„Mad Men“ s5 e01/02: „A Little Kiss“

Für die Seniorpartner dreht sich die Welt immer schneller: Draper, Sterling, Pryce und Cooper werden mit gesellschaftlichen Veränderungen konfrontiert; Foto: AMC

Das lange Warten hat ein Ende: Matthew Weiners Kritikerliebling „Mad Men“ ist endlich mit der fünften Staffel zurück bei AMC. Da der Showrunner im Vorfeld eisernes Schweigen über deren Inhalt verordnete, war die Spannung groß, in welchem Jahr uns die Figuren diesmal wiederbegegnen würden.

Inhalt: Ist es wirklich schon 1968? Darauf deutet zumindest ein Zettel an der Fensterscheibe der Firma hin, in deren Büros die erste Sequenz der neuen Staffel spielt. Ebenso wie die Tatsache, dass die Autoren uns gleich mitten hinein in die Proteste der Bürgerrechtsbewegung stürzen. [Nachtrag: Ok, es ist wohl doch erst 1966.] Unterdessen hat Don eher widerwillig seinen 40. Geburtstag mit seinen deutlich älter gewordenen Kindern gefeiert. Seine zweite Ehefrau Megan ignoriert seine Abscheu vor Geburtstagsfeiern und organisiert eine Überraschungsparty in ihrem gemeinsamen Appartement (oder sollte man besser schreiben: Loft?). Das sorgt anschließend für einige Misstöne zwischen dem noch jungen Ehepaar.

Unterdessen sorgt sich die im Mutterschutz weilende Joan um ihren Arbeitsplatz. Und Lane Pryce inspiriert der Fund einer fremden Brieftasche zu dem Versuch, ein amouröses Abenteuer anzuleiern.

Kritik: Der Seasonauftakt nach der überlangen Pause von 1 1/2 Jahren fühlt sich an wie eine Reunionfeier mit alten, lange nicht gesehenen Freunden. Entsprechend bildet die Überrschungsparty bei den Drapers das Zentrum der Doppelfolge. Sie bietet nicht nur Gelegenheit, einen Großteil des Casts auftreten zu lassen (in teilweise herrlich schrägen Klamotten; zumindest bei privaten Anlässen sind auch die New Yorker Werber längst nicht mehr so konservativ gekleidet wie noch vor einigen Jahren), sondern gewährt auch interessante Einblicke in die Ehe von Don und Megan. Im Gegensatz zu seiner ersten Ehe spielt Don diesmal mit offenen Karten: Seine zweite Frau weiß über seine Vorgeschichte Bescheid. Und obwohl die Ehe überraschend harmonisch zu verlaufen scheint, mag Don es nach wie vor einfach nicht, die Kontrolle zu verlieren.

Insgesamt ist die Folge deutlich humoristischer als in früheren Staffeln, teilweise ist das fast schon Comedy, was hier an spritzigen Dialogen geboten wird. (Kommentar Harrys zu seiner Frau über die erotische Tanzeinlage Megans auf der Geburtstagsfeier: „Wann wirst du so für mich tanzen?“ – Antwort: „Wenn du so aussiehst wie er [Don].“) Die (neue) Agentur wirkt inzwischen eher wie ein buntes junges Start-Up-Unternehmen als wie die altehrwürdige, reichlich spießige Vorgängerfirma der ersten Staffeln. Die alten Seniorpartner scheinen endgültig vom Zeitgeist überrannt worden zu sein, Cooper und zunehmend auch Sterling sind nurmehr Frühstücksdirektoren ohne Termine und Aufgaben. Die Richtung bestimmen längst die Jungen – so wie es auch in der Gesamtgesellschaft Ende der 60er Jahre immer mehr der Fall war. Dabei sorgen Roger und Bert immer noch für einige der besten Oneliner der Serie (Bert: „I have a call of nature, don’t start the meeting without me.“ – Unmittelbar, nachdem die anderen Partner ihre Besprechung ohne ihn abgehalten haben.) Don kann seinen Platz in der Agentur vorerst noch behaupten – es wird spannend zu sehen, wie lange noch. Mit seinem Hut wirkt er schon jetzt ein wenig aus der Zeit gefallen.

Neben dem lockeren, fast familiären Ton, der inzwischen bei SCDP herrscht (Pete behandelt Roger in dieser Folge eher wie einen störrischen Vater als wie einen respektierten Seniorpartner), ist auch die Art, wie die Serie mit Erotik umgeht, deutlich offener geworden. Bei manchen Szenen konnte man sich fragen, ob „Mad Men“ neuerdings von HBO produziert wird. Da wird nicht mehr dezent abgeblendet, wenn die Drapers auf dem Wohnzimmerfußboden die Lust überkommt. Die sexuelle Revolution ist auch in der Serie angekommen, ebenso wie Emanzipation auch für Frauen wie Joan und Megan mittlerweile ein selbstverständliches Ziel ist. Was gar nicht mehr in die neue Zeit zu passen scheint, ist das traditionelle Lebensmodell von Betty – die folgerichtig im Staffelauftakt erst gar nicht vorkommt.

