Von „Hitlers Hundeführer“ in die „Zombieklinik“: Staffel 2 der ZDF-Selbstparodie „Lerchenberg“

Wieder gemeinsam auf der Jagd (nach Quoten): Billie Zarg (Eva Löbau), Sascha (Sascha Hehn); Fotos: ZDF/Christopher Aoun

2013 überraschte das ZDF mit dem Mut zur Selbstparodie in der Sitcom „Lerchenberg“. Zwei Jahre später legt die Anstalt vier weitere Folgen nach und schreckt dabei vor wenig zurück. Von CDU-Funktionären in der Chefetage bis zu quotenhörigen Redakteuren bekommt jeder sein Fett weg. 

Wir erinnern uns: Im ersten Staffelfinale bekam Sascha Hehn endlich seine Traumrolle als Kapitän auf dem „Traumschiff“ (wenig später auch im echten Leben respektive ZDF). Seine Redakteurin Billie Zarg (Eva Löbau) hatte es sich hingegen mit allen Vorgesetzten verdorben und wurde zum Strafdienst beim Publikumsverkehr versetzt – im Mainzelmännchenkostüm. Dort verteilt sie noch immer Eis, als Sascha wieder im Sendezentrum einfällt. Er will jetzt endlich Charakterschauspieler werden und dazu braucht er eine Redakteurin, die ihm entsprechende Rollen verschafft: Billie. Die bekommt also die Leitung der neueingerichteten „Redaktion Hehn“ und Sascha erst einmal Schauspielunterricht bei Iris Berben.

Während die erste neue Folge noch viel Exposition leisten muss (alle Hauptfiguren müssen erst einmal wieder zusammen- und auf ihre neuen Positionen geführt werden) und deshalb noch nicht so richtig aus den Pötten kommt, wird es ab Folge 2 wirklich wieder sehr lustig – und teilweise richtig schön böse: Seine erste Charakterrolle beim ZDF spielt Hehn ausgerechnet in einem TV-Eventmovie namens „Hitlers Hundeführer“ – und wird durch eine missverständliche Bemerkung im Frühstücksfernsehen als Gast neben Roberto Blanco des Rassismus verdächtigt. Dieser Handlungsstrang manövriert nah an der Grenze dessen, was in einer Serie mit „echten“ Figuren möglich ist und Blanco schreckt nicht davor zurück, auch einmal eine ernstere Seite seiner Selbst zu zeigen: „Glaubst du, es ist lustig, immer der Quoten-Schwarze für alle zu sein? ‚Tanz, Bimbo, tanz, sing für uns!'“ Nach seinem Auftritt vor wenigen Wochen als Reiseleiter in dem neuen WDR-Talkformat „Nachtrausch“ ist mir Blanco jetzt schon zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit sympathisch geworden.

Rassismusdebatte am Krankenbett: Roberto Blanco und Sascha Hehn
Rassismusdebatte am Krankenbett: Roberto Blanco und Sascha Hehn

Weniger überzeugend als nervig sind hingegen die Gastauftritte typischer ZDF-Gesichter wie Andrea Kiewel (kreisch!) und Antoine „Tech-Nick“ Monot jr., der leider über keinerlei komisches Talent verfügt – über schauspielerisches wohl auch nicht, so gekünstelt, wie er hier agiert. Großartig ist dann aber wieder die Handlung der dritten Folge, in deren Anfangsszene Hehn zunächst die Auftaktsequenz der erfolgreichsten Zombieserie nachspielt (Rick Grimes erwacht im Krankenhaus aus dem Koma), weil das ZDF jetzt das deutsche „Walking Dead“ dreht (mit dem ebenso einfallslosen wie schönen Titel „Spaziergang der Toten“). Weil das Hehn zwar endlich gute Kritiken, dem Sender aber verheerende Quoten bringt, sucht Billie den Rest der Folge nach dem legendären Quoten-Erfolgskonzept des ZDF, das seit den goldenen Zeiten der „Schwarzwaldklinik“ im Tresor des Programmdirektors schlummert. Am Ende schlüpft Hehn dann für die „Zombieklinik“ wieder in den Arztkittel – und es zeichnet die Treffsicherheit der „Lerchenberg“-Autoren aus, dass es nicht allzu absurd ist, sich vorzustellen, dass eine ZDF-Zombieserie genau so ähnlich aussehen würde.

"Walking Dead" à la ZDF: Sascha Hehn als Rick Grimes, Jochen Schröder alias Pfleger Mischa als Zombie
„Walking Dead“ à la ZDF: Sascha Hehn als Rick Grimes, Jochen Schröder alias Pfleger Mischa als Zombie

Respekt zeigen die Autoren um Felix Binder sowie die Produzenten Maren Lüthje und Florian Schneider auch diesmal vor Nichts und Niemandem innerhalb der Anstalt: Karriere machen kann man nur mit dem „kleinen Schwarzen“ (womit das Parteibuch gemeint ist), der Redakteur ist ständig auf Tagung in Uppsala (Stichwort: „Schwedenkrimis“) und keinen Rundfunkbeitrag zu zahlen, gilt hier als Kündigungsgrund. Interessant ist darüber hinaus, dass in Staffel 2 nicht etwa der Status Quo beibehalten wird (wie in den meisten Sitcoms über Dutzende oder gar Hunderte Folgen üblich), sondern sich bereits nach nur vier Folgen Charakterentwicklungen einstellen. So hat Billie längst ihren Idealismus und ihre Freundlichkeit abgelegt und ist auf bestem Wege, genauso eine zynische Karrieristin zu werden wie ihre ehemalige Chefin Frau Dr. Wolter. Und das „dumme Blondchen“ Judith (Cornelia Gröschel) entwickelt, nachdem sie endlich die heiß ersehnte Moderation von „Leute heute“ bekommen hat, plötzlich journalistischen Ehrgeiz bei ihren Starinterviews.

Die halbstündigen Folgen sind schnell geschnitten, weisen eine erstaunlich hohe Gagdichte auf und gewinnen natürlich dadurch, dass die Original-Designelemente des Senders verwendet werden dürfen. So wimmelt es überall vor den unvermeidlichen Mainzelmännchen (die aber gerne auch mal im Papierkorb landen) und es fehlt eigentlich nur noch, dass sich Sascha Hehn auch mal an der Wiederbelebung von „Wetten dass..?“ in der Originalkulisse versuchen darf (am liebsten in der von Frank Elstner, kommt dann wahrscheinlich in der dritten Staffel). Kurzum: So kann’s inhaltlich gerne weitergehen. Dann vielleicht auch mal mit mehr als vier Folgen und auf einem regelmäßigen Programmplatz, statt drei Folgen am Stück nach Mitternacht zu versenden.

Folge 1 am heutigen Freitag (18.9.) um 23 Uhr, die Folgen 2-4 am Montag (21.9.) ab 0 Uhr 10 im ZDF, Wiederholung ab dem 24.9. jeweils donnerstags um 23 Uhr 50 bei ZDFneo

2 comments

  1. Mir fiel Andrea Kiewel auch extrem unangenehm auf. Sehr gekünstelt. Dafür muss ich sagen, dass mir Jan Böhmermann in seiner Rolle als in der Nische verschwindender Jungmoderator (die er ja auch „im echten Leben“ einnimmt) unglaublich gut gefallen hat. Zudem darf Sascha auch größere Rollen spielen wie z.B. einen Bruce-Willis-Verschnitt in Folge 4. Die Staffel lässt sich gut hintereinanderweggucken. Bei einer Länge von 25 Minuten pro Folge geht das auch schnell.

    Eine Filmkritik ist in Arbeit und wird demnächst auf meinem Blog filmkompass.wordpress.com nachzulesen sein.

    1. Also mir sind ja vor allem die Drehbücher negativ aufgefallen, die aber vom Ensemble über die Ziellinie gerettet werden. Einer Anke Sevenich einen Text wie “Erst der Kuchen, dann die Bohnen, jetzt die Bücher. Wenn der so weiter macht, dann fragt noch einer was ich hier den ganzen Tag mach.” in den Mund zu legen grenzt an Körperverletzung. Mehr Erklärbär geht nicht. Ebenso schlimm ist, dass man sich nicht entscheiden konnte, ob man das jetzt mehr als überzogene Farce (Berben) inszenieren soll, oder weiter nur um Haaresbreite an der Realität vorbei, wie noch in der ersten Staffel. Beides zusammen geht einfach schlecht.

      Kritisch ist an den vier Folgen auch nichts, es werden nur diverse seit Jahren kursierende Vorurteile bestätigt, nur geht nichts darüber hinaus, das ist nie Basis einer sich daraus entspinnenden Farce. Man kann als Zuschauer dasitzen und sich denken „Ja, das hab ich auch schon mal gehört.“ und das war es dann auch schon. Die Kunst wäre es, da noch eine Ebene draufzusetzen, und das gelingt ihnen nur ein einziges Mal, nämlich wenn Billie mit Sascha vom morschen Hochsitz aus den Zuschauern einen „cut to black“ ins Gesicht schießt. Das war eine eigene Idee. Aber Parteibuch? Geheimrezept im Safe? Dann in der nächsten Folge zur Abwechslung eine Geheimakte? Wahnsinnig originell. Weder den Zombies, noch den Nazis oder dem hier sauber bleibenden Unterhemd von Bruce Willis fügen sie etwas hinzu. Ok, zugegeben, mit dem Bürostuhl über die Scherben rollen war gut. Aber sonst? Böhmermann spielt genauso sich selbst, wie immer, nur macht es einen Riesenunterschied, wenn ihn die Bildundtonfabrik frisch und frech inszeniert. Außerdem ist eine Minute Dendemann origineller, als 4 Folgen Leichenberg.

      Apropos Leichenberg: Warum konnte Billie auf kein Gewebeprobenlager im Keller stoßen (vergleichbar wie jenes der Stasi), die dort nur darauf warteten geklont zu werden, wenn die Technologie reif dafür wäre? Und das Glas von „Peter Frankenfeld“ fehlt im Regal, und dann die Gerüchte von dem Kind auf den Fluren des Sendezentrums …

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