Listen, Listen, überlisten. Ich schließe mich meinen Vorgängern an und lege noch eine abschließende Zusammenstellung vor, die sogleich am Titel „All-Time Faves“ hängen bleibt, sich darin verheddert und voll auf die Fresse fliegt. Hier die chronologisch überlieferten Reste, scheibchenweise vorgetragen.
Wo sind die Kinderserien, mit denen wir aufgewachsen sind? Wo sind sie geblieben? Bei sich bietender Gelegenheit werden wir wohl darauf zurückkommen, hier klammere ich sie ebenso wie meine Kollegin und Kollegen aus und fröne dem Blick durch die subjektive Brille, auf dem Stand der Kurzsichtigkeit von 2014. Die älteste mir bekannte Serie, die mich auch heute noch begeistern kann, ist:
1) THE TWILIGHT ZONE
Wo wäre die moderne Fernsehserie ohne einen Rod Serling heute? Vermutlich in den 50er Jahren steckengeblieben. Die vielleicht erste Serie, die mit Konventionen brach und das Medium aus seinen Kinderschuhen befreite. Jede Woche eine neue Welt, verbunden durch die unerschöpfliche Lust am Erzählen und dem Leben innewohnenden Mysterium, eben jener titelgebenden fünften Dimension, ohne die es später „Akte X“ nie gegeben hätte. Reihenweise Inspiration und Talentschmiede für unzählige Stars, von denen einige ihre Entdeckung diesem Format verdanken, und es von dort aus auf die große Leinwand schafften. Wem das nicht als serielle Erzählung genügt, möge vom unter der Treppe wohnenden Haustier der „Munsters“ gefressen werden. Weiter geht es stattdessen mit…
2) M.A.S.H.
Nie wieder waren wohl Form und Inhalt so zu einer Einheit verschmolzen wie in diesem Fall. Die Serie hat mich durch die Schulzeit begleitet, wo man auch festsaß ohne es zu wollen, und von Hawkeye und Co. konnte man sich abgucken, wie man mit Situationen fertig wird, aus denen es kein Entkommen gibt. Die erzählerische Bandbreite dieser Serie überrascht immer wieder und stand ihrer Film-Vorlage in nichts nach. Danach habe ich dann “UFOs über Duisburg gesichtet”:
3) KOTTAN ERMITTELT
Während die beiden von „Ein Fall für Zwei“, „Der Alte“ und „Derrick“ noch am ewig austauschbaren „Tatort“ ermittelten, stellten die Österreicher das Genre komplett und erfrischend auf den Kopf. So frech, respektlos, witzig, musikalisch und anarchisch konnte Fernsehen sein? Fantastisch! Und es gab den ersten nackten Busen, den ich im Fernsehen entdeckte. Ja, den zweiten auch – treten ja meist paarweise auf. Und dann traf Kurt Weinzierl auf den weißen Hai am Kaffeeautomaten. Nie war Narration so gleichgültig und das Ergebnis so du-du-du-di-dumm-dumm. Schrammel forever!
4) MAGNUM, P.I.
Ich weiß, was Sie jetzt denken, und sie haben Recht: eigentlich gehört auf diese Position „Das Model und der Schnüffler“, die vielleicht einzige Serie der 80er Jahre mit einem Schuss Selbstironie und erzählerischer Experimentierlust – wo sonst gab es in einem Teaser Orson Welles höchstpersönlich zu sehen? Eben. Aber den Titelsong von Al “Boogie Down” Jarreau konnte ich noch nie leiden. Glücklicherweise kann man da heute ja vorspulen. Ansonsten lehrten einen die Fernsehserien der 80er Jahre das Fürchten in ihrer konditionierenden Formelhaftigkeit. Nach diesem Jahrzehnt hatte man zwangsläufig alles drauf, was zu einer Serie gehört, aber keine andere als „Magnum“ vereint alle Elemente so gekonnt zu einem Ganzen und war dabei doch ein Hauch mehr als die Summe seiner Teile. Angefangen beim Titelthema von Mike Post – ok, von dem stammen auch fast alle anderen US-Serien-Themen der 80er. Aber nur diese hatte einen geliehenen Ferrari auf Hawaii. Und einen schicken Hubschrauber (man komme mir bloß nicht mit „Trio mit vier Fäusten“). Und Tom Sellecks Schnurrbart!
