Auf Achterbahnfahrt mit Superman: „Man of Steel“

Ein Amerikaner mit außerirdischen Wurzeln: Kal-El alias Superman (Henry Cavill); Fotos: Warner Bros.

Nächste Woche fliegt Superman endlich wieder über die große Leinwand. Nachdem der bisher letzte Neustart „Superman Returns“ gefloppt war, hofft Warner Bros. jetzt, den Erfolg von Christopher Nolans Batman-Reboot mit ihrem ältesten Recken wiederholen zu können. Neben Nolan holte man sich dafür dessen Drehbuchautor David S. Goyer sowie den für gehobenen Trash bekannten Zack Snyder.

Lange hatten Superheldenfans im Allgemeinen und Anhänger der Helden des DC-Verlags im Besonderen auf diesen Film gewartet. Versuchte der Warner Bros.-Ableger doch, im Gegensatz zur Konkurrenz von Marvel, in den vergangenen Jahren mehrmals vergeblich, neben Batman einen weiteren seiner Helden (wieder) im Kino zu etablieren. Sowohl der bisher letzte Superman-Film mit Brandon Routh als auch der Green Lantern-Film scheiterten allerdings an der Kasse wie auch im Urteil der Fans. Nach dem Ende von Christopher Nolans höchst erfolgreicher Dark Knight-Trilogie soll mit dessen Hilfe als Koautor nun also der „Man of Steel“ endlich wieder vergleichbare Erfolge auf der großen Leinwand feiern.

Die größte Überraschung, jetzt wo der Film endlich zu sehen ist: Es ist ein lupenreiner Science-Fiction-Streifen geworden. Die Superman-Comics waren ja im Kern immer eher Fantasy, auch wenn der Held natürlich von einem fernen Planeten stammt. Jedenfalls waren sie immer dann am schlechtesten, wenn Superman im Weltall gegen allerlei Aliens kämpfen musste und am besten, wenn er sich auf der Erde mit den Problemen normaler Menschen herumschlagen musste. In den ersten zehn Minuten des neuen Films, die auf seiner Heimatwelt Krypton spielen, fliegen nun erst einmal alle möglichen Raumschiffe durchs Bild. Wo Marlon Brando 1978 als Vater Jor-El noch im weißen Gewand durch ein ebenso minimalistisches Szenenbild laufen durfte und seinen Jungen Kal-El als Baby in eine Rakete legte, herrscht 2013 rund um Brandos Nachfolger Russel Crowe der CGI-Overkill: martialische Rüstungen, fliegende Computer, die mit einer Art 3D-Drucker-Technik alles mögliche darstellen können, und die Wiege mit dem Baby schwebt natürlich voll automatisch in das Raumschiff, dass den letzten Sohn Kryptons kurz vor dessen Zerstörung auf die Erde bringen soll. Das sieht alles gut aus, ist aber auch mindestens eine Nummer übertrieben.

Auf der Erde angekommen gibt es einen Zeitsprung und wir sehen Clark Kent (Henry Cavill), wie Kal-El jetzt heißt, als Mitte-30-jährigen Herumtreiber und Gelegenheitsarbeiter, der versucht, seine Superkräfte vor seinen menschlichen Mitbürgern zu verbergen. Was nicht leicht ist, wenn man als Fischer zufällig gerade in der Nähe ist, wenn eine Ölplattform abbrennt und es dort Arbeiter zu retten gilt. In Rückblenden erfahren wir, dass Clark als Kind ein Außenseiter war, der auf Grund seiner gesteigerten Sinneswahrnehmungen große Probleme hatte, sich an seine irdische Umwelt anzupassen. Nolan und Drehbuchautor David S. Goyer wählen hier den gelungenen Ansatz, Superman eben nicht als makellosen Helden einzuführen, sondern als Alien im doppelten Wortsinn, eben auch als Fremden, der mit seiner Andersartigkeit zu kämpfen hat. Überhaupt macht der Film in den ersten 90 Minuten vieles richtig. Selbst wenn Clark seine Fähigkeit zu fliegen entdeckt (in den alten Christopher-Reeve-Filmen war das immer ein großer Schwachpunkt), sieht das richtig gut aus und macht sogar Spaß. Aber dann landen die anderen Kryptonier: der böse, schon von Kal-Els Vater bekämpfte General Zod (Michael Shannon) und seine Schergen, die sich nun, nach jahrzehntelanger Verbannung, die Erde untertan machen wollen. Als Gegner sind die eigentlich gut gewählt, verhindern sie doch das alte Problem, dass Superman aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit ohnehin immer die Oberhand hat.

Trotzdem fängt mit dem Eintreffen Zods das Elend nicht nur auf der Handlungsebene an, sondern auch im Kinosaal. Von so etwas wie einer Story ist nun nämlich nichts mehr zu erkennen, die letzten 50 Minuten sind eine einzige Zerstörungsorgie, der weite Teile von Manhattan…Verzeihung, Metropolis zum Opfer fallen. Da wird mit riesigen Wummen auf die superstarken Kryptonier gefeuert und Superman und Zods Mannen (und Frau) schlagen sich fast die Schädel ein – wenn die nicht so robust wären. Die Menschen sind jetzt nur noch Statisten, die weitgehend machtlos dem Wirken größerer Kräfte (hier: Wesen) ausgeliefert sind, die mal eben beinahe ihren ganzen Planeten platt machen. Tote sieht man dabei seltsamerweise nie, auch wenn die Wolkenkratzer gleich reihenweise fallen (zumindest im amerikanischen Kino scheint das Post-9/11-Trauma endgültig überwunden). In dieser letzten Dreiviertelstunde entwickelt sich der vielversprechend begonnene Film zu dem zurück, was er im Kern wohl auch sein soll: einem gewaltigen Spektakel für Jugendliche, ebenso rasant wie eine Achterbahnfahrt – und ebenso sinnfrei.

Anti-Type-Casting: Amy Adams als erstmals blonde Lois Lane

Was in diesem Reboot der Superman-Saga völlig fehlt: Clark als unscheinbarer, leicht tölpelhafter Reporter. Lex Luthor. Was nicht fehlt: Lois Lane und die Anziehung zwischen beiden. Allerdings lernt Lois Clark schon als Übermensch kennen. Auf das Beziehungs-Dreieck Clark-Lois-Superman (das eigentlich ja nur aus zwei Personen besteht, was eine davon aber nicht weiß), das den Kern nicht nur Hunderter Comicgeschichten, sondern auch ganzer Film- und Fernsehserien bildete, wird somit ohne Not verzichtet. Für Charakterdrama bleibt da nicht viel Platz, wobei dafür die Charaktere aber auch viel zu eindimensional sind. Im Wesentlichen ist jede der Figuren auf maximal zwei Eigenschaften beschränkt: Jor-El ist weise und mutig, Jonathan Kent gütig und mutig, Clark selbst hilfsbereit und… man ahnt es schon. Lois ist neugierig und tough – außerdem scheint sie selbst mehr Superheldin als Reporterin zu sein, kann sie doch problemlos ohne Sicherung an eisbedeckten Berghängen entlang hangeln und mit außerirdischen Laserwaffen, die sie zuvor noch nie in der Hand hatte, Zods Soldaten umnieten.

Von der (Selbst-)Ironie einer Teri Hatcher ist in Amy Adams‘ Darstellung leider nichts zu erkennen. Russel Crowe und Kevin Costner mühen sich redlich, ihren Vaterfiguren etwas Tiefe zu verleihen, was bei ihrer kurzen Screentime zugegebenermaßen schwierig ist. Henry Cavill, bisher hauptsächlich aus den „Tudors“ bekannt, bleibt ähnlich blass wie Brandon Routh in „Superman Returns“. Serienfreunde werden sich über die Nebenrollen von Harry Lennix („ER“) und Richard Schiff („The West Wing“) freuen, wobei letzterer hier zum hilflosen Stichwortgeber degradiert wird. Außerdem scheint Regisseur Zack Snyder BSG-Fan zu sein, tauchen doch gleich zwei ehemalige Crewmitglieder des Kampfsterns in Minirollen auf.

Was hingegen nicht aufblizt, ist Snyders sonst ja durchaus eigenwilliger visueller Stil. Wie schon so viele seiner Kollegen zuvor, die auf Grund ihres herausragenden Inszenierungsstils für Blockbuster verpflichtet wurden, musste er sich offenbar ganz den Mainstream-Normen der Produzenten anpassen, bis von seiner Individualität nichts mehr übrig blieb. Wobei Snyder anscheinend ohnehin nur dann brauchbare Filme abliefert, wenn er diese persönlich prägen kann, etwa, weil er auch die Drehbücher verfasst wie bei „300“ und „Sucker Punch“. Schon seine „Watchmen“-Verfilmung, ebenfalls eine produzentengetriebene Verfilmung eines Comic-Bestsellers aus dem Hause DC, wirkte hingegen irgendwie kraftlos. Das Drehbuch stammt diesmal von David S. Goyer (nach einer Story von ihm und Nolan) – und der hat außer der Dark-Knight-Trilogie eigentlich noch nichts auf die Reihe gebracht. Es ist wirklich erstaunlich, dass man einem Autor, der solche „Meisterwerke“ wie „Ghost Rider 2“, „Flash Forward“ und „Blade – The Series“ geschrieben oder entwickelt hat, einen Multimillionen-Dollar-Blockbuster wie diesen anvertraut. Wie schon bei „The Dark Knight Rises“ oder der kurzlebigen „Flash Forward“-TV-Serie zeigt sich bei „Man of Steel“ einmal mehr, dass Goyer vielleicht gute Ausgangsideen entwickeln kann, aber überhaupt nicht in der Lage ist, aus diesen dann auch eine bis zum Ende fesselnde Geschichte zu machen.

So ist der Auftakt zu Supermans neuen Kinoabenteuern trotz aller behaupteten Tiefe in den ersten zwei Dritteln letztendlich doch nur für Kinogänger zu empfehlen, die nicht älter als 14 Jahre sind. Alle anderen sind mit ein paar alten „Lois & Clark“-Folgen sicher besser bedient.

„Man of Steel“ startet am 20. Juni in den deutschen Kinos.

4 comments

  1. Toll, da freut man sich auf eine gelungene Wiederbelebung einer spannenden Franchise und dann das! Aber wenn man andererseits ehrlich ist: Mit seinem einwandfeien überguten Persil-Charakter passt Superman/ Clark Kent ohnehin nicht in unsere unlängst von gebrochenen (Anti-)Helden geprägten Zeiten.

  2. Ich muss zugeben, als Kind und junger Jugendlicher fand ich Lois & Clark ziemlich unterhaltsam und das „Konzept“ Superman gut. Aber mit immer mehr aufgebauten „Superhelden-Wissen“ bin ich heute der Meinung dass mir Superman überhaupt nichts gibt. Ein Alien, der auf der Erde nichts verloren hat. Kein Vigilante, kein „Man with Agenda“, kein gebrochener Mensch der auf irgendeine Art und weise Zuflucht in seinem Alter Ego findet. Da kann ich eine emotionale Verbindung eingehen (bzw. verstehen warum so viele das tun) aber Superman hat nicht nur eins der lächerlichsten Kostüme, sondern ist quasi unbesiegbar und dadurch uninteressant. Keine Ahnung in welchem Film das war, aber irgendwer sagt darin sinngemäß „peter parker ist peter parker der sich als Spiderman verkleidet, bruce wayne ist bruce wayne der sich als batman verkleidet. aber superman ist superman der sich als clark kent verkleidet.“ und genau deshalb mag ich superman nicht. die transformation vom normalo zum helden fehlt. und das ist es was die kleinen wie die großen Buben haben wollen, IMHO.

  3. Der Satz aus „Kill Bill“ stimmt natürlich weitgehend, wobei man darüber streiten kann, ob Batman nicht als Bruce Wayne auch nur eine Rolle spielt und der „Dark Knight“ nicht eher seinem wirklichen Charakter entspricht. Tim Burton hat das in „Batman returns“ sehr schön thematisiert, in der Tanzszene auf dem Maskenball mit Bruce und Selina „Catwoman“ Kyle, wo die beiden als einzige unmaskiert kommen – und man sich fragen kann, ob das nicht ihre wahren Masken sind.

    „Lois & Clark“ ist ja genau deshalb so unterhaltsam, weil Superman selbst nur eine Nebenfigur ist. Immer wenn Clark in das Kostüm schlüpft, wird’s albern. Das Charmante ist eben die Beziehung zwischen den beiden Reportern. Das fehlt im neuen Film völlig und habe ich auch in „Superman returns“ vermisst. Aber klar, in so ’nem Blockbuster meint man, da müsse man vor allem Action und Kämpfe bieten.

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