„Kreative Freiheit statt RTL-Budget“: Interview mit Turner-Programmchefin Anke Greifeneder über „Add a Friend“

Erst vor einigen Wochen konnte Anke Greifeneder als betreuende Redakteurin/Produzentin gemeinsam mit Quirin Berg (Produktion), Tobi Baumann (Regie), Sebastian Wehlings und Christian Lyra (Buch) einen Grimme-Preis für die erste Staffel von „Add a Friend“ entgegennehmen. Am Montag (6. Mai) startet nun bereits die Fortsetzung der ersten eigenproduzierten deutschen Pay-TV-Serie bei TNT Serie. Ein Anlass für ein Interview mit der Programmchefin von Turner Broadcasting System im deutschsprachigen Raum, Benelux, Mittel-/Osteuropa und Russland über die Erfahrungen mit der ersten Staffel, die Rolle der sozialen Medien in der Serie und die Frage, wie sich eine solche Produktion für Turner rechnet.

Nach wie vor vom Schicksal gebeutelt: Felix (Ken Duken); TM & © TURNER BROADCASTING SYSTEM. Foto: Arvid Uhlig

Was bisher geschah: Felix (Ken Duken) liegt nach seinem Autounfall immer noch mit lädiertem Bein im Krankenhaus, hat seine (heimliche) Jugendliebe Julia (Friederike Kempter) aber endlich auch persönlich wiedergesehen. Lässt sich das Knistern, dass die Beiden bei ihren Gesprächen via Webcam gespürt haben, auch ins „echte“ Leben herüberretten? Felix‘ bester Freund Tom (Friedrich Mücke) ist seinen alten Bankjob los, versucht weiterhin, seine Spielsucht in den Griff zu bekommen – und findet sich bald statt mit seinem Sohn im Urlaub in einem Büro in der Wall Street wieder. Und dann ist da noch die charmante Krankengymnastin, die Felix mehr als nur ein bisschen verlegen macht…

Man kann den Autoren der Serie nicht vorwerfen, dass sie auf der Stelle treten würden. Tatsächlich wirken die ersten beiden Folgen der neuen Staffel wesentlich runder als der Serienauftakt im vergangenen Jahr. Der Tonfall erscheint ernster, erinnert fast schon an die Serien, die bei US-Pay-TV-Sendern zwar unter dem Label Comedy laufen, bei denen aber oft eher die dramatischen Elemente überwiegen („The Big C“, „Girls“). Auch die Figuren wirken inzwischen weniger stereotyp und Neuzugänge wie der prollige Zimmernachbar von Felix machen richtig Spaß. Nach wie vor ambivalent ist der ständige Einsatz von Google +, Chats und Webcam, der keinen erkennbaren Mehrwert für die Geschichte bringt. Programmchefin Anke Greifeneder sieht das naturgemäß anders…

Programmchefin und Ausführende Produzentin der Serie: Anke Greifeneder; Foto: Turner Broadcasting System/Johannes Simon

Frau Greifeneder, wie zufrieden sind Sie mit der Resonanz der ersten Staffel, sowohl was die Quote angeht als auch die Kritik?

Unsere Erwartungen wurden übertroffen. Es war für uns ja auch ein Wagnis, zum ersten Mal so eine aufwändige Produktion zu machen. Die Serie ist aber von wichtigen Zeitungen wohlwollend aufgenommen worden, wir haben 10.000 Fans bei Facebook und zwei wichtige Preise dafür bekommen, darunter den Grimme-Preis. Wir merken jetzt gerade, dass die Einschaltquote auch bei der Wiederholung der ersten Staffel noch stimmt. Ich muss aber auch klar sagen, dass die Quote für uns nicht im Vordergrund steht. Wir machen ja Pay-TV und da brauchen wir keine Marktanteile von 40 Prozent zu holen. Wichtiger ist die Nachhaltigkeit der Projekte. Wir haben keine Quotenschere im Kopf; wenn man die hat, werden viele Sachen sowieso gar nicht erst produziert. Bei uns besteht hingegen die Freiheit, ein gutes Produkt zu machen und auch mal etwas anderes auszuprobieren. Der Inhalt, das Konzept stehen dabei immer im Vordergrund.

Wie würden Sie die Produktionskosten im Vergleich zu US-Serien beschreiben?

Wir haben bewusst ein Konzept gewählt, dass sich mit dem Budget, dass wir zur Verfügung hatten, adäquat umsetzen lässt. Es gibt darin ja keine explodierenden Autos oder so etwas. Es war aber von Anfang an klar: Was wir machen, muss auch gut aussehen, wir haben an keiner Ecke gespart. Beispielsweise ist die Serie ja mit ALEXA-Digitalkameras gedreht worden, die auch für Kinofilme verwendet werden. Da es eine Ensembleserie ist, muss man das natürlich auch angemessen bezahlen, wenn man gute Leute gewinnen will. Wir hatten das Glück, viele Schauspieler zu bekommen, die sonst keine Serien machen, sondern nur im Kino zu sehen sind. Aber die ließen sich von dem Konzept überzeugen. Es ist für einen renommierten Schauspieler ja auch ein Risiko, bei der ersten Serie mitzumachen, die ein Sender produziert – und dann noch bei der ersten deutschen Dramedy fürs Pay-TV. Da kann man vorher nicht einschätzen, wie das wird und ob es Erfolg hat. Was geholfen hat, waren sicher die größeren Spielräume, die wir bieten konnten: kreative Freiheit statt RTL-Budget.