Für all das durfte ich länger aufbleiben und lernte die vielleicht wichtigste Lektion in Sachen Figurenkonstellation, die anderen Serien meilenweit überlegen war: wenn einen der Fall der Woche nur marginal interessierte, dann nur, weil man am Alltag der Figuren Anteil hatte. Hier schimmerte ein horizontales Interesse durch, das am Interessantesten war. Da störte selbst die gemeinsame Vietnam-Vergangenheit (nichts war damals inflationärer anzutreffen) dreier Figuren nicht mehr, begeisterten die running gags Zeus und Apollo, das odd couple aus Magnum und Higgins, deren stets unsichtbarer Hausherr… – dieses Setting habe ich lieben gelernt, wurde mir familiärer als bei all den Cosbys und Co. „Roseanne“ entdeckte ich erst in den 90ern wirklich für mich, und Al Bundy beendete ein für alle Mal die fürchterliche Familienserienidylle.
5) DEKALOG
Das Format des Fernsehens sprengte Krzysztof Kieślowski mit diesem Meisterwerk, zwei Folgen kamen in einer verlängerten (und veränderten) Schnittfassung ins Kino. Jede Episode eröffnete eine neue Welt, ein lose miteinander verflochtenes Konzentrat, das in seiner Intensität jeden berührt, und an den Grundfesten unserer Existenz rüttelt. Auf einen Schlag war das serielle Erzählen erwachsen geworden, und ich direkt mit ihm. Kann man gar nicht oft genug sehen, und sich jedes Mal den darin aufgeworfenen ethischen Fragen stellen, die mitnichten von irgendeinem Gebot hinreichend beantwortet werden.
6) TWIN PEAKS
Danke, David Lynch und Mark Frost. Erstmalig wurde eine Serie richtig horizontal erzählt, postmodern; alles durfte mit rein und das Ergebnis war neu, aufregend und machte Spaß. Hier war und ist für jeden etwas dabei. Die ersten zehn Minuten der zweiten Staffel sind mit das Großartigste, was ich jemals im Fernsehen gesehen habe, jenseits aller Konventionen, eine schenkelklopfende, filmische Vollbremsung. Das traut sich bis heute so keiner mehr. Nur schade, dass uns ABC um die Serie „Mullholland Drive“ betrogen hat, die hätte ich zu gerne in ihrer ganzen Pracht „On the Air“ gesehen (genau wie jene weitere unvollendete Lynch-Serie).
7) DIE ZWEITE HEIMAT
Neben „Dekalog“ mein absolut gleichwertiger Lieblingsfilmzyklus. Serie mag ich es gar nicht nennen, so weit lassen Beide das gewohnt Serielle hinter sich. Hier steckt alles drin, was man sich von dem Medium wünschen kann: Autobiografisches verschmilzt mit Fiktion, Reflexion und einer über das Kino hinaus (Musik! Lyrik! Kunst! Poesie! Terror!) weisenden Lust am Fabulieren, die danach so nicht wieder erreicht wurde. Hier wurde einem auch Hochkultur um die Ohren gehauen, ob es einem passte oder nicht. Zu keinem Moment erfolgte eine Anbiederung an den Zuschauer, nie wurde er ernster genommen und blieb sich so gänzlich allein überlassen. Nie war die Avantgarde langsamer zu bestaunen und schöner anzuschauen. Eine mündige Erzählung für selbstständig denkende Menschen. Mehr dazu in unserem Juli-Podcast!
