Das „Whoniversum“ ist längst nicht nur in der TV-Serie selbst schier unüberschaubar geworden, es hat sich auch in alle möglichen anderen Medien ausgeweitet. Seit einiger Zeit widmet sich in Deutschland auch der Verlag Cross Cult den Abenteuern des Zeitreisenden. Vor kurzem erschien ein Roman von Gary Russell, der auch schon an der Fernsehserie selbst mitschrieb.
Es ist ein eher trauriger Anlass, der den Doctor und Donna in das London der Gegenwart und nach London zurückkehren lässt: der Todestag von Donnas Vater, den sie gemeinsam mit Wilf und ihrer Mutter Sylvia verbringt. Während Donna und Sylvia in die gewohnte Streitroutine verfallen, nimmt Wilf den Doctor zur Seite: Der Amateur-Astronom hat nämlich eine neue Freundin, die er für den Tag eingeladen hat und zudem platzt er vor Stolz – wird doch ein neuer Stern, den er entdeckt hat, nach ihm benannt. Das erregt das Interesse des Doctors und als er feststellt, dass dieser neue Stern eigentlich keiner sein kann, stellt er Nachforschungen an. Donna freut sich zwar darüber, dass Wilf eine neue Freundin hat – doch die Sache hat einen Haken: Netty hat Alzheimer und gleitet mehr und mehr ins Vergessen ab. Währenddessen ist der Doctor einem ominösen Computer auf die Spur gekommen, der irgendwas mit dem neuen Stern zu tun zu haben scheint – und dann besteht anscheinend auch noch eine geheimnisvolle Verbindung zwischen unterschiedlichen Menschen, die sich alle im astronomischen Zentrum in der Nähe von London treffen…
„Wunderschönes Chaos“ erschien in England als Teil einer Buchreihe zum 50-jährigen „Doctor Who“-Jubliläum, die teilweise alte Abenteuer neu auflegte. Dieser Roman ist allerdings ein neues Abenteuer für eine Begleiterin, der bisher im „Whoniversum“ nur ein Hörspiel – ebenfalls in einer Jubliäumsreihe – gewidmet wurde. Drehbuchautor Gary Russell ist dabei ein Paradestück gelungen. Er beginnt das Buch mit einem Prolog, der nach der vierten Staffel spielt, und lässt damit bereits das Thema der Erinnerung anklingen, das durch Nettys Alzheimer-Erkrankung den Roman durchzieht. Was ist Erinnerung, fragt Russell. Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es nicht – dafür aber eine handfeste Überraschung, was den Gegner des Doctors anbelangt. Da Gary Russell zuvor Drehbücher für die TV-Serie schrieb, hat er keine Probleme, den richtigen Ton für die Figuren zu finden: Donna ist herrlich schnippisch und zynisch, Russell gelingt es aber auch, ihren sanften Kern zu zeigen. Auch Wilf ist hervorragend porträtiert – das Bravourstück ist aber Netty. Ihr Schwanken zwischen energiegeladener Persönlichkeit und vergesslicher alten Frau ist großartig, an einigen Stellen muss man als Leser schon arg schlucken. (Christian Spließ)
Gary Russell: „Doctor Who: Wunderschönes Chaos.“ Deutsch von Susanne Döpke, Cross Cult 2013. TB, 260 Seiten, 12,80 €