungenen Dialoge von Eberts in der selben Episode dazu vergleicht, legt das die Vermutung nahe, dass die Wiener Mentalität den Autoren deutlich besser bekannt ist als die tirolerische.

Im Bild glücklicherweise nicht ersichtlich: die Dialge. Foto: CopStories DVD, Gebhardt Productions
Im Bild glücklicherweise nicht ersichtlich: die Dialoge. Foto: CopStories DVD, Gebhardt Productions

Die zweite große Storyline ist jene von Caruso und Herrchen Koller (Wortspiel mit collar, zu deutsch Halsband, hehe). Diese ist im Grunde unterhaltsam, besitzt aber ein schwaches Ende. Vermutet man zuerst noch, dass Romans Aussage, dass vielleicht sogar Herr Koller die Spritze verdienen würde, womöglich zu einem fairen Streit führen könnte, bei dem beide Parteien zurecht den anderen verklagen, stellt sich zum Schluss heraus, dass es bereits sechs Anzeigen gegen Caruso gab. Damit haben die Polizisten automatisch Recht, damit hat sich die Sache automatisch gegessen – schade.

Was hier leider auch negativ auffällt, ist die schwache Komparserie im Park, die nicht nur beim näher Hinsehen enttäuscht (nämlich dadurch, dass über Stunden hinweg dieselben Komparsen im Park sind), sondern gerade später hinaus regelrecht Aufmerksamkeit erregt. Die milden Verweigerungshaltungen gegenüber der Auflösung der Demonstration sind schon ziemlich schwach gespielt, aber als dann der Herr Koller die Gunst seiner Mitstreiter verliert, zerstreuen sich die anderen Parkgäste äußerst unnatürlich wie auf Kommando. Normalerweise ist über die Inszenierung nicht viel zu sagen, weil sie gut klappt – wenn sie das aber mal nicht tut, dann fällt so eine Nachlässigkeit schon ins Auge.

Jazz und Loyalität

„Nackerpatzl“ ist aber auch kein Totalausfall: Ome Bens Tod etwa ist ein toller Fall, der perfekt auf Eberts Stärken und Schwächen zugeschnitten ist, nicht nur weil Ome Ben schwarz ist – und sobald Eberts in seinem Element ist, macht es auch richtig Spaß, ihm beim Ermitteln zuzuschauen. Es ist zwar ein wenig merkwürdig, dass das Begräbnis noch am selben Tag stattfindet, an dem der Leichnam gefunden wurde, aber im Ausgleich dafür kann die Folge ihre Musikmontage mit der idealen Musik unterlegen – schön, auch wenn „CopStories“ in Folge 6 den Einsatz der Musikmontage noch nicht so gut hinbekommt wie in späteren Folgen.

Während Altan mit Efe Frieden schließt, besucht er am selben Tag erstmals den Staatsanwalt Hofmeister, der eine wichtige neue, wiederkehrende Figur darstellt. In „Nackerpatzl“ wird noch nicht zur Aktion geschritten, sondern sie klären erstmal die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit: Altan wird als Doppelagent über Dogan berichten und zur Vertrauensgewinnung Dogan mit Informationen füttern, und dafür soll Efe bis auf Kapitaldelikte Straffreiheit bekommen. Hofmeister macht schon mal einen guten Eindruck, und Bergfeld steht sowieso hinter Altan – jetzt kann dieser Handlungsstrang endgültig in den nächsten Gang schalten.

Der Oberst ist indes zumindest privat hin- und hergerissen: Wenn er Selma sagt, dass es nicht an ihr läge, dann meint er damit nicht unbedingt, dass es an seinem eigenen Interesse läge. Was wir in sechs Folgen „CopStories“ von Bergfeld mitbekommen haben, ist, dass er Loyalität äußerst schätzt – nun (und auch schon davor) muss er diese selber beweisen. Ob er seine Frau Iris noch liebt, ist eine gute Frage: Ich denke nicht, dass er in „Strizzi“ ihr Foto bloß aus Scham in die Schublade steckte, sondern das dafür spricht, dass ihm Selma eigentlich schon besser gefallen würde. Wenn Iris dann aber behauptet, schon lange tot zu sein, und sich darüber beschwert, dass „alle so tun, als würde (sie) noch leben“, dann erpresst sie Bergfeld indirekt damit: weil er ein Gewissen hat, und weil er loyal ist. Ein spannender Konflikt, der zeigt, warum Bergfeld eine der besten Figuren der Serie ist.

„Nackerpatzl“ ist eine kuriose Episode: Es ist die erste Folge, in der man einer Figur – ausgerechnet Mathias, bei dem ich mich diesbezüglich noch in der letzten Episode beschwert hatte – mehr als nur gerecht wird, während der von ihr bearbeitete Fall einer der schwächsten der ganzen Serie ist. Andernorts (im Park) merkt man der Serie erstmals deutlich an, dass sie doch mit einem ziemlich geringen Budget gedreht wird. Auch wenn Geschichten wie jene mit Jazz wie üblich funktionieren und Bergfeld eine spannende Entwicklung durchmacht: In dieser Folge wäre mehr drin gewesen.

„CopStories“ Staffeln 1 und 2 werden seit dem 7. Juli jeden fußballfreien Dienstag um 21.05 Uhr auf ORFeins ausgestrahlt. Danach sind die Folgen für sieben Tage in der ORF-TVthek (auch europaweit) verfügbar. Beide Staffeln sind als DVD erhältlich.

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