8 ) GEISTER
Dass es überhaupt nicht auf production value ankommt, brachte mir Lars von Trier mit diesem Geniestreich bei. Unverschämt unterhaltsam und mit einem Charme, dem man sich kaum entziehen kann. Nicht sehr geistreich (hö, hö), dafür aber ungemein witzig.
9) THE WIRE
Nach langer Durststrecke sind es ein Journalist und ein ehemaliger Polizist, die dem Genre der Fernsehserie neues Leben einhau(ch)en, und alles, aber wirklich alles richtig machen, weil sie nur von Dingen erzählen, die sie aus eigener Erfahrung kennen. Darin zeigt sich eine gewisse Verwandtschaft zu Kieślowski und Reitz, nur diesmal auf dem amerikanischen Kontinent, gute zehn Jahre später. Sonst hätte ich mir den Begriff Avantgarde auch sparen können, oder?
10) MAD MEN
Daran muss sich derzeit alles messen lassen. Bei Matthew Weiner laufen alle Fäden zusammen, eleganter kann man nicht erzählen. „Mad Men“ ist aktuell mein Goldstandard der Serie, obwohl noch die sieben abschließenden Folgen ausstehen. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass sie das Niveau halten werden. Aus dem Schatten dieser Serie ist in meinen Augen noch keine Serie jüngeren Datums hervor getreten und wird es in absehbarer Zeit auch nicht tun. Viel eher könnte es mit dem dritten goldenen Zeitalter der Fernsehserie schon wieder vorbei sein. Wie ich darauf komme? Während immer mehr Hollywood-Regisseure und Darsteller zum Fernsehen überlaufen, wandte sich Edgar Reitz, der seiner Zeit immer noch voraus ist, nach fast 35 Jahren wieder dem Medium zu, aus dem er kam: dem Kino, der „Anderen Heimat“. Das sollte uns zu denken geben.
DEKALOG hatte ich gar nicht mehr auf den Schirm. echt gute Filmreihe. hast Geschmack 😉
Nahezu alles von Kieślowski ist wunderbar zeitlos, vermutlich weil sich die grundsätzlichen Fragen und Probleme der Menschen die gleichen bleiben, im Osten wie im Westen. Etwas vergleichbares habe ich aus Amerika noch nicht gesehen, allein vom Umfang her böten sich da höchstens die Weltkriegsdramen BAND OF BROTHERS und THE PACIFIC an, die ich aber beide nicht gesehen habe. Dafür erinnere ich mich noch dunkel an SHOGUN, das mochte ich als Kind auch irgendwie, genaueres ist nicht hängen geblieben, nachdem Richard Chamberlain aufgrund der DORNENVÖGEL in meiner Gunst sank – dabei spielte er sogar mal den ersten Jason Bourne! Apropos Agenten, was ist mit SMILEY’S PEOPLE? Vielleicht sollten wir auch mal was zu abgeschlossenen Mini-Serien machen… an meinem Favoritenplatz für den DEKALOG wird das aber nicht rütteln. Und, äh, danke.
Ich habe mir gestern Abend mal direkt nochmal „Dekalog, Eins“ (Du sollst keine anderen Götter haben neben mir) angeschaut. (auch für Atheisten wie mich Interessant) Ich habe Teile dieser Serie in der nach Wendezeit gesehen, und nicht wirklich verstanden. Nun Heute ein viertel Jahrhundert nach den politischen Umbrüchen der „Ostblock“ Staaten stelle ich fest, was Kieślowski in Polen im Jahr 1988/89 für ein Meisterwerk erschaffen hat. Wem „Kolya“ und „Heimat“ gefällt, und wer eine gewisse Affinität zu Osteuropa besitzt, sollte sich diese Filmreihe auf jeden Fall ansehen. (Ist allerdings nicht leicht zu bekommen) (wieder)entdeckung des Jahres! Danke dafür.