Die Gerechtigkeit in den Zeiten der Globalisierung: „Das Verbrechen III“ auf DVD/BluRay

Die erste Staffel von „Forbrydelsen“ (deutscher Titel: „Kommissarin Lund – Das Verbrechen“) war 2007/08 der internationale Durchbruch für dänische Serien. Die innovative Erzählweise mit einem Mordfall, der sich über 20 Stunden erstreckte, und die ungewöhnliche Hauptfigur lösten eine ganze Welle von Nachfolgern und Epigonen aus, Norwegerpullis wurden Kult und auch dänische Serien anderer Genres fanden ihren Weg ins deutsche Fernsehen – siehe „Borgen“. Nach einer durchwachsen aufgenommenen zweiten Staffel hieß es in diesem Jahr Abschied nehmen. Jetzt liegt Kommissarin Lunds letzter Fall auf DVD und BluRay vor.

Wieder im Einsatz: Sarah Lund (Sofie Gråbøl) mit Niels Reinhardt (Stig Hoffmayer) und ihrem neuen Kollegen (Nikolaj Lie Kaas, r.); Fotos: DR

Nach dem Abstecher nach Afghanistan in Staffel Zwei beginnt „Das Verbrechen III“ vertraut: in Kopenhagen, kurz vor einer Wahl, und es dauert nicht lange, dann durchkämmen sogar wieder Polizisten mit Taschenlampen nachts den Wald auf der Suche nach einem verschwundenen Mädchen, wie in Staffel Eins. Diesmal handelt es sich um die kleine Tochter eines wichtigen Industriellen, des Inhabers der Großreederei Zeeland, Robert Zeuthen (Anders W. Berthelsen, „Italienisch für Anfänger“). Der konnte gerade noch verhindern, dass sein Vorstand die Produktion ins billigere Ausland verlagern lässt. Das wäre wiederum dem Premierminister Kristian Kamper (Olaf Johannessen) gar nicht gelegen gekommen, kämpft der doch gerade um seine Wiederwahl. Schnell wird klar, dass die kleine Emilie entführt wurde, und es dem Täter nicht nur um ein gewaltiges Lösegeld geht, sondern auch um Rache – scheint die Entführung doch mit einem alten Mordfall zusammenzuhängen, dessen Aufklärung damals vom Staatsanwalt gestoppt wurde.

Kaum, dass sie sich versehen hat, steckt Sarah Lund wieder im Sumpf wirtschaftlicher und politischer Interessen und Machtspiele. Wie weiland Ihr deutscher Kollege Horst Schimanski müsste sie als einfache Kriminalbeamtin da eigentlich kapitulieren, werfen ihr die eigenen Vorgesetzten doch ständig Knüppel in den Weg. Aber Kenner früherer Staffeln wissen natürlich, dass die toughe Kommissarin unbelehrbar ist und zudem mit einem extrem starken Gerechtigkeitssinn ausgestattet ist. „Die Gerechtigkeit“ wäre überhaupt auch ein guter Titel für die Serie gewesen, geht es doch genau darum: Wie und ob überhaupt diese in der heutigen Welt noch zu erlangen ist, wenn im Grunde die meisten „Leistungsträger“ ganz andere Interessen verfolgen.

Da ist die (Familien-)Welt noch heil: Robert Zeuthen (Anders W. Berthelsen) mit Tochter Emilie (Kaya Fjeldsted)

Eine private Nebenhandlung gibt es natürlich auch wieder: Zwischen den aufreibenden, erneut auf wenige Tage verdichteten Ermittlungen versucht Lund noch, ihren inzwischen erwachsen gewordenen Sohn zurückzugewinnen, der bald selbst (ungewollt) Vater wird. Außerdem wird ihr ausgerechnet ein ehemaliger Geliebter als neuer Partner zur Seite gestellt, der für den Geheimdienst arbeitende Mathias Borch (Nikolaj Lie Kaas, „Idioten“, „Open Hearts“). Dramatisches Potential hat die Handlung also mehr als genug, dennoch dauert es diesmal lange, bis sie richtig in die Gänge kommt. Auch die erste Staffel begann ja relativ konventionell, um sich dann zunehmend zu steigern, sowohl was die Spannung, als auch, was die Intensität der tragischen Entwicklungen anging. In der neuen Staffel plätschern die meisten Handlungsstränge leider lange Zeit weitgehend vor sich hin, bis sie sich erst in den letzten beiden der auf der Box enthaltenen fünf Folgen verdichten. Gegen Ende steigt dann nicht nur die Spannung, sondern Serienschöpfer und -autor Søren Sveistrup erweist sich auch einmal mehr als hervorragender Konstrukteur: Nahtlos fügen sich die verschiedenen Schauplätze und Elemente der Geschichte (Reederei, Regierung und Entführung) zusammen und ergeben ein düsteres Gesamtbild der kapitalistischen Gesellschaft, die immer nur die Kleinen frisst und die Großen mit allem davonkommen lässt. Sveistrup baut dann aber noch einen Schlusstwist ein, mit dem wohl niemand gerechnet hat und der das ungemein düstere Ende der ersten Staffel noch übertrifft.

Das Leid der Welt in einem Gesichtsausdruck

Das Ensemble fährt mal wieder fast alles auf, was das dänische Fernsehen und Kino an Spitzenschauspielern zu bieten hat. Kaas bleibt zwar leider als Lunds neuer Partner und love interest erstaunlich blass, aber mit Berthelsen, seiner Film-Ex-Gattin Helle Fagralid und Stig Hoffmayer als jovial-autoritärem Assistenten stechen andere Neuzugänge heraus. Sofie Gråbøl bestreitet im Grunde die zehn Stunden mal wieder mit einem Gesichtsausdruck, mit dem sie aber trotzdem verschiedene Nuancen menschlichen Leids perfekt auszudrücken vermag. Auch wenn die erzählerische Geschlossenheit und düster-dramatische Intensität der ersten Staffel nie erreicht wird, erweist sich der abschließende Fall durch das brillante Ende doch als würdiger Abschluss einer insgesamt bahnbrechenden europäischen Serie.

Weniger bahnbrechend ist leider die Minimalausstattung der deutschen DVD-/BluRay-Boxen, wie von Edel aber wohl nicht anders zu erwarten war. Weder finden sich Originalton oder Untertitel, von Bonusmaterial ganz zu schweigen. Aus unerfindlichen Gründen wurde auch darauf verzichtet, die ursprünglichen zehn Folgen, die für die ZDF-Ausstrahlung auf fünf Folgen umgeschnitten wurden, auf die Boxen zu packen, obwohl die eigentlichen Episodenenden dank mit der immer gleichen Musik untermalten Parallelmontagen deutlich erkennbar bleiben.

DK/D 2012. P.: Piv Bernth; B: Søren Sveistrup, Torleif Hoppe, Michael W. Horsten; mit: Sofie Gråbøl, Nikolaj Lie Kaas, Anders W. Berthelsen u.a. T.: Deutsch; UT: keine; 565 Min. Label: Edel:Motion. DVD/BluRay, ca. 26 €

Wir verlosen ein BluRay-Exemplar von „Das Verbrechen III“. Eine E-Mail mit dem Betreff „Lund“ und der Postadresse an bestellungen [at] torrent-magazin [punkt] de genügt zur Teilnahme. Einsendeschluss: 30. Juni 2013

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