TV-Serien – ein neuer deutscher Exporterfolg? Eine Diskussion auf den Medientagen München

Die Kernaussagen der Panelteilnehmer fasste ein Karikaturist griffig zusammen; Fotos: Medientage München

Im Rahmen der Medientage München ging eine Expertenrunde mit „Walking Dead“-Produzentin Gale Anne Hurd der Frage nach, was wir in Zukunft von deutschen Produktionen erwarten können.

Von Jannick Myska

Seit einigen Jahren erleben TV-Serien einen enormen Fan-Zuwachs. Serielle Erzählstrukturen finden auch in Deutschland immer mehr begeisterte Zuschauer. Dabei fällt auf: Das meiste, das uns immer wieder vor die Bildschirme lockt, kommt aus dem Ausland. Ein Blick auf den deutschen Fernsehmarkt genügt, um zu sehen, dass er kaum international konkurrenzfähiges Material produziert. Kann sich das ändern?

Aus Deutschland kommen eine ganze Reihe Exportschlager, wie zum Beispiel gute Autos oder elektrische Geräte. In Sachen gute TV-Serien sieht es allerdings anders aus.  Zwar werden Formate wie „Sturm der Liebe“, „Danni Lowinski“, „Alarm für Cobra 11“ oderDie Schwarzwaldklinik“ durchaus erfolgreich im Ausland vertrieben und der Markt läuft besser als noch vor einigen Jahren. Doch im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz besteht Aufholbedarf. Deutschland bleibt Importland. Von 2006 bis 2008 wurden 121 Formate eingekauft, verkauft dagegen nur 37. Dabei bietet der deutsche Fernsehmarkt so viele Programme wie kaum ein anderes Land und ist damit der sechstgrößte Fernsehmarkt weltweit. Wo liegt dann das Problem?

Haben wir es einfach nicht drauf? Für diejenigen, die die Diskussion auf den Medientagen 2014 mit dieser Befürchtung besuchen, gibt Jan Mojto,  internationaler Filmproduzent und Rechtehändler,  gleich zu Beginn einen ersten Lichtblick. Deutschland hat eigentlich alles, um Formate zu produzieren, die im internationalen Vergleich bestehen können. Das hohe Potential wird nur nicht genutzt, so die einstimmige Meinung der Runde. Es fehlt nicht an innovativen Ideen, mutigen Produzenten oder talentierten Autoren. Schließlich dienen durchaus auch deutsche Formate als Vorlage für ausländische Produktionen.

Die Probleme des deutschen Fernsehmarktes sind eher struktureller und wirtschaftlicher Natur. Vor allem fehlt es an einer gleichberechtigten Zusammenarbeit der Sender mit den Autoren, die oftmals an der kurzen Leine gehalten werden. Die Sender halten meist starr an ihren Formatvorstellungen fest und in diversen Korrekturdurchgängen werden Drehbücher daran angepasst. Interesse an ungewöhnlichen und neuartigen Stoffen ist nicht wirklich vorhanden. Und so bleibt mancher innovative Ansatz auf der Strecke. Mehr Vertrauen von Seiten der Sender, fordert daher auch Christiane Ruff, Fernsehproduzentin und Geschäftsführerin von ITV Germany. Die Autoren müssten intensiver in den Produktionsprozess eingebunden werden. So wie in Amerika, wo sie oft als ausführende Produzenten direkt an der Produktion mitwirken. Schließlich sind sie diejenigen, die hinter der kreativen Arbeit stecken.

Lichtblicke in Sicht

Das Problem der mangelnden Zusammenarbeit hängt aber auch mit der Tatsache zusammen, dass deutsche Sender kaum selbst Serien produzieren. Dabei zeigt der Blick nach Amerika, wie erfolgversprechend das sein kann. Sender wie AMC, HBO oder CBS beziehen einen Großteil ihrer Gewinne aus dem Seriengeschäft. Thomas Lückerath, Chefredakteur von DWDL.de, einem Internetmagazin zum Thema Medienwirtschaft,  zeigt auf, warum sich dieses Konzept in Deutschland noch nicht durchgesetzt hat. Noch bis vor wenigen Jahren schien hierzulande allein die Idee schon ein No-Go gewesen zu sein – doch Änderung ist in Sicht (TNT Serie produziert „Weinberg“, RTL „Deutschland!“ und Sky zusammen mit der ARD „Babylon Berlin“) . Ein Grund, weshalb er voller Optimismus behauptet, dass man jetzt etwas von deutschen Serien erwarten könne.

