2016 hatten die zwei besten Serien des Vorjahres, „The Leftovers“ und „Fargo“, Pause. Im goldenen Zeitalter der Serienwelt ist das allerdings leicht zu verkraften – wie schon in den Jahren zuvor gab es einfach zu viele gute Serien, als dass man sie alle hätte verfolgen können. Hier also meine persönlichen Highlights des Jahres.
Platz 10: „Stranger Things“ – Staffel 1
Allseits maßlos überschätzt – findet sich aber dennoch in meinen Top 10 wieder. Die Netflix-Produktion aus der Feder der Duffer-Brüder ist unheimlich atmosphärisch – das letzte Werk, das derart an die von Steven Spielberg geprägte Retro-80er-Atmosphäre erinnert hat, war J.J. Abrams‘ „Super 8“. Viel auszusetzen gibt es an „Stranger Things“ nicht – außer, dass es nicht wirklich etwas zu sagen hat und deshalb nur Bilder im Kopf hängen bleiben, nicht aber die Themen. Trotzdem ungemein unterhaltsam.
Platz 9: „Ku’damm 56“ – Staffel 1
In Deutschland sah es dieses Jahr ziemlich mager aus, was Serien betraf. Größter Lichtblick war wohl Annette Hess‘ neue Serie über eine Tanzschule in der Nachkriegszeit – und natürlich, wie könnte es anders sein, deren dunkles Geheimnis. Die faszinierende Familiendynamik hält unserer Gesellschaft den Spiegel vor, wie sehr sich doch die gesellschaftlichen Konventionen verändert haben – und wie manche Dinge doch noch gleich sind.
Platz 8: „Gilmore Girls – A Year in the Life“ – quasi Staffel 8
Kaum eine Serie war derart gehypet dieses Jahr wie die langersehnte Rückkehr der Gilmore Girls. In vielerlei Hinsicht war es zauberhaft, endlich wieder nach Stars Hollow zu kommen – nicht nur die Gesichter und Dialoge haben einem gefehlt, auch der unnachahmliche Humor des Städtchens ist einfach eine weitere Staffel wert gewesen (bester Gag im klassischen GG-Stil: die geheime Bar). Tonal lag die Serie überraschenderweise öfter daneben (Stichworte Paul, Musical, Fat-Shaming, Sookie war in der letzten Szene nicht anwesend!?), da kann die Miniserie nicht nahtlos an die sieben Staffeln anknüpfen. Andererseits war der Abschied von Edward Herrmanns Richard Gilmore das Emotionalste, was mir dieses Jahr vor der Flimmerkiste untergekommen ist.
Platz 7: „Westworld“ – Staffel 1
2016 gab es viele neue gute Serien. Endlich gelang auch HBO wieder einmal (scheinbar) ein neuer großer Wurf. „Westworld“ ist die Geschichte von Robotern in einem Western-Vergnügungspark, die es langsam Leid werden, das Spielzeug von reichen Sadisten (Menschen) zu sein. Die Serie hat ihre Schwächen – Dolores war nach dem Piloten so eine vielversprechende Figur, aber so richtig konnte sie sich in Staffel 1 nie von ihren Beherrschern befreien – aber hat wie kaum eine andere Serie dieses Jahr die Leute zum Diskutieren und Miträtseln gebracht – und das hat richtig Spaß gemacht! Weil die Serie thematisch so nährreich ist, belohne ich sie mit Platz 7.
Platz 6: „Black Mirror“ – Staffel 3
Charlie Brooker ist ein verrücktes Genie. In der dritten Staffel seiner Anthologie-Serie kreiert er in sechs Folgen ebenso viele dystopische Zukunftsvisionen, die allesamt schon allein für sich gesehen großartige Produktionen sind – spannend, bedrückend, und fast immer verdammt clever. Egal, ob es sich um einen Blick zwei oder 200 Jahre in die Zukunft handelt – Brooker weiß stets intelligente Dinge über die Menschheit, ihre Schwächen und ihre Scheuklappen zu sagen. Dass einige seiner düsteren Prophezeiungen der früheren Staffeln mittlerweile in Erfüllung gegangen sind, zeigt, dass die Serie aktueller ist, als uns lieb sein kann.
Platz 5: „BoJack Horseman“ – Staffel 3
Lustig und doch bittersüß – „BoJack Horseman“ hat nichts von seiner magischen Anziehungskraft verloren. Na gut, vielleicht ein wenig – so ganz haben alle Gags für mich dieses Jahr nicht gezündet, vor allem mit diesem Nudelsieb-/Spaghetti-Handlungsstrang konnte ich nie wirklich was anfangen. BoJacks selbstzerstörerischer Drang und seine köstliche Oscar-Kampagne für eine Performanz, die er gar nicht abgegeben hat, sind hingegen hinreißend umgesetzt: witzig, Hollywood perfekt auf die Schippe genommen, und doch emotional absolut nachvollziehbar – BoJack im Poster zur Serie mit Soprano, Draper und Underwood zu vergleichen wirkt auf den ersten Blick wie Humor, stellt sich aber als durchaus ernstzunehmender, tragischer, aber auch künstlerisch beeindruckender Vergleich heraus. Nicht zuletzt liefert „BoJack Horseman“ dieses Jahr mit „Fish out of the Water“ die beste Folge des Jahres.
Platz 4: „Die Brücke“ – Staffel 3
Dritte Staffeln haben es mir heuer angetan. „Die Brücke“ ist zwar „nur“ ein Krimi und dadurch in ihren Ambitionen eingeschränkt, dafür aber so ziemlich die Perfektion dieses Genres. Die Krimihandlung wirkt zwar ebenso konstruiert wie in den Staffeln zuvor – es muss ja fast zwangsläufig eine Serie an Morden geben, um eine Krimihandlung zehn Stunden lang aufrecht zu halten – doch emotional ist die Staffel noch mal um eine gute Ecke bewegender als ihre Vorgänger.
Saga Norén war schon zuvor immer eine unheimlich faszinierende Protagonistin, aber in Staffel 3 schafft es Autor Hans Rosenfeldt, sie gleich in vielerlei Hinsicht neue und nachvollziehbare Wege schreiten zu lassen. Zudem gelingt ihm das unmöglich Scheinende: Martin Rohde durch einen noch interessanteren Partner für Saga zu ersetzen. Dass die zwei Ermittler eine sexuelle Beziehung eingehen, ist narratives Minenfeld – irgendwie schafft Rosenfeldt es aber doch, das klischee- und fremdschämbefreit umzusetzen. Das ist Drehbuchkunst in ihrer Höchstform.
Platz 3: „Game of Thrones“ – Staffel 6
Um „Game of Thrones“ gab es diesen Frühling keinen Weg herum. Der Hype ist aber auch berechtigt – die Buchvorlage ist in meinen Augen eine der größten literarischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, und die Umsetzung ist auch nicht von schlechten Eltern. Auch wenn der wahre König dieses Jahr nicht mehr von der Partie war (RIP Stannis the Mannis) gibt es in Staffel 6 noch immer unzählige Figuren, denen man nur das Beste wünschen kann – auch wenn die manchmal auf unterschiedlichen Seiten des Kriegs stehen.
Es gab auch ein paar Schwächen – die Verfolgungsjagd durch die Straßen von Braavos, nachdem Arya schwer verwundet war -, aber deutlich mehr Highlights. Unvergessen werden wohl die Schlacht um Winterfell sowie das große Finale bleiben. Und dann gab es da noch diese Szene rund um Hodor – ein schon von Anfang an geplanter Twist, den die Serie fünf Staffeln lang geduldig im Köcher hat ruhen lassen, um damit die wohl überraschendste Wendung des Jahres 2016 zu kreieren.
