Sherlock returns

Die dritte Staffel der BBC-Serie „Sherlock“, die am Sonntag im UK zu Ende ging, hält sich weniger mit dem Lösen von komplizierten Fällen auf, entwickelt dafür aber bestehende Charaktere und führt neue Figuren ein. Und jedes Detail zählt.

Von Hari List

Rückkehr von den „Toten“: Sherlock Holmes ist wieder da; Fotos: BBC

Kurz vor Weihnachten veröffentlichte die BBC als kleines Appetithäppchen die siebenminütige Episode „Many Happy Returns“. Darin erfahren wir, dass Anderson (Jonathan Aris) seinen Job als Forensiker bei der Londoner Polizei verloren hat und seine Zeit jetzt damit verbringt, die Lösungen mysteriöser Fälle weltweit Sherlock Holmes zuzuschreiben. Inspektor Lestrade (Rupert Graves) bringt John Watson (Martin Freeman) eine DVD mit Geburtstagswünschen von Sherlock (Benedict Cumberbatch), die dieser einige Zeit vor seinem Tod aufzeichnete.

Diese Mini-Episode bildet allerdings nur den Höhepunkt einer groß angelegten und professionell aufgezogenen Werbekampagne für die neue Staffel. Tatsächlich hat man bei der BBC Interesse daran, dass die eigenen Qualitätsproduktionen auch tatsächlich vom Publikum gesehen werden und so wurde „Sherlock“ auch zur besten Sendezeit – sonntags zur Primetime – ausgestrahlt und hat dem Sender auch dementsprechende Quoten beschert. Aber genug Salz in unsere Wunden gestreut.

#sherlocklives

Ebenfalls Salz in seine Wunden – beziehungsweise eine Kugel in den Kopf – hat sich am Schluss der letzten Staffel Jim Moriarty (Andrew Scott) gestreut. Das Fehlen eines klassischen Erzfeindes wurde in den ersten zwei Folgen durch andere Problemstellungen kompensiert und die Zeit anderweitig gefüllt.

In „The Empty Hearse“ sehen wir Anderson und den von ihm gegründeten Fanclub allerlei absurde Theorien spinnen, wie der Detektiv seinen Fall vom Dach überlebt haben könnte. Insgesamt drei verschiedene Varianten werden uns präsentiert und die vermeintlich richtige könnte dann doch nur Andersons Wahn entsprungen sein.

Sherlock hat inzwischen andere Probleme. Nachdem er sich zwei Jahre unter strengster Supervision von Mycroft (Mark Gatiss) daran gemacht hat, Moriartys Netzwerk auszuheben, ruft wieder die Pflicht. England ist in Gefahr, eine nicht näher definierte terroristische Vereinigung plant einen Anschlag. Sherlock muss aber zuerst seinen treuen Compagnon über die Fakten informieren: #sherlocklives.

Along comes Mary

John trägt inzwischen Trauerschnauz, hat aber trotzdem die Zeit genutzt und das angefangen, was geschätzte 80 Prozent aller männlichen Ärzte haben: ein Verhältnis mit der eigenen Vorzimmerdame. Diese heißt Mary (Martin Freemans echte Partnerin Amanda Abbington) und John möchte ihr gerade einen Heiratsantrag machen, als Sherlock dazwischen platzt. Dass John nicht sofort überglücklich seine Position als Sidekick wieder einnimmt, überrascht Sherlock und er behilft sich bei seinen ersten Fällen mit Molly (Louise Brealey) als Assistentin. Erst ein feuriger Moment, inszeniert von einem geheimnisvollen Mann mit Brille, bringt die beiden Freunde wieder zusammen. Und mit Mary versteht sich Sherlock ausgesprochen gut.

Sherlock (Benedict Cumberbatch, r.) vor seiner größten Herausforderung: einen Toast auf das Brautpaar (Amanda Abbington und Martin Freeman) zu halten

The game issss…something

Folge Zwei, „Sign of Three“, hält die vielleicht bisher schwierigste Aufgabe für den „high functioning sociopath“ bereit: Er ist Trauzeuge für John, mit Tanz, Geschenken, Fotos und mit einer Rede. Diese Rede bildet den Rahmen. In Rückblenden erfahren wir von den Hochzeitsvorbereitungen, von ungelösten Fällen und von der epischen Pub-Tour der beiden, die dabei sturzbetrunken einen Fall aufklären wollen.

The Man with the Google Glass

In der dritten Folge „His Last Vow” sind wieder einige Monate vergangen. John langweilt sich im Eheleben und ergreift wie ein Drogensüchtiger die erste Gelegenheit, sich in Gefahr zu begeben. Sherlock wurde inzwischen beauftragt, sich den Medienzar Charles Augustus Magnussen (Lars Mikkelsen, bekannt aus „Kommissarin Lund“ und „Borgen“ und Bruder von „Hannibal“ Mads Mikkelsen) vorzunehmen. Diese Überzeichnung von großen, politisch einflussreichen Medienmachern wie Axel Springer oder Hans Dichand, nutzt sein umfangreiches Archiv, um die mächtigen Menschen Großbritanniens zu erpressen und seine Macht stetig zu vergrößern. Selbst Mycroft möchte sich nicht mit ihm anlegen und warnt seinen Bruder.

Als es Sherlock schließlich gelingt, unter dem Einsatz von Drogen, Frauen, seiner eigenen Gesundheit und dem Laptop seines Bruders einen Deal mit Magnussen zu schließen, muss er erkennen, dass er hier wirklich an einen übermächtigen Gegner geraten ist. Mit Hilfe seiner Brille scheint der tatsächlich unbesiegbar zu sein.

Ein moderner Axel Springer? Magnussen (Lars Mikkelsen) öffnet die Türen zu seinem Archiv

Daneben gilt es aber noch, einige private Probleme zu lösen. Als wäre die quälende Verpflichtung eines Weihnachtsfestes bei den Eltern (Wanda Ventham und Timothy Carlton, Cumberbatchs echte Eltern) nicht schon genug, gibt es in Sherlocks Umfeld noch einige Leichen im Keller, die jetzt ans Tageslicht kommen.

Fazit: Drehbücher mit Langzeitwirkung

War die erste Folge eine einzige Verneigung vor der Fan-Community, so hat die zweite Folge leider ihre Längen. Die Autoren melken exzessiv die skurrilen Eigenheiten ihrer Hauptfiguren und bauen einen relativ vorhersehbaren Fall ein, um das Detektiv-Thema nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Allerdings zahlen sich die vielen vermeintlich unnötigen Elemente in der letzten Folge dann aus und die wahre Qualität der Drehbücher von Mark Gatiss, Steven Moffat und Stephen Thompson kommt erst später zur Geltung.

In der dritten Folge gibt Lars Mikkelsen als gleichzeitig widerlicher und nachvollziehbarer Bösewicht eine bessere Figur ab als der gefühlt 14-jährige Scott-Moriarty mit Spieltrieb und ADS. Ich persönlich hätte Mikkelsen gerne als souveränen, eiskalten und elitären Moriarty gesehen.

Unterm Strich bleibt Sherlock eine verdammt gut geschriebene Serie, die immer zum Diskutieren einlädt und im Moment ziemlich konkurrenzlos dasteht.

One comment

  1. Ja,Sherlock ist verdammt gut gemacht. Ich fand allerdings alle drei Episoden spannend und als Verneigung vor den Fans gedacht.
    Kleine Kritik: Amanda Abbington und Martin Freeman sind nicht verheiratet.

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