Auch in Sachen Finanzierung können die USA als gutes Vorbild dienen. Zum Vergleich: Während dort für die Produktion einer Episode Budgets zwischen zwei und sechs Millionen Dollar zur Verfügung stehen, sind es in Deutschland gerade einmal 400.000 bis 600.000 Euro. Würde man allerdings von Anfang an mehr Geld in die Dreharbeiten investieren, mache sich das am Ende durchaus bezahlt. Das kann Christiane Ruff aus persönlicher Erfahrung bestätigen.

Von den USA lernen: „Walking Dead“-Produzentin Gale Anne Hurd im Gespräch mit Marco de Ruiter von Fox Germany und Gary Davey von Sky

In diesem Zusammenhang stellt Gary Davey, Executive Vice President Programming bei Sky Deutschland, die Überlegung an, dass die Sender nicht nur in Sachen Finanzierung mehr Mut zeigen sollten. Trotz des sehr pilotgesteuerten Geschäftes dürften sie eine neue Serie nicht gleich nach zwei Episoden absetzen, nur weil die Zuschauerzahlen nicht von Beginn an ihren Vorstellungen entsprechen. Es wäre eine wünschenswerte Entwicklung, wenn die Qualität einer Serie nicht ausschließlich anhand der Einschaltquoten bemessen würde. Vielmehr sollte auch der persönliche Wert eine Rolle spielen, den eine Serie für den einzelnen Zuschauer hat. Leider seien die Sender aber noch sehr stark von Zuschauerzahlen abhängig.

Christiane Ruff zeigt noch ein weiteres Problem des deutschen Fernsehmarktes auf. Es ist unglaublich schwer, dem Nachwuchs das deutsche Filmgeschäft und die damit verbundenen Berufe attraktiv zu machen. Kaum ein Jugendlicher kann sich mit deutschen Serien identifizieren. Die US-amerikanischen Formate sind einfach wesentlich reizvoller. „Die interessieren sich gar nicht für deutsche Serien, sondern sind mit US-Serien wie ‚Breaking Bad‘ aufgewachsen“, sagt sie. Doch wie soll man unter diesen Voraussetzungen die jungen Leute mit ihren Ideen und ihren Talenten  in die Branche holen?

Die „Walking Dead“-Produzentin und das Goldene Zeitalter des Fernsehens

Gale Anne Hurd, die als Executive Producerin bei „The Walking Dead“ tätig ist, macht schließlich noch auf das ungeheure Potential aufmerksam, das im Kielwasser des Seriengeschäftes schwimmt. Das quotenstärkste Format am Sonntagabend im amerikanischen Fernsehen ist die Sendung „Talking Dead“. Dabei wird zusammen mit unterschiedlichen Gästen über die Ereignisse der aktuellen Folge von „The Walking Dead“ diskutiert. Die Sendung erreicht sieben Millionen Zuschauer, kostet in der Produktion fast gar nichts und spielt auf Grund der hohen Einschaltquoten auch hohe Werbeeinnahmen ein.

Für Gale Anne Hurd ist klar: „Das goldene Zeitalter des Fernsehens ist eigentlich das goldene Zeitalter des charaktergesteuerten Erzählens“. Sie berichtet, dass „The Walking Dead“ erst einmal von nahezu allen Sendern abgelehnt wurde. Doch der immense Erfolg der Serie zeige deutlich, dass sich die Sehgewohnheiten der Zuschauer verändert haben. Das Publikum sucht nach komplexen Geschichten und tiefgründig gezeichneten Charakteren, die die Zuschauer in ihre Themenwelten regelrecht hineinziehen. Und das schaffen Serien – nur eben nicht unbedingt die deutschen.

Im Großen und Ganzen ist sich die Gruppe aber einig: Der deutsche Fernsehmarkt steht besser dar als jemals zuvor. Jetzt braucht es den Mut, langfristig und forciert in innovative Stoffe zu investieren, um eine neue Serienkultur in Deutschland zu etablieren. Thomas Lückerath sagt, er sei noch nie so zuversichtlich gewesen wie in diesem Jahr, und auch Christiane Ruff und Gary Davey zeigen sich sehr optimistisch. Jan Mojto bringt die spannende Diskussion schließlich zu einem schönen Ende, indem er von einer faszinierenden Entwicklung spricht, die den deutschen Fernsehmarkt erwartet.

 

 

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