Hier und weg: der WDR startet mit „Meuchelbeck“ seine „Innovationswochen“

Mit dieser Serie sollte man nicht zum Tierarzt, sondern zum "Scriptdoctor" gehen. Foto: WDR

So sieht sie also aus, die Programmoffensive des WDR. Die sechsteilige Serie „Meuchelbeck“, die im gleichnamigen, fiktiven Nest am Niederrhein spielt, das nach 20 Jahren einen Heimkehrer mehr oder weniger freundlich aufnimmt, macht den Anfang. Der hätte gerne frischer ausfallen dürfen.

Doch der Reihe nach: Holger Stockhaus spielt den Rückkehrer Markus Lindemann kauzig bis liebenswert, und auch das weitere Ensemble ist gut besetzt, müsste es nicht das auf Biegen und Erbrechen (es wird auch das Erbe eines Gasthauses angetreten) auf skurril getrimmte Figurenarsenal darstellen.

Im Kress-Interview verweist Autor Stefan Rogall auf “Braunschlag” von David Schalko als Inspiration, was sich leider bis hin zum japanischen Bäcker ablesen lässt. Zu wünschen wäre es gewesen, wenn die Figuren, ihr Wesen und ihre Sprache in der Region selbst verwurzelt wären, in etwa so:

“Die Schönheit des Niederrheins, mein ich immer, dat is nich sone Angelegenheit, so wie man sacht, Gott is die Frau schön. Das geht tiefer. Dat krisse fast gar nich raus, warum dat so is. Auf den ersten Blick schon gar nicht. Muss ja auch nicht sein, sach ich immer, dat wär ja ne langweilige Schönheit. Nein, der Niederrhein will angeguckt werden. Und dann beginnt die große Liebe. Dat is dat Geheimnis des Niederrheins. Un wer einmal am Niederrhein war, der kommt wieder.”

Hanns Dieter Hüsch, “Sach ma nix

Dieses Gefühl in Serie gegossen wäre etwas Anderes, als jemand die verstobene Ehefrau als Puppe auf die Schulter zu setzen, wo in “Twin Peaks” noch ein Holzscheit gereicht hat. Noch trägt jede Figur ihre Merkwürdigkeit ausgestellt vor sich her; wenn es der Serie in späteren Folgen bzw. Staffeln gelänge, sich davon zu lösen, dann könnte aus „Meuchelbeck“ noch etwas werden, was dem Ensemble zu wünschen wäre.

Handwerklich ist die Produktion solide bis ins Colorgrading, gäbe es nicht die nervende Zwangsvignettierung, die leider aus dem Vorspann gesuppt ist und den ansonsten runden Look ein wenig verdirbt. Das wird nur noch von den Musikeinsätzen an Überflüssigkeit überboten, die jede kleinste dramaturgische Regung aufdringlich mit Erklärmusik unterlegen müssen, von witzig über geheimnisvoll bis unheimlich. Das ist schade, denn die Darsteller haben anfangs schon genug mit den hölzernen “Erzähmadialogen” zu tun (“Du hast uns doch hier alle sitzen lassen. 20 Jahre lässt du kaum was von dir hören …”, “Willst du uns nicht was von Berlin erzählen? Du hattest da doch eine Firma.” – “Damit ging er doch gleich pleite.”, etc.), die einer dringend nötigen Natürlichkeit noch im Wege stehen. Mag sein, dass das in den weiteren Folgen besser wird, lieber mag ich gleich auf die nächste Staffel warten. Vorausgesetzt natürlich, man vertraut dann seiner Geschichte, den Darstellern und vor allem der Region, in der die Serie (angeblich) spielen soll. Man muss nicht vom Niederrhein sein, um sich nicht wiederzuerkennen. Leider.

“So’n leerer Sarg macht überhaupt keinen Spaß.” ist weder schwarzer, noch trockener Humor und “Meuchelbeck” mit seinen knapp 50 Minuten pro Folge weder Fisch noch Fleisch: für Comedy meist zu langsam, für Drama zu gewollt und für Krimi oder Thriller zu langweilig.

Gute Ansätze sind ja vorhanden, das “Ich war 18, gefühlte 16 …” etwa hat mir ein Lächeln entlockt, oder der weitere Verlauf nach dem Hilferuf via Handy, als Markus auf der einzigen Landstraße unter Beschuss durch Unbekannt gerät.

Unterm Strich reicht das leider nicht, dass ich mir auch die weiteren Folgen ansehen möchte. Stattdessen habe ich mir ein paar Ausschnitte aus den Programmen von Hanns Dieter Hüsch gegönnt, der zumindest den Älteren unter uns als Erstes in den Sinn kommen sollte, wenn man in diesem Land an den Niederrhein denkt.

Für den Fall, dass es eine zweite Staffel geben sollte, möge man sich diese Dokumentation aus dem Jahre 1984 zu Gemüte führen und sich außerdem vom echten heutigen Niederrhein inspirieren lassen, dann kann es nämlich nur besser werden:

In Anlehnung an den großartigen Künstler mit seiner unnachahmlichen Stimme, sei angemerkt: “Geht ma [nach]sitzen!”

Alles sechs Folgen von „Meuchelbeck“ findet man in der WDR-Mediathek, linear ausgestrahlt werden sie derzeit montags um 20 Uhr 15 im WDR Fernsehen.

3 comments

  1. Endlich mal eine Kritik, die mir aus der Seele spricht. Die meisten Kritiker beurteilen Meuchelbeck ziemlich positiv. Hängt wohl hauptsächlich damit zusammen, dass sie noch nie am Niederrhein waren. Ich hab nur die Pilotfolge gesehen und währenddessen die ganze Zeit überlegt, ob ich den WDR wegen Beleidigung anzeigen soll.
    Die Landschaft ist nicht Niederrhein, die Sprache erst recht nicht. Klar gibts hier am Niederrhein auch Kuh- bzw. Spargeldörfer und es ist nicht Köln (was den WDR nicht davon abhält, zwecks Kostensparen Köln und Umgebung wahlweise als Düsseldorf, Münsterland oder jetzt eben Niederrhein auszugeben).
    Wir haben aber genug Skurrilitäten, Landschaft, sprachliche Eigenheiten, Karneval, Provinzpossen, Fietswege und Schnupp (für brave Schauspieler als Belohnung) zu bieten, um damit eine richtig lustige und originelle Serie zu machen. Meuchelbeck ist weder originell noch lustig, vielmehr eine Beleidigung der Gebührenzahler, die am Niederrhein wohnen oder von dort stammen.

    1. Vielen Dank für das Feedback, was mich in diesem Fall besonders freut, da ich diesen Artikel zunächst gar nicht schreiben wollte. Dann überkam mich aber die Erinnerung an den einzigartigen Hanns Dieter Hüsch, den ich noch live erleben durfte, und im Vergleich dazu eben diese austauschbare Stangenware, die überall und damit nirgendwo angesiedelt ist.

      Denