Die böse Fratze des Kommunismus: „The Dark Knight Rises“

Spätestens seit „The Dark Knight“ gilt Christopher Nolans vermeintlich realistischer Ansatz vielen Fans als unerreicht in der Umsetzung von Superheldencomics für die große Leinwand. Mit der Fortsetzung „The Dark Knight Rises“ schließt er seine Batman-Trilogie jetzt ab. Kann er an die inhaltliche Qualität des Vorgängers anknüpfen?

Eine Fledermaus in Manhattan: Christian Bale als Batman; Foto: Warner Bros.

Wie bereits in den ersten beiden Teilen der Filmreihe lässt sich Nolan auch diesmal wieder viel Zeit, bevor die Story richtig in die Gänge kommt. Etwa eine Stunde lang ist weder vom maskierten Rächer noch von Action irgendetwas zu sehen. Nachdem er am Ende des vorhergehenden Teils die Schuld am Tod des vom Volk bewunderten Staatsanwalts Harvey Dent auf sich genommen hatte, hat Bruce Wayne sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und lebt wie ein Einsiedler auf Wayne Manor. Erst als Selina Kyle, eine junge Juwelendiebin, seinen Tresor knackt und dabei offensichtlich nicht nur auf die Perlenkette seiner toten Mutter aus ist, erwacht er aus seiner Lethargie. Die katzenartige Selina (der Name Catwoman fällt im Film nie) ist jedoch nur ein kleines Rädchen in einer viel größeren Verschwörung, bei der es um nicht weniger geht als um die Vernichtung von ganz Gotham.

Dahinter steckt ein Mann mit einer implantierten Maske – nein, nicht Darth Vader, obwohl man als Zuschauer öfter denkt, Thomas Hardy würde seine Maske, hinter der seine Stimme dumpf klingt, gleich abnehmen und raunen: „Ich bin dein Vater!“. Der Bösewicht heißt Bane, seine Herkunft ist mit der Gesellschaft der Schatten verknüpft, Waynes alten Erzfeinden um seinen Mentor Ra’s Al Ghul, und er hat einen Hass gegen die ganze Menschheit. Deshalb bringt er einen von Wayne Enterprises entwickelten Nuklearreaktor in seine Gewalt und droht, die ganze Stadt damit zu sprengen. Außerdem fordert er die Bevölkerung, darunter die frei gelassenen Insassen des örtlichen Gefängnisses, auf, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und gegen die Reichen und Mächtigen, Börsenmakler wie Polizei, aufzubegehren. Seine entsprechende Brandrede wirkt, als hätte man einem bösen Oberkommunisten die Maske vom Gesicht gerissen, um seine Fratze zu entlarven, der daraufhin lostobende Mob wie eine Perversion der Occupy-Bewegung, die ständig urteilenden „Volksgerichtshöfe“, als hätte Nolan ein paar RAF-Filme zu viel gesehen. Der ganze Handlungsstrang hinterlässt den Eindruck dümmlicher antilinker Propaganda, frei nach dem Motto „Seht, das kommt dabei heraus, wenn man dem Volk die Macht übergibt.“ Jedoch scheint Nolan selbst nicht zu wissen, worauf er mit den Anspielungen auf aktuelle gesellschaftliche Ereignisse eigentlich hinaus will, und lässt sie auch bald wieder fallen.

Ebenso wenig weiß er mit seinem ausufernden Figurenensemble viel anzufangen, weshalb die meisten der von oft hervorragenden Schauspielern dargestellten Figuren blass bleiben. Bane ist der uninteressanteste Antagonist, der wohl jemals in einem Batman-Film eingesetzt wurde, die doch grundsätzlich so reizvolle Catwoman ist hier völlig verschenkt, weil sie in dem bombastischen Terrorismus-Szenario völlig fehl am Platz ist. Zudem gelingt es Anne Hathaway nie, der Figur etwas Neues hinzuzufügen und lässt so sehnsüchtig an Michelle Pfeiffer denken, die mit ihrem kleinen Finger mehr Erotik ausstrahlte als Hathaway mit ihrem ganzen Körper. Lediglich Gary Oldman verleiht seinem Polizeichef Gordon einmal mehr menschliche Tiefe. Für Batman selbst interessiert sich Nolan im Grunde überhaupt nicht, weswegen er den Dunklen Ritter zwischendurch eine Dreiviertelstunde ganz aus der Schlacht herausnimmt und als Bruce Wayne in einem unterirdischen Gefangenenlager vegetieren lässt. Das gibt immerhin Christian Bale Gelegenheit, sein durch „The Mechanist“ erprobtes Method Acting wieder hervorzukramen, inklusiver eingefallener Wangen und hervortretender Adern unter den Augen.

War „Batman Begins“ ein mittelmäßiger Film mit ausufernder Exposition, der zumindest in der zweiten Hälfte an Fahrt gewann, und „The Dark Knight“ ein langatmig beginnender, der sich dann unbestritten gleichermaßen packend wie in seinen moralischen Fragestellungen faszinierend entwickelte, wissen Nolan und seine Mitautoren im dritten Teil nun endgültig nicht mehr, worauf sie eigentlich hinauswollen. Ansätze zu Actionspektakeln werden bis kurz vor Schluss immer bereits im Ansatz abgewürgt, ein stimmiges Charakterdrama kommt schon wegen der unmotivierten Handlung und den vor albernem Pathos triefenden Dialogen nie zustande. Die Logiklöcher in der Erzählung sind zudem größer als die Löcher, von denen die Figuren ständig  verschluckt werden. Dabei bleibt nicht nur der Unterhaltungswert auf der Strecke, sondern auch der so oft behauptete Realismus hinter Nolans Ansatz. Vielleicht ist das US-Publikum durch das Niveau seiner Nachrichtensendungen aber inzwischen tatsächlich so abgestumpft, dass es denkt, eine Atombombe würde keinen Schaden mehr anrichten, wenn sie ein paar Kilometer außerhalb der Stadt hochgeht.

Außerdem passt der maskierte Fledermausmann nicht in eine Welt, die von kriegsähnlichen Kämpfen zwischen Terroristen und Polizei geprägt wird. War Batman in den Tim Burton-Filmen eine halb realistische Figur in einer halb realistischen Stadt, die zwar märchenhaft überhöht wirkte, aber doch nicht gänzlich unmöglich schien, ist er bei Nolan ein Mann in einem Karnevalskostüm im Manhattan von heute. Das ist kein realistischerer Ansatz, sondern ein unsinniger. Gut, dass Nolan keine Lust auf weitere Fortsetzungen mehr hatte und mit Zack Snyder beim anstehenden Superman-Reboot ein Regisseur zum Zuge kommt, der bisher gezeigt hat, dass er mehr Wert auf visuell stimmige Fantasyszenarien legt als auf Pseudo-Realismus. Bleibt zu hoffen, dass Nolan als kreativer Berater nicht auch noch den Mann von Krypton als realistische Figur etablieren will. Das Ende von „The Dark Knight Rises“ bietet allerdings gleich zwei Hintertürchen für eine Fortsetzung, falls Nolan in den nächsten Jahren doch mal wieder Geld braucht. kir

Ab 26. Juli im Kino.

8 comments

  1. …aber hauptsache, Nolan konnte für seine version der schauprozesse nochmal Scarecrow aus der kiste holen…Cilian Murphy ist hier wirklich der running gag der letzten beiden teile. taucht immer kurz auf, unternimmt ein paar sinnlose aktionen, hat ein paar blöde sätze, und verschwindet dann wieder spurlos. schade um eine im ersten teil interessant angelegte figur und einen guten schauspieler. danke für diese auf den punkt geschriebene kritik, sie bestätigt voll und ganz meine meinung ;-P

  2. Schrecklich lang und kitschig ist der zweite Bale-Batman, fehlt ihm doch die Härte und Stärke des Gegners, die den »ersten Teil« zumindest streckenweise interessant machte. Heath Ledger ist zu früh gegangen!

  3. Habe mir gerade (nach der ersten) auch die zweite Ausgabe eurer Zeitschrift geholt. Das Konzept finde ich großartig – eure Reviews lassen mich allerdings z.T. ernsthaft an der Kompetenz eurer Schreiber zweifeln. Den Verriss des postmodernen Meisterwerks „The Cabin in the Woods“ musste ich zweimal lesen, um mich zu vergewissern, dass ich keinen Augenfehler habe. Und jetzt das hier … Daher meine Frage: Ist es Teil eures Konzepts, gezielt gegen Filme anzuschreiben, die sonst fast ausschließlich Lob ernten, nur um euch abzugrenzen oder um besonders „feuilletonistisch“ rüberzukommen? So kommt es mir nämlich momentan vor.

  4. Nochmal ich. 🙂 Nach meinem vorherigen Post habe ich festgestellt, dass dies aussschließlich jene Beiträge betrifft, die unter dem Kürzel „kir“ verfasst werden. (Gilt auch für die genauso inakzeptable Kritik des „Walking Dead“ Comics in der aktuellen Ausgabe). Wer auch immer sich dahinter verbirgt: Der Junge sollte über Themen schreiben, von denen er etwas versteht und von Film und Fernsehen die Finger lassen. Feuert ihn einfach, dann habt ihr ein super Heft, das ich auch gerne weiterhin kaufe. 😉

    1. Dann hättest du leider nichts mehr zum Kaufen, da das das Kürzel des Verlegers und einzigen Redakteurs ist. Du hast aber schon mal gehört, dass Geschmack etwas subjektives ist, oder? Im Übrigen habe ich, gerade was TDKR angeht, nach dessen Kinostart mehr Verrisse als Lob gelesen.

  5. Oops … :-/ Nun ja … Ich wollte niemandem zu nahe treten. Dennoch:

    Klar ist Geschmack etwas subjektives. Trotzdem kann man gerade als Kritiker, der für ein größeres Publikum schreibt, zumindest objektiver formulieren.

    Damit meine ich konkret Sätze wie: „Genau die Art von Film … die niemand braucht außer ein paar 14-jährigen, die …“ (aus der „Cabin“-Kritik). Gerade weil Geschmack etwas subjektives ist, sollte man so nicht formulieren. Woher wissen Sie, wer was braucht? Zumal die Behauptung auch ganz „objektiv“ falsch ist, angesichts der Mehrheit der bisherigen Presse- und Zuschauerstimmen. Selbst im deutschen Feuilleton wird der Film derzeit abgefeiert. Dass da vor allem 14-jährige schreiben, wäre mir neu. 😉

    1. Deine Kritik an der Rezension von TDKR ist recht vage und selbst sehr subjektiv. Du gehst mit keinem Wort auf die nicht von der Hand zu weisenden Mängel des Films ein, oder entkräftest sie gar. Setting – nichts Halbes, nichts Ganzes. Charaktere – schwach gezeichnet. Spannungsbogen – dürftig. Handlung – ein Klischee jagt das nächste. Ich finde, diese und andere Aspekte hat der Autor klar heraus gestellt.
      Und natürlich hat er auch den Spielraum und das Recht, da nicht nur analytisch heran zu gehen. Gerade das macht einen guten Text aus: dass er den eigenen Empfindungen nachspürt und sie gekonnt in Worte fasst (ok, manchmal ist er auch mir einen Tick zu polemisch). Das ist insgesamt gelungen. Gruß, Kelvin.

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