Bevor im Winter Staffel 3 im Fernsehen anrollen soll, strahlt der ORF noch einmal die ersten beiden aus. Im Staffelfinale schnürt „CopStories“ die prominentesten Handlungsstränge zusammen: Helga reicht es mit ihrem Ehemann endgültig, Efe begeht einen großen Fehler, und Roman vergeht bei einen Einsatz erstmals der Optimismus.
Die letzte Folge einer Staffel zu sein ist Fluch und Segen zugleich: Einerseits sind die Erwartungen höher, andererseits tendieren Serien dazu, Ereignisse geschehen zu lassen, die den Status Quo mehr als für gewöhnlich ändern. In „Bist du deppert“ passiert genau das – ein Grund dafür ist, dass es die beste Folge der ersten Staffel ist.
Einer für alle, alle für einen
Der andere Grund ist, wie wunderbar das ganze Ensemble als einheitliches Team am selben Stramm zieht. Ein Staffelfinale wie dieses, das sicher auch die letzte Folge der Serie hätte werden können (zum Glück nicht!), gibt uns die Gelegenheit, das Vergangene noch einmal innerlich Revue passieren zu lassen. Wenn Bergfeld damit beeindruckt, in aller Entschlossenheit die gesamte Mannschaft zusammenzutrommeln, erzeugt das unweigerlich die Erinnerung, dass er erst zu Beginn der Serie dazugestoßen ist – genau wie Tina, die vom Angeschossenen persönlich bei ihrem Berufseinstieg betreut wurde.
Die Autoren nutzen die Erwartungshaltung für „Bist du deppert“ insofern, als dass die Folge ein Resümee der ersten zehn Folgen zieht – zwar nicht in allen Handlungssträngen (Matthias‘ Beziehung zu Chantal oder Eberts‘ Rassismus-Therapie wurden beispielsweise in der Vorfolge abgehakt), aber doch im Sinne des Teamgeistes, der durch das Zusammenkommen und -helfen bei Romans Verwundung an die Vorderfront tritt. „CopStories“ verwendet Romans Verletzung nicht nur dazu, um die Dramatik in die Höhe zu schrauben, sondern lässt dadurch zudem elegant eines der prominenteren Themen der Serie in den Vordergrund rücken: das Arbeitsumfeld als Ersatzfamilie.
Um diesen Effekt zu erzielen, wird Roman nicht erst am Ende der Folge angeschossen, um dann bloß als Cliffhanger zu fungieren; stattdessen lässt uns „CopStories“ direkt mit Helga, Flo und Co. um sein Leben bangen. Der Fall selber, die Suche nach dem Schützen, ist umfangreich genug, um beinah die ganze Mannschaft zu beschäftigen – und fast jede(r) erhält einen Moment im Rampenlicht. Während Helga, Tina und Matthias Roman am nächsten stehen und dementsprechend von der Rolle sind (sich aber gleichzeitig um Romans endlich erscheinende Mutter kümmern müssen), lösen Lukas, Leila, Eberts und der Glatzkopf den Fall. Gerade der Tumult bei der Vernehmung der vielen Zeugen und Verdächtigen („Und wenn der stirbt… war das eiskalter Mord!“) verbindet Betroffenheit und Größe des Falls recht beeindruckend.
„Von nun an stehst du in meiner Schuld!“
Einzig Altan verpasst den Großeinsatz, was wunderbar in dem kleinen Moment eingefangen wird, als er ins fast leere Präsidium geht. Es wird zwar langsam ein wenig eintönig, dass Efe Altan immer wieder in neue Schwierigkeiten mit Dogan hineinzieht, aber andererseits sorgt „CopStories“ in Folge 10 dafür, dass die neue Schuld eine längerfristige ist und damit die Segel für Staffel 2 setzt. Das geschieht wegen der thematischen Wiederholung nicht unbedingt durch die Schuld von 40.000 Euro selbst, sondern vielmehr aufgrund dessen, was sich Altan für seinen Bruder antun muss.
Es ist immer beeindruckend, wenn eine Szene wortlos mehr als tausend Worte aussagen kann – und keine „CopStories“-Szene tut das besser als Altans brutaler Angriff auf seinen Bruder. Altan weiht Efe nicht wirklich ein, was er vor hat, um die Tortur nicht unnötig zu vergrößern, und Efe weiß eh instinktiv, warum ihm sein Bruder das antun muss. Was also nach außen wie ein brutaler Akt der Gewalt aussieht, ist in Wirklichkeit ein Ausdruck der Bruderliebe. Schon die ganze Staffel über faselt Dogan davon, wie wichtig Familie doch ist – hier im Staffelfinale beweisen die beiden jedoch, dass sie es sind, die durch Dogan einander näher rücken und sich gleichzeitig gegen diesen verbrüdern müssen, egal wie schmerzhaft das für sie auch ist. Die Szene funktioniert also nicht nur für sich gesehen und als Cliffhanger, sondern auch als Ende eines Handlungsbogens, den die Serie über die ganze Staffel gespannt hat.
Eberts‘ Geschichte, wie er einmal das Gleiche erleben musste, spricht die Schuld, die Altan sich dadurch aufzuerlegen hat, recht direkt an. Trotzdem verliert die abendliche Szene in Efes Dönerladen in keinster Weise ihre Wirkung. Musik, Kameraführung und natürlich das Zusammenspiel von Deniz Cooper und Fahri Yardim machen die Szene zum Highlight der Staffel. Es tut weh, Efe so in Mitleidenschaft gezogen zu werden sehen, und es schmerzt auch, Altan sich das zum Wohle seines Bruders antun zu sehen – es ist schwierig zu sagen, wem es mehr weh tut: Ist es Efe, der grün und blau geschlagen wird und sämtliches, ihm doch so wichtiges Ansehen im erweiterten Familienkreis verliert, oder Altan, der an diesem Abend ein gutes Stück seiner Seele verkauft, um seinen Bruder zu retten?
Schade bloß, dass die Geschehnisse von „Kopfschüssler“ im Finale keine große Rolle spielen, sondern entweder unter den Teppich gekehrt werden oder erst in Staffel 2 Konsequenzen haben: Dass Altan niedergeschlagen wurde und Dogan ihn (zurecht) eines falschen Spiels bezichtigt, findet in „Bist du deppert“ keinerlei Anklang. Es macht sich bemerkbar, dass sich „CopStories“ auch in dieser Hinsicht wiederholt: Dogan verlor in Folge 9 nach Altans instinktivem Griff zur Waffe sein Vertrauen in ihn, in Episode 10 scheint das allerdings wieder keine wirkliche Rolle zu spielen – und das Spiel beginnt wieder von vorn. Solche Vorfälle sind für sich gesehen recht spannend, aber nutzen sich auf Dauer schnell ab. Hoffentlich kann Staffel 2 da eine klarere Richtung, ohne häufiges Hin und Her, vorgeben.
Ein ernstes Finale
„Bist du deppert“ ist eine ernstere Episode als seine Vorgänger, und so verzichtet sie als erste Folge seit langem darauf, einen primär witzigen Handlungsstrang zu behandeln. Nicht zuletzt deshalb wirkt die Folge wie aus einem Guss: Auch wenn „CopStories“ mal weniger Handlungsstränge in einer Episode verfolgt, haben gleich mehrere Polizisten und Kommissare ihre Finger in unterschiedlichen Fällen im Spiel. Bergfeld muss beispielsweise nicht nur nach Romans Verletzung seinen kühlen Kopf bewahren, sondern auch in Helgas Privatfehde mit ihrem Taugenichts-Ehemann schlichten – indem er das erstaunlicherweise in nur ein paar kurzen Sätzen schafft, beweist er erneut, dass sich das Team unter seiner Führung in guten Händen wiegen kann.
Was gilt es also für die zweite Staffel zu wünschen? Zum einen gibt es da natürlich noch jede Menge offene Handlungsstränge, etwa Chantals bevorstehende Heirat, Selmas und Bergfelds Beziehung und natürlich Romans Kampf mit dem Leben. Strukturell gibt es neben den öden Teasern wenig zu meckern: „CopStories“ zeigt, dass eine Vielzahl an Handlungssträngen der Spannung oder der Charakterisierung der Figuren nicht unbedingt Abbruch tun muss. Mit „Bist du deppert“ beendet „CopStories“ seine erste Staffel jedenfalls sehr vielversprechend – ein Glück also, dass Staffel 2 schon ab nächster Woche ausgestrahlt wird. Ebenfalls glücklich: Auch dazu wird es bei Fortsetzung.tv wieder wöchentliche Kritiken geben.
„CopStories“ Staffeln 1 und 2 werden seit dem 7. Juli jeden fußballfreien Dienstag um 21.05 Uhr auf ORFeins ausgestrahlt. Danach sind die Folgen jeweils für sieben Tage in der ORF-TVthek (auch weltweit) verfügbar. Beide Staffeln sind als DVD erhältlich.
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