Wer will schon die Revolution verschlafen? Alan Sepinwalls emotionales Buch über Fernsehserien

Luxbooks

Den US- amerikanischen Fernsehkritiker Alan Sepinwall kennen viele auch in Deutschland: als Blogger bei „What’s Alan Watching?“ oder von seinem Podcast „Firewall and Iceberg“. In seinem Buch „The Revolution Was Televised“, das im Original 2012 erschien, lässt er den Siegeszug neuartiger TV-Serien in den vergangenen 15 Jahren Revue passieren und viele Showrunner zu Wort kommen.

Früher war der Spruch „Ich hab ja noch nicht einmal einen Fernseher“ cool. Das Fernsehprogramm der späten 90er schrie tatsächlich nach einer Generalüberholung, auch in den USA. Mittlerweile haben auch Edelfedern des deutschen Feuilletons erkannt, dass es ein paar gute Serien gibt. Alan Sepinwall ist dagegen ein Schnellchecker. In seinem Buch „Die Revolution war im Fernsehen“ berichtet er von seinem Job als Fernsehkritiker – in seinen Augen seit 1999 der Traumjob überhaupt: „Ich wurde Zeuge eines gewaltigen Urknalls, der nicht nur die Grenzen dieses Universums erweitern würde, sondern auch die Art, wie wir es betrachten. Ich würde die Sopranos zu sehen bekommen.“ Das US-amerikanische Fernsehgeschäft änderte sich plötzlich dynamisch.

Mit viel Detailliebe erklärt Sepinwall, wie engagierten Fernsehmachern die Möglichkeit gegeben wurde, komplex erzählte, intelligente Serien zu entwickeln -und von den Wellen, die das schlug. Im Groben behandelt sein Buch: „The Sopranos“, „The Wire“, „Deadwood“, „The Shield“, „Lost“, „Buffy“, „24“, „Battlestar Galactica“, „Friday Night Lights“, „Mad Men“, „Breaking Bad“ und „Oz“, das als einzige der Serien in Deutschland weniger bekannt ist. Was wie eine sehr persönliche Auswahl erscheint, wird intensiv und emotional begründet. Zusätzlich gibt‘s genügend Querverweise und Schnellkritiken von vielen weiteren relevanten Serien.

Dabei macht Sepinwall nie den Fehler, allzu sachlich zu wirken – er ist eben ein Vollblutfan des seriellen Erzählens. Im Buch wimmelt es von Anekdoten, Gerüchten und Entstehungsgeschichten. Er ist ein unverbesserlicher Namedropper. Selten spart er an Superlativen, wenn er immer und immer wieder erklärt, was das ganz Besondere an eben jener Serie sei. Man hat das Gefühl, einem guten Kumpel in der Kneipe beim Schwärmen zuzuhören.

Trotzdem besteht nie Zweifel an Sepinwalls Sachverstand. US-Kritiker feierten den Text, den Sepinwall zunächst im Selbstverlag veröffentlichte. Aus der deutschen Übersetzung hat der engagierte Luxbooks-Verlag ein gut duftendes, prächtiges Buch gezaubert. Die englischen Originaltitel der Serien und Folgen wurden beibehalten.

Natürlich interessiert sich nicht jeder für den kleinteiligen Entstehungsprozess eines Piloten, die Botschaft des Buchs bleibt aber spannend. Im Internet geistert gerade ein Text eines Anonymen herum, der belegen möchte, warum in Deutschland die Fernsehrevolution ausbleibt. Tatsächlich sind die Produktionsbedingungen kaum vergleichbar und die wichtigen Entscheider hierzulande müssten den Versuch wagen, die heilige Quote vorübergehend links liegen zu lassen. Der Begriff „Revolution“ klingt in diesem Zusammenhang natürlich besser als er passt. Einen deutlichen Wandel der internationalen Serienvielfalt sollte aber jeder erwachsene Deutsche mitbekommen haben.

Die Fernsehlosen warnt Sepinwall – indirekt, wie es seine Art ist – mit einer Anekdote: Eine Freundin von ihm gestand, noch nie „Casablanca“ gesehen zu haben. Schnell halfen sie dem ab. Doch während des Films rümpfte die Dame unentwegt das Näschen ob all der Klischees. Ungehört blieb das Argument, dieser Film habe doch eben jene „Klischees“ erst erfunden. Wer jetzt die Revolution verpasst, der kann sie eben nie wieder nachholen.

Alan Sepinwall:Die Revolution war im Fernsehen. Übersetzt von Tom Bresemann, Christian Lux und Annette Kühn. Luxbooks 2014. 450 Seiten, Taschenbuch. 24,80

2 comments

  1. Als bekennendes Firewall&Iceberg-Fangirl muss ich besserwisserisch anmerken, dass es schon sein zweites Buch ist. Er hat vor einigen Jahren schon mal ein Buch über „OC California“ veröffentlicht.

    Aber schöne Review!

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