Platz 2: „Orange is the New Black“ – Staffel 4
„Orange is the New Black“ ist jeden Sommer ungefähr zwei Wochen lang in aller Munde, nur um anschließend fast wieder in Vergessenheit zu geraten. Relativ gemessen an der Qualität der Serie zumindest, denn OITNB ist einfach nahezu perfekt in allen Belangen. Die guten und spannenden Charaktere lassen sich nicht auf ein Dutzend reduzieren – es sind zig, und alle so einzigartig und originell. Dabei ruht sich die Serie nie auf ihren Lorbeeren aus, sondern fügt jede Staffel nochmal neue, erneut interessante Figuren hinzu – und schafft es dennoch, Zeit für die alten, liebgewonnenen zu finden und sie in neue, authentische Richtungen zu entwickeln. Zu alledem kommt noch die wichtige Botschaft hinzu: Die Serie beleuchtet das US-amerikanische Gefängnissystem aus vielen Blickwinkeln und kommt zum Schluss: So kann es nicht funktionieren.
Platz 1: „The OA“ – Staffel 1
Gerade erst vor wenigen Tagen erschienen, ist es schwierig, „The OA“ mit ähnlichen Augen zu betrachten wie eine Serie, die etwa schon vor zehn Monaten ihre Premiere feierte (wie zum Beispiel „Die Brücke“). Dennoch: „The OA“ hat mich thematisch angesprochen und berührt wie keine andere Serie dieses Jahr. Dabei wird nicht jeder sie lieben – sie gilt als polarisierend, und ich habe schon von vielen gelesen, die vom Ende vollkommen enttäuscht waren. Ich hingegen war ganz und hin weg.
Dieser Sci-Fi-Drama-Mystery-Thriller um eine blinde, sieben Jahre verschwundene Frau, die nun wieder aufgetaucht ist und plötzlich sehen kann, ist eine Serie, die einen schmalen Grat zwischen esoterischem Hokuspokus und metaphysischer Poesie wandert, der einem eben zusagt oder nicht. In gewisser Weise ist die Serie, wie auch schon mein Favorit der letzten Jahre, „The Leftovers“, eine Meditation über das Geschichtenerzählen selbst: Warum glauben wir an Geschichten? Was für eine Kraft besitzen sie? Und ist es wichtig, ob sie wahr sind oder nicht, wenn sie uns wachsen lassen? Eine Serie, die zum Nachdenken und Diskutieren anregt, so mondän einige Ereignisse auch auf ersten Blick erscheinen mögen – „The OA“ ist meine Serie des Jahres.
Für mich persönlich war The OA auch ein Highlight und eine richtige Überraschung! Die Meinungen gehen ja sehr auseinander was die Serie betrifft, deswegen kann ich mir jetzt noch gar nicht vorstellen ob das eine zweite Staffel bekommt oder nicht. Marling und Batmanglij hätten da ja angeblich schon einen Plan wie’s weitergehen soll, aber irgendwie wäre ich auch nicht böse wenn’s so stehen bleibt wie es jetzt ist. Ihre Filme hören ja auch immer so auf.
Auch ein Marling-Fan, das lob ich mir! Also ich würd mir schon sehr wünschen, zu erfahren, wie die Performance von BBA und Co. angekommen ist, und was genau der Cliffhanger zu bedeuten hat, und vor allem: ob OA und Homer zusammenkommen. :-))
Naja wissen würd ich’s natürlich auch gern! Es hat mich aber nicht überrascht, dass es relativ offen endet.
Hab’s jetzt auch geguckt und fand die ganze Staffel ziemlich toll. Kann mir allerdings gar nicht vorstellen, wie eine zweite Staffel aussehen sollte. Trotz des Endes, das mehrere Interpretationen des Gesamtgeschehens zulässt, wirkt das Ganze für mich wie eine von Anfang an so angelegte abgeschlossene Geschichte mit Beginn, Mittelteil und Ende. Eine Fortsetzung könnte man ja nur machen, wenn man das mehrdeutige Ende auflösen würde – und das würde es kaputtmachen.
Ich kann mir eine Folgestaffel inhaltlich auch nicht vorstellen aber habe in einem Interview gelesen (Quelle weiß ich jetzt leider nicht mehr), dass Marling und Batmanglij da eigentlich schon einen Plan für mehrere Staffeln (3?) gemacht haben.