Eine Comedy über die Angestellten und Mitarbeiter eines Country Clubs in den 1980er Jahren klingt zunächst einmal nicht nach einer besonders reizvollen Serienidee. Indiefilmer David Gordon Green und die Amazon Studios haben daraus aber eine ebenso charmante und witzige wie melancholische Coming-of-Age-Geschichte gemacht.
Ein Country Club ist eine dieser typisch amerikanischen Institutionen, für die es in Deutschland keine rechte Entsprechung gibt. Mit Tennisclub wäre sie jedenfalls nur unzureichend übersetzt. Hierhin kommt der wohlhabendere Teil der Bürger einer Stadt, um in gediegenem Rahmen ein wenig Sport zu treiben, den einen oder anderen Drink an der Bar oder im Liegestuhl zu nehmen, geschäftliche wie private Kontakte zu knüpfen und zu pflegen oder einfach mal in der Sauna auszuspannen. Das alles auf Mitgliedsbasis, so dass die Weißen und Reichen weitgehend unter sich sind – wären da nicht die Mitarbeiter, die sich oft aus Studenten und auch Angehörigen ethnischer Minderheiten rekrutieren. Eine dieser Aushilfen ist David (Craig Roberts), der sich aufs College vorbereitet und in den Sommerferien noch ein bisschen Startkapital verdienen will.
David ist ein unauffälliger Durchschnittstyp, zwar intelligent, aber nur mäßig ambitioniert, nicht allzu attraktiv, aber trotzdem mit der hübschen Karen zusammen. Von seinen Eltern hat er sich noch nicht richtig abgenabelt, wohnt immer noch zu Hause bei Vater Sam (Richard Kind), der will, dass sein Sohn in seine Fußstapfen als Buchhalter tritt, und der esoterisch angehauchten Mutter Judy (augenzwinkernder Besetzungscoup: Jennifer Grey, in den 80ern Patrick Swayzes „Baby“ in „Dirty Dancing“). Im Red Oaks Country Club in New Jersey jobbt er als Tennislehrer, was zur Folge hat, dass er meist in unvorteilhaften weißen Shorts herumläuft. Doch in diesem Sommer wird sich im Laufe einer Staffel für David vieles ändern, wird er gezwungen, seine privaten wie beruflichen Pläne zu überdenken.
Ensemble verschrobener Figuren
Um David, den Roberts ähnlich anlegt wie seine Rollen in „Submarine“ oder „Skins“, drapieren die Serienschöpfer Joe Gangemi und Gregory Jacobs ein ganzes Ensemble meist ebenso sympathischer wie verschrobener Haupt- und Nebenfiguren. Da ist zum Beispiel Davids Kifferfreund Wheeler (Oliver Cooper), der als Valet-Einparker am unteren Ende der sozialen Skala des Clubs rangiert, aber über sich hinaus wächst, als er sich in die für ihn scheinbar unerreichbare Rettungsschwimmerin Misty (Alexandra Turshen) verliebt. Es spricht für die Autoren, dass sie die attraktive Blondine nicht etwa dümmlich oder oberflächlich zeichnen, sondern höchst freundlich und sympathisch. Die zweite Beziehungsgeschichte, die sich über alle zehn Folgen zieht, ist die zwischen David und Skye (Alexandra Socha), der unkonventionellen, künstlerischen Tochter des Clubpräsidenten. Bei beiden TV-Paaren stimmt die Chemie, so dass man irgendwann unwillkürlich mitfiebert, ob sie zusammenfinden.
Vom Tonfall her schwankt die Serie, deren erste Folge der aus dem US-Indiekino stammende David Gordon Green („Pineapple Express“, „Prince Avalanche“) in Szene gesetzt hat, zwischen leisem Humor und einer ständig spürbaren melancholischen Grundstimmung, die schon dessen Debütfilm „George Washington“ (2000) auszeichnete. Es ist eine typische Kleinstadt-Coming-of-Age-Geschichte, die hier erzählt wird und die nicht nur wegen der zeitlichen Nähe der Handlung an Richard Linklaters „Dazed and Confused“ erinnert. Auch wenn es manchmal so wirken kann, wenn man gerade 19 ist, wird auch dieser Sommer zwischen Tennisplatz und Flirt mit einer neuen, reizvollen Bekannten nicht ewig dauern. Am Ende der Saison steht die Entscheidung an, welchen Weg man für sein weiteres Leben einschlagen will: wirklich eine Buchhalterkarriere anstreben wie sein alter Herr oder doch nach etwas mehr Selbstverwirklichung streben? Im Laufe des Sommers und der Jugend reift aber auch die Erkenntnis, dass die eigenen Eltern nicht ewig leben, vielleicht nicht einmal bis an ihr Lebensende zusammenbleiben werden, dass Menschen sich verändern, dass es irgendwann keine Rückkehr ins Elternhaus mehr geben kann.
Zwei Folgen stechen aus den zehn halbstündigen Episoden hervor: Die siebte ist mit Abstand die lustigste, weil hier die (zumindest für Comedyverhältnisse) realistische Handlungsebene verlassen und eine überdrehte „Body Swap“-Folge eingeschoben wird (in der der sonst meist etwas unterforderte Roberts zeigen kann, was er schauspielerisch alles drauf hat, indem er in Sprechweise und Körperhaltung eine perfekte Imitation seines Serienvaters Richard Kind gibt). Und die achte ist die herzerwärmendste, wenn in zwei parallelen Handlungssträngen David und Skye bei einem „ersten Date“ das nächtliche New York unsicher machen (und dabei schließlich in einer Live-Sex-Show landen), während Misty nach einem gelungenen Abend Wheeler das Schwimmen beibringen will.
Das nostalgische Grundelement der Serie wird natürlich durch das Setting im Jahr 1985 unterstützt, wozu die entsprechenden Songs beitragen. Alles in allem ist „Red Oaks“ in dieser Hinsicht aber sehr zurückhaltend und übertreibt es nicht mit Föhnfrisuren und anderem gruseligen Zeitbezug. Insgesamt ist den Amazon Studios, auch unter Mitwirkung von Steven Soderbergh als ausführendem Produzenten, eine liebenswerte Comedy gelungen, die das Rad nicht neu erfindet, aber sehr rund wirkt. Wer Serien wie „Freaks and Geeks“ mag, wird sich auch gerne für eine Staffel in den Red Oaks Country Club entführen lassen – und im nächsten Jahr gerne wieder, denn der nächste Sommer kommt bestimmt.
Die komplette erste Staffel ist, wahlweise auch auf Deutsch, bei Amazon Prime verfügbar.