Lost in Translation: „Lilyhammer“ beim Festival Großes Fernsehen

Am 27. Februar startet in Köln die achte Ausgabe des Festivals Großes Fernsehen. Fünf Tage lang flimmern im Cinedom-Kino einige der besten TV-Produktionen des Jahres über die Leinwand. Neben britischen und französischen Serien ist diesmal auch Norwegen vertreten: In „Lilyhammer“ trifft ein von „Sopranos“-Star Steven Van Zandt gespielter Mafioso auf skandinavische Gelassenheit.

Als hätte es Silvio Dante von New Jersey nach Norwegen verschlagen: Steven Van Zandt als Frank Tagliano; Fotos: NRK/Netflix

Frank „The Fixer“ Tagliano (Steven Van Zandt) muss schnell weg aus New York – sehr weit weg: Seine Konkurrenten innerhalb der Mafia rücken ihm mit Schusswaffen auf die Haut. Er entschließt sich, als Kronzeuge gegen einen der Bosse aufzutreten und sich danach unter falschem Namen und mit Finanzierung durchs Zeugenschutzprogramm ins Ausland abzusetzen. Für Verblüffung unter den Cops sorgt allerdings die Wahl seines neuen Wohnsitzes. Nicht etwa auf die Bermudas oder in ähnlich paradiesische Gefilde möchte der Mafioso entfliehen, sondern nach „Lilyhammer“. „Lilly-fucking-what?“, ist dann auch die Reaktion eines der Beamten, mit denen er den Deal aushandelt. „I think it’s in Sweden“, glaubt dessen Kollegin. Fast: Lillehammer ist eine recht verschlafene Kleinstadt in Norwegen, bekannt eigentlich nur als Austragungsort der Olympischen Winterspiele von 1994. Und deren Fernsehübertragung ist auch alles, was Tagliano je von ihr gesehen hat. Aber die klare Luft, die ursprüngliche Landschaft und die „schönen Bräute“ haben ihn nachhaltig fasziniert.

Einen cultural clash zwischen einem New Yorker Großstadtmenschen und einer abgelegenen Gemeinde in nördlicheren Regionen als Ausgangslage einer TV-Serie zu wählen, ist keine neue Idee. Unweigerlich denkt man an den Arzt und die Schriftstellerin, die es in den US-Serien „Northern Exposure“ respektive „Men in Trees“ in Käffer in Alaska verschlagen hat. Für zusätzliche Skurrilität sorgt in „Lilyhammer“ allerdings die Tatsache, dass es sich bei dem Immigranten diesmal um einen großspurigen Gangster handelt – und dass er natürlich kaum ein Wort Norwegisch spricht. Als norwegisch-amerikanische Koproduktion stellt die Serie zudem schon selbst eine Skurrilität dar, möglich wurde sie durch die Beteiligung des Internet-On-Demand-Dienstes Netflix, der hier zum ersten Mal in seiner Geschichte in original programming investierte. Während die acht Folgen der ersten Staffel in Norwegen ganz regulär im Fernsehen ausgestrahlt wurden und dabei Rekordquoten von teilweise mehr als einer Million Zuschauern erzielten, vermarktete in den USA Netflix die Serie exklusiv übers Netz.

Mit allen „Sopranos“-Manierismen

Möglich wurde die Produktion aber wohl auch nur durch die Beteiligung Steven Van Zandts als Hauptdarsteller und Produzent (und teilweise Koautor). Der Gitarrist aus Bruce Springsteens E-Street-Band erlangte durch die Darstellung des Silvio Dante, der rechten Hand von Tony Soprano in HBOs legendärer Mobsterserie, weltweite Bekanntheit unter Serienfans. In „Lilyhammer“ nimmt er diese Rolle im Prinzip wieder auf, auch wenn natürlich unter anderem Namen und mit variiertem Hintergrund. Aber all die Manierismen, die die Fans der „Sopranos“ an ihm liebten, nimmt Van Zandt einfach mit in seine neue Show. Das ist vielleicht auch der größte Knackpunkt: Sein schauspielerisches Talent ist sehr beschränkt, er funktioniert mehr als Typ denn als Charakterdarsteller; fünf Staffeln „Sopranos“ bestritt er im Wesentlichen mit eineinhalb Gesichtsausdrücken. Die heruntergezogenen Mundwinkel dominieren nun auch bei seiner Verkörperung des Frank Tagliano. Ob das, was als Nebenrolle in einer Ensembleserie kein Problem darstellte, für die Hauptrolle einer ganzen Serie funktioniert, die auf ihn alleine zugeschnitten ist,  bleibt abzuwarten.

Kommt ein Mafioso zum Arbeitsamt…: Franks Geduld wird auf eine harte Probe gestellt

An Charme und absurden Situationen mangelt es der Pilotfolge sicher nicht: Einen abgetrennten Schafskopf vor der Haustür missdeutet Tagliano zunächst als Mafiawarnung, auf dem Arbeitsamt trifft der ungeduldige „Macher“ auf einen stur-gelassenen Arbeitsvermittler, und ein (Ex-)Mafioso im Motivationskurs klingt schon von vorneherein nach Monty Python. Integration ist immer ein schwieriger Prozess, aber der Italo-Amerikaner macht es sich sowohl durch seine Aufmachung als auch durch seine Attitüde selbst zusätzlich schwer. Natürlich sind seine neuen Nachbarn nicht minder eigenbrötlerisch, aber eben auf gänzlich andere Art. Tagliano versucht jedoch, das Beste aus der neuen Situation zu machen, und Lichtblicke gibt es durchaus, etwa in Gestalt der hübschen Norwegischlehrerin. Und schon bald merkt er, dass man im New Yorker Hexenkessel erworbene Fertigkeiten wie den Umgang mit einer Pistole auch in den norwegischen Wäldern gut gebrauchen kann. Am Ende der Episode sitzt „Johnny“, wie er sich in der neuen Heimat nennt, schon recht fest im Sattel und wird in den nächsten Folgen auch seine alten Geschäfte wieder aufnehmen.

Europäische Koproduktion im HBO-Stil

Von der dramaturgischen Seite her könnte „Lilyhammer“ auch problemlos bei einem US-Kabelsender wie HBO oder Showtime laufen. Dass es sich um eine europäische Koproduktion handelt, merkt man vor allem an der überwiegend norwegischen Besetzung (falls das Festival die Folge tatsächlich gänzlich ohne Untertitel zeigt, könnten die norwegischen Dialoge für Verständnisschwierigkeiten sorgen) und natürlich am Schauplatz. Während erstere in der Auftaktfolge neben Van Zandt noch etwas blass wirkt, fällt letzterer vor allem durch schöne establishing shots der verschneiten Kleinstadt am See auf. Wobei die Bilder nicht die filmische Qualität etwa der nordnorwegischen Schneelandschaft in Matthias Glasners jüngstem Kinofilm „Gnade“ erreichen. Dazu sieht man auch einfach zu wenig von Lillehammer.

Der Humor der Serie ist eher leise, mehr zum still in sich hinein Schmunzeln als zum laut Loslachen. Ob sich darüber hinaus auch die Figuren und ihre Beziehungen zueinander in einer Weise entwickeln werden, die die Zuschauer dauerhaft zu fesseln vermag, lässt sich nach der Pilotfolge noch nicht abschätzen. Allzu zwingend sind Frank und seine Mitbürger bislang noch nicht. „Lilyhammer“ hat somit zwar reichlich Potential, Freunde witzig erzählter Mafiageschichten mit Liebhabern skandinavischer Gesellschaften gemeinsam auf der Couch zu versammeln. Genauso gut könnte sich die zweifellos originelle Grundidee aber auch noch nach einigen Folgen erschöpfen, vor allem wenn sich herausstellt, dass Van Zandts schauspielerisches Repertoire für eine so zentrale Rolle doch zu beschränkt sein sollte.

Das Festival Großes Fernsehen zeigt die ersten beiden Folgen der Serie am Sonntag, den 3. März, ab 21 Uhr 30 im Kölner Cinedom. Kostenlose Karten für das Festival kann man hier bestellen.

Ab 7. April strahlt TNT Serie die erste Staffel sonntags um 22 Uhr aus, Wiederholung mittwochs um 20 Uhr 15.

 

One comment

  1. Gibt es inzwischen auf DVD in UK.
    Untertitel in Englisch wahlweise durchgängig oder nur für die norwegischen Passagen. Lohnt sich.
    In einer deutschen Synchro gingen 80% des Witzes verloren – man mag sich das garnicht vorstellen.
    Und ja: Steven van Zandts eineinhalb Gesichtsausdrücke reichen für die acht Folgen sehr gut aus.
    Deswegen wird die zweite Staffel auch derzeit schon gedreht.

Schreibe einen Kommentar zu Josef Tura Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.