Von Google + ins echte Leben: Julia (Friederike Kempter); TM & © TURNER BROADCASTING SYSTEM. Foto: Arvid Uhlig

Inwieweit rechnet sich die Produktion einer solchen Serie für Turner? Welche Rolle spielen dabei andere Vertriebswege wie DVDs oder digitale Verkäufe?

Es gibt schon einen DVD-Partner. Mit der Veröffentlichung wird es allerdings noch etwas dauern, da der Fokus darauf liegt, dass es eine längere Zeit exklusiv im Pay-TV läuft. Wichtig ist für uns vor allem die Profilschärfung, die eine eigenproduzierte Serie bringt, dass man merkt, es tut sich was im deutschen Pay-TV. Das ist auch für die Plattformen wichtig, die unsere Sender verbreiten [Kabel- und Telefonnetzbetreiber, die die Pay-TV-Programme in ihren Paketen anbieten; die Red.], dass die sehen, dass wir von einer reinen Abspielstation für US-Serien weit entfernt sind. Es ist doch schön, wenn wir uns auch in Deutschland etwas trauen können. Das bringt Aufmerksamkeit und Wertschätzung für unsere Programme. Da wir vergleichsweise kaum Werbezeiten vermarkten müssen, spielt bei uns natürlich die Zufriedenheit der Zuschauer eine besonders wichtige Rolle.

Ist es denn wirklich wahrscheinlich, dass Ihre Abonnenten-Zahlen steigen, weil sie eine eigenproduzierte Serie wie „Add a Friend“ im Programm haben?

Die Affinität der Zuschauer zu bestimmten Sendern muss sich ja erst entwickeln. So etwas wie Serienkultur entsteht in Deutschland gerade. Da ist es für jeden Sender ein Pluspunkt, eigene gute Sachen anbieten zu können. „Add a Friend“ wird sicher nicht unsere einzige eigene Serie bleiben. Es geht vielmehr darum, eine Kontinuität zu erreichen.

Vom Format (ausschließlich Innenräume, begrenzte Settings, etc.), aber auch vom Produktionsniveau ist es im Grunde eine Sitcom, aber es ist weniger auf Pointe geschrieben, erinnert vom Tonfall eher an Dramedys à la Showtime oder HBO. Wo würden Sie die Serie verorten?

Wir nennen es Dramedy, nicht Sitcom oder Comedy. Es geht nicht um die Gagdichte pro Minute. Wir schneiden ja auch ganz andere Themen an als klassische Sitcoms: Beziehungen, Krimielemente…

Im Zentrum der Finanzkrise angekommen: Banker Tom (Friedrich Mücke); TM & © TURNER BROADCASTING SYSTEM. Foto: Arvid Uhlig

Soll es reine Unterhaltung sein oder auch eine tiefere Aussage vermitteln, etwa Gesellschaftskritik? Das bietet sich bei Themen wie Kommunikation über soziale Medien oder einem Wall-Street-Banker als Hauptperson ja an.

Im Mittelpunkt steht mit den sozialen Medien natürlich ein Zeitgeistthema. Ob die Serie Kritik daran übt, sei dahingestellt. Wir wollen den Umgang mit diesen neuen Kommunikationsformen zunächst so darstellen, wie er eben inzwischen für viele zum Alltag gehört. Man kann mit ihnen sinnvoll umgehen oder sich darin verlieren. Die Hauptfigur Felix ist ja in einer Ausnahmesituation, dadurch, dass er im Krankenhaus liegt und seine sozialen Beziehungen nur über den Laptop und die Webcam aufrechterhalten kann. Das ist eine authentische Situation, wie sie jeden treffen könnte. Bei der Figur des Tom, dem Banker, geht es eher darum, die Entwicklung auf dem Finanzmarkt in den vergangenen Jahren als Teil unseres Alltags in der Serie zu spiegeln als mit erhobenem Zeigefinger zu arbeiten.

Spielen die sozialen Medien und die ständige Kommunikation via Webcam und Chat eigentlich wirklich eine inhaltliche Rolle oder ist das alles nicht im Grunde doch nur ein hipper Aufhänger? arte hat ja gerade seine Serie „About: Kate“ gestartet, in der die Rolle, die soziale Medien im Leben junger Menschen spielen, weit innovativer umgesetzt wird. Dort vermischt sich wirklich die persönliche Gedankenwelt mit den Eindrücken, die aus Facebook und Co. auf die Hauptfigur einstürmen. In „Add a Friend“ werden die sozialen Medien hingegen hauptsächlich für Gespräche genutzt, die im Grunde ja genauso auch persönlich oder am Telefon verlaufen könnten.

Am Telefon ginge es schon mal nicht, da dann die mimischen Reaktionen verloren gehen würden. Wichtig war uns vor allem, die Gespräche via Webcam authentisch einzufangen. Die Darsteller sollten sich direkt anspielen, um auf ihr Gegenüber reagieren zu können, statt einfach alleine in einer Green Box zu spielen. Das war auch eine technische Herausforderung, weil die Kamera ja beide Seiten der Unterhaltungen einfangen musste.

Die zweite Staffel läuft ab dem 6. Mai montags ab 20 Uhr 15 bei TNT Serie.

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