All-Time Faves (2): Linas Lieblingsserien

Eine schrecklich normale Familie: die Fishers; Foto: HBO

Auch diese Auswahl ist natürlich eine streng subjektive Momentaufnahme – und hoffentlich in ein, zwei Jahren schon nicht mehr aktuell. Da mir die Auswahl schwer fiel, habe ich jeweils ein, zwei Aspekte in den Fokus genommen. Den Anfang macht – ganz simpel – die für mich bisher beste Serie.

Six Feet Under – die beste Serie: Ein Familienmitglied stirbt und wir lernen jede Figur in dem Moment kennen, in dem sie von diesem Tod erfährt. Gestatten: die Bestatterfamilie Fisher. Alan Ball führt eindrucksvoll vor, wie serielles Erzählen funktioniert, wie Figuren reifen dürfen – und auch mal durchdrehen. Er erzählt vom Tod, vom Erwachsenwerden und von der Emanzipation der Frau – und zwar gestreckt auf  viel Raum und damit auf eine Art wie noch niemand vor ihm. So wie die Buddenbrooks für ihre Zeit stehen, stehen die Fishers für unsere. Ich empfinde puren Neid jedem gegenüber, der dieses Meisterwerk in fünf Staffeln noch vor sich hat.

Diversity rules: der Cast von „True Blood“; Foto: HBO

– True Blood – die besten Frauenfiguren, der beste Sex und der Sonderpreis in Sachen Diversity und Gender: Ich habe nie verstanden, warum der chauvinistische „Twilight“-Dreck eigentlich immer dafür kritisiert wurde, dass Vampire dort glitzern. Mir erscheint das ein sinnvolles Lockmittel von Raubtieren zu sein. Dennoch gut, dass man sich mit „True Blood“ endlich nicht mehr für seine Vampirleidenschaft schämen muss. Alan Balls zweites Erfolgsprojekt ist spannend und völlig unvorhersehbar. Und anders als sonst im Fernsehen beißen, schreien und rennen hier Frauen, Männer, Lesben, Schwule, Schwarze, Weiße, Starke, Schwache und alle, die sich nicht einordnen möchten, gleichberechtigt um ihr Leben.

Der Bürgermeister von Braunschlag und sein Spezi; Foto: ORF

– Braunschlag – die lustigste Serie: wenigstens eine deutschsprachige Serie soll schon auf dieser Liste stehen. „Braunschlag“ gewinnt gegen „Im Angesicht des Verbrechens“, „Türkisch für Anfänger“ und „KDD – Kriminaldauerdienst“, weil die Schauspieler es schaffen, mich zum Lachen zu bringen. Und das schaffen nicht viele. Das kleine österreichische Dorf Braunschlag verarmt. Der Bürgermeister und sein Spezi versuchen, Touristen herzulocken. Dafür fingieren sie mit Hilfe einer Marienstatue ein Wunder. Was klingt wie aus der Altkleidersammlung eines Mundart-Theaters gefischt, wird im besten Serien-Finale, das ich je gesehen habe, konsequent zu Ende geführt. Und dann ist Schluss mit lustig.

Rückkehr von den „Toten“: Sherlock Holmes ist wieder da; Foto: BBC

– Sherlock – die schickste Serie: Ja, auch das ist öffentlich-rechtliches Fernsehen. Nach vielen der Schnitte möchte man klatschen – schon allein für den Aufwand, der hinter den einzelnen Sequenzen stehen muss. Sherlock Holmes löst Kriminalfälle und ist dabei ziemlich schrullig. Wie erzählt man Geschichten, die wirklich schon hundertmal erzählt wurden, so wie sie noch niemand gesehen hat? Genau so! Danke, BBC. Wenn so unsere Fernsehzukunft aussieht, wird alles gut.

Sie rettet alles: Tina Fey (mit Alec Baldwin); Foto: NBC Universal TV

– 30 Rock – Ehrenpreis: Massig Gründe für diese Serie gibt es zwar nicht, dafür aber einen sehr überzeugenden: Tina Fey. Diese Frau macht sogar aus einem Muppets-Film ein Meisterwerk. Dann klappt’s mit dieser Sitcom aus den Kulissen einer Comedy-Show allemal.

Schauspielerisch top: Claire Danes als Carrie Mathison und Damian Lewis als Nicholas „Nick“ Brody; Foto: Kent Smith/Showtime

– Homeland – die besten Schauspieler: keine Serie für Freunde klarer Antworten. Ist Brody, der Rückkehrer aus Kriegsgefangenschaft, ein Terrorist im US-amerikanischen Sinne oder nicht? Die Frage lässt sich tatsächlich über drei Staffeln immer wieder aufs Neue stellen. Trotzdem macht nicht die durchaus spannende Handlung die Serie sehenswert, sondern Claire Danes. Die ehemalige Romanzen-Darstellerin spielt eine verrückte Workoholic, die sich in den Feind verliebt und trotzdem standhaft weiter für ihre Werte eintritt. Platz zwei geht übrigens an Morgan Saylor. Die zu Beginn der Dreharbeiten erst 16-Jährige spielt die Tochter des Kriegsheimkehrers als ginge es wirklich um ihr Leben.

Wer hätte nicht gerne zu diesem Freundeskreis gehört? Die Stars von „Friends“; Foto: Warner Bros. TV

– Friends – die schönsten Erinnerungen: Nein, Joey fand ich nie lustig. Aber in Zeiten, in denen Menschen ernsthaft behaupten, „How I Met Your Mother“ sei komplex erzählt, möchte ich an Szenen wie diese erinnern: Rachel muss aus der Frauen-WG ausziehen, weil Monica mit ihrem Freund zusammenzieht. Sie weigert sich. Die dritte im Bunde, Phoebe, will Rachel nicht in ihrer Wohnung aufnehmen. Um Rachel los zu werden und Phoebe umzustimmen, zählt Monika auf, was alles für eine Frauen-WG spricht. Und dann wird ihr klar, was sie aufgibt.

Der Titel täuscht: Die Frauen sind oft die wahren Starken in „Mad Men“; Foto: Lionsgate TV

– Mad Men – die intelligenteste Serie: Noch nie waren Serien so anspruchsvoll, hier wird einem nichts gedeutet: Es gibt keine bedeutungsschweren Zooms auf für die spätere Handlung wichtige Objekte. Kein echtes Gefühl wird laut ausgesprochen, und nebenbei machen die denkbar unsympathischsten Figuren Werbung zu ihrer Arbeit. Wer „Mad Men“ nicht versteht, der möge sich jetzt mal bitte konzentrieren – es lohnt sich. Zu lange waren wir gewöhnt, vom Fernsehen für dumm verkauft zu werden.

Manchmal kann die Mutter auch die beste Freundin sein: „Gilmore Girls“; Foto: Warner Bros. TV

– Gilmore Girls – die sympathischste Serie: Ich wäre gerne Rory Gilmore, fast noch lieber als Loreley. Mutter und Tochter leben im Kleinstadt-Paradies, in ihrer eigenen alternativen Familien-Form. Und sprechen nach einem Streit fast eine Staffel lang kein Wort miteinander. Sonst reden sie viel. Die Figuren sollten alle doppelt so schnell sprechen wie sonst im Fernsehen und das über intelligente Dinge – Bücher, Musik und sowas.

Manchmal kommt mit großer Kraft keinerlei Verantwortung: die „Misfits“; Foto: BBC Worldwide Ltd

– Misfits – die besten Dialoge: Jugendliche Straftäter werden bei ihren Sozialstunden vom Blitz getroffen. Ab jetzt haben sie Superkräfte, Helden werden sie aber keine. Auch als Mutant bleiben Müllaufsammler in britischen Vorstädten Abschaum. So platt die Idee, so beeindruckend die Dialoge. Hier haben Autoren eindeutig Respekt vor ihren Figuren und zur Abwechslung mal richtigen Menschen vorher auf den Mund geschaut.

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