Komplexe Machtspiele: „Game of Thrones“ startet im deutschen Free-TV

Manche nennen es „Versenden“, andere (zum Beispiel der Sender selbst) „Eventprogrammierung“: An diesem Wochenende strahlt RTL II die komplette erste Staffel der vergangenes Jahr erfolgreich bei HBO gestarteten High-Fantasy-Serie aus. Ende März erscheint auch die deutsche DVD-Box. Christian Spließ erläutert, ob die Adaption der Romanreihe gelungen ist.

Im Dienst des Königs: Ned Stark (Sean Bean); Fotos: HBO

Als HBO ankündigte, das erste Buch der Fantasy-Saga „Das Lied von Eis und Feuer“ von George R. R. Martin verfilmen zu wollen, stieß das Vorhaben auf Skepsis. Nicht nur weil Martin selbst die Saga noch nicht komplett fertiggestellt hat (die nächsten beiden Romane sind zwar angekündigt, aber die Abstände zwischen dem Erscheinen können schon mal an die drei, vier Jahre dauern). Sondern auch, weil die Fülle des Stoffes, die allein der erste Band behandelt, nicht zu bändigen schien. Vor allem nicht in einer Staffel, die kürzer als 24 Folgen war. Doch als HBO im vergangenen Frühjahr die ersten zehn Minuten der ersten Folge vorab online stellte, waren die Kritiker zumindest etwas besänftigt.

Schließlich fingen die ersten zehn Minuten die Atmosphäre der ersten Seiten des Buches vollständig ein – die Kälte an der Mauer, die das Königreich absichert, die unheimliche Bedrohung, die in den Wäldern lauert. Das schien doch eine adäquate Umsetzung zu werden. Dennoch: Die Romanvorlage in nur 10 Folgen zu adaptieren, ohne dabei etwas verkehrt zu machen? Konnte das gelingen?

Wenngleich man manchen Szenen die Herkunft aus dem Studio anmerkt, so etwa bei den Szenen am Gottesbaum im Garten der Starks, gelingt der Serie doch, die Handlung getreu der Vorlage umzusetzen. Was angesichts der Fülle des Stoffes eine enorme Leistung darstellt. Denn schließlich wechselt im Roman die Perspektive von Kapitel zu Kapitel, wird die Geschichte durch die verschiedenen Charaktere erzählt. Was als Stilmittel nicht neu ist, Heinrich Böll schon wandte diese Art des Erzählens in der „Fürsorglichen Belagerung“ an – doch im Fantasy-Genre ist das fragementierte Erzählen immer noch etwas Besonderes. Die Fernsehserie behält diese Struktur bei, so gut es möglich ist, übernimmt ganze Dialoge aus der Romanvorlage, und das komplizierte Machtgeflecht wird sichtbar. Denn in „Game of Thrones“ geht es hauptsächlich um eines: Um Macht und wie man an sie gelangt.

Nachdem das Geschlecht der Targaryen die Sieben Königreiche von Westeros beherrschte, wurde dessen letzter König durch Robert Baratheon ermordet. Dieser heiratete in das Haus der Lannister ein und sein Sohn Joffrey soll nach seinem Tod den Thron erben. Ned Stark, der nach dem Tod der Rechten Hand an Roberts Hof gerufen wird, erhält von der Schwester seiner Frau die Mitteilung, dass der Tod ihres Mannes – der bisherigen Rechten Hand – nicht natürlich war. Während Ned am Hof nachforscht und dabei mehr und mehr in ein Netz aus Intrigen gerät, ist auf der anderen Seite der Welt Daenerys Targaryen mit ihrem Bruder auf der Flucht. Durch ihre Heirat mit Khal Drogo, der einem mächtigen Reitervolk vorsteht, könnte sie durchaus eine Gefahr für Westeros werden – aber durch Drogos Tod werden die Karten neu gemischt.

Zudem zieht im Norden, jenseits der Mauer, eine Bedrohung auf: The Others scheinen nach Jahrhunderten wieder aktiv zu sein. Und da die Verstärkung für die „Night Watch“ immer weniger wird – diese setzt sich in der Regel aus Dieben, Mördern, Gaunern und sonstigen ungewollten Personen aller Art zusammen – ist Westeros nicht nur von einem inneren Konflikt bedroht. Gegen Ende der ersten Staffel bricht das geeinte Reich komplett auseinander und der Krieg der fünf Könige beginnt.

Reitet jetzt auch im Free-TV: Deanerys Targaryen (Emilia Clarke)

Als Zuschauer fallen einem die ständigen Wechsel der Erzählperspektiven einfacher als dem Leser, doch der Anspruch ist derselbe: Man muss genau aufpassen, um dem Hauptplot zu folgen. Die Ausstattung der Serie selbst zaubert dabei Westeros und den Stamm der Dothraki vorlagengerecht auf den Bildschirm (bis auf einige Abstriche – wie schon erwähnt gibt es Szenen, bei denen man deutlich merkt, dass sie im Studio entstanden). Wer in den ersten Minuten der ersten Folge die oft beschriebene Mauer im Norden sieht, wird beeindruckt sein. Das ist schon die halbe Miete.

Doch die schönsten Schausplätze nutzen einem nichts, wenn die Schauspieler nicht ihre Charaktere zum Leben erwecken. HBO hat einen guten Griff getan, wenngleich von den Namen bisher wohl nur der von Sean Bean dem breiten Publikum bekannt ist (mit Lena Headey ist immerhin noch die ehemalige Titelheldin der „Sarah Connor Chronicles“ dabei). Der Boromir aus dem „Herrn der Ringe“ verkörpert den nachdenklichen Ned Stark perfekt, ebenso wie auch die anderen Schauspieler gut gewählt sind: Mark Addy als Robert Baratheon trifft den rauen, derben König sehr gut. Michelle Fairley als Catelyn Stark, Neds Gattin, ist ebenso bemerkenswert. Selbst bei den Nebenrollen, wie der von Maisie Williams verkörperten Arya Stark, hat HBO exzellente Schauspieler gefunden, die die Serie mit- und zu ihrem Sog beitragen.

Es mag sein, dass HBO mit der Verfilmung der Romane eher fertig ist, als dass George R. R. Martin die nächsten Fortsetzungen geschrieben hätte. Dies wäre natürlich fatal – es ist ein übergreifender Handlungsbogen, den Martin da ersonnen hat. Zwar endet die erste Staffel mit den Ergebnissen, die durch die Nachforschungen Ned Starks hervorgerufen werden und auch die Handlung mit den Dothraki kommt zu einem Wendepunkt. Aber dies sind nur Zäsuren, keine eigentlichen Enden, sondern nur ein kurzes Innehalten, bevor die Handlung wieder an Fahrt aufnimmt. „Game of Thrones“ ist etwas für Serienzuschauer, die das Setting des „Herrn der Ringe“ gemocht haben, aber überwiegend mehrdeutige Charaktere mögen und die sich auf eine komplexe und nicht einfache Handlung einlassen wollen.

Staffel 1 wird von Freitag, 18. , bis Sonntag, 20. Mai, jeweils ab 20.15 Uhr bei TNT Serie wiederholt. Seit 30. März auf DVD und BluRay bei Warner Home Video. Staffel 2 läuft seit 1. April bei HBO und ab 23.  Mai in Deutschland bei Sky Atlantic HD (donnerstags um 21 Uhr, Preview am 23. um 22 Uhr).

3 comments

  1. Die erste Staffel brachte mich dazu die Bücher zu lesen. Jetzt ist der Zauber ein wenig verloren gegangen, dennoch gefällt mir die Serie nach wie vor ausgezeichnet, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, dass sie unter der von GRR Martin vorgegebenen zähen Story-Entwicklung ziemlich leidet.
    Es gibt Erzählstränge, die beinahe durchgängig spannend sind (hauptsächlich Aryas) und dann gibt es viel zu viele schleppende Stories (z.B. Daenerys), die den Drehbuchautoren sicherlich Kopfschmerzen bereiten. Daher freue ich mich eigentlich über beinahe jede Abweichung vom Buch.

    Ein bisschen Kritik am hiesigen Artikel: Er ist journalistisch nicht besonders anspruchsvoll. Da würde ich mich ehrlich gesagt über 6 Euro Magazin-Kosten ärgern. Aber vielleicht liegt es ja an der Online-Ausgabe, ich habe leider keinen Vergleich.
    Besser recherchieren: Maise Williams spielt nicht den Fechtmeister von Arya. Sie spielt Arya!

    Ansonsten weiter so und viel Erfolg!

    LG

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