Alle, die vielleicht spekuliert hatten, „Mad Men“ könne nach der unfreiwillig langen Pause von den zahlreichen „qualitätsvollen“ Serienneustarts der vergangenen 18 Monate überholt worden sein, haben Weiner und sein Team eines Besseren belehrt: Eine so gut geschriebene, vor Esprit und Witz sprühende und bei allem Spaß die gesellschaftlichen Umstände genau skizzierende Serie wird man zurzeit so schnell kein zweites Mal finden. The „Mad Men“ (and women) are back – with a bang! (kir)

6 comments

  1. Hi Ho,
    hätte da mal eine Frage zu „Mad Men“: Bin ein großer Serien-Fan und schaue momentan begeistert The Walking Dead & Boardwalk Empirer, aber zu Mad Men hab ich noch kein Anschluss gefunden bzw. noch keine Folge gesehen. Nun zu meiner Frage, kann man mit der Serie auch was anfangen, wenn man nicht in den 60er Jahren groß geworden ist? Oder muss man in irgendeiner weise nostalgisch veranlagt sein? 🙂
    Kann man Mad Men mit Boardwalk Empirer vergleichen von der Erzählweise (Beide Serien spiegeln ja zwei sehr berüchtigte „Zeitepochen“ wieder) oder was für Menschen wären prädestiniert dafür sich die Serie anzugucken?

    Wäre dankbar für eine kleine & kurze Einschätzung bzw. Empfehlung.
    Danke im voraus!

    Gruß

    1. Ich glaube nicht, dass man einen besonderen Bezug zu den 60ern haben muss, um die Serie zu mögen, bin selbst ja auch erst in den 70ern geboren.

      Die Erzählweise (Tempo) ist schon mit Boardwalk Empire (oder anderen HBO-Dramaserien) vergleichbar, wobei es in MM eben keine Actionszenen oder plötzliche Gewaltausbrüche gibt (Ausnahmen bestätigen die Regel). Der Nostalgiefaktor wird mMn völlig überschätzt. Wer MM nur guckt, weil er sich in die gute alte Zeit zurück sehnt oder die Kostüme so chic findet, hat die Serie ohnehin nicht verstanden, da sie unter der Oberfläche deutlich kritischer ist.

  2. Ich hab mir den Auftakt nun auch endlich angesehen und bin deutlich verhaltener in meiner Begeisterung. Ich weiß nicht, das fühlt sich alles irgendwie anders an als vorher. Manche Veränderungen kamen in der Lücke zwischen Staffel 4 und 5 scheinbar holterdipolter. Die Comedy-Elemente sind mir auch aufgefallen, ich persönlich finde sie fehl am Platz.

    Von den Themen, die die ersten Staffeln so interessant gemacht haben (Emanzipation der Geschlechter, Konstruktion von gesellschaftlicher Wirklichkeit, Aufbruch Amerikas) ist zumindest in den ersten beiden Folgen leider weit und breit nichts mehr zu sehen. Hoffentlich ändert sich das noch. Ich möchte auch gerne sehen, wie es mit Betty weitergeht, denn ihre Rolle war immerhin die, an der diese allmähliche Emanzipation gezeigt wurde.

    Aber so ’ne geile Showband hätte ich auch mal gerne zu Hause bei mir in der Wohnung. 😉

    1. Die Figur, an der die Emanzipation gezeigt wird, ist für mich in erster Linie Peggy. Betty emanzipiert sich doch im Laufe der Serie Null, ist nach ihrer Scheidung in der neuen Ehe wieder genau in derselben „frustrierte Hausfrau“-Rolle gefangen wie vorher.

      1. Seh ich anders. Peggy ist von Anfang an schon progressiver eingestellt (und ja auch ziemlich opportunistisch). Betty hingegen merkt doch allmählich, wie sehr sie sich in ihrer Ehe eingeengt fühlt und beendet die Beziehung zu Don letztlich auch. Der Weg dahin ist für mich pure Emanzipation.

        Dass sie danach wieder eine Ehe eingeht, wirkt für mich eher wie eine Bestätigung ihres neu erwachten Kontroll-Bedürfnisses. Der neue lässt sich wohl deutlich mehr bieten als Don.

        1. Naja, glücklicher wirkt sie in ihrer neuen Ehe jedenfalls nicht (s. Folge 3 der neuen Staffel). Ich denke auch, eine Ehe zu beenden, um sich danach gleich in die nächste zu stürzen, und da dann wieder die gleiche Hausfrau-und-Mutter-Rolle einzunehmen, ist nichts, was die meisten Feministinnen als Emanzipation bezeichnen würden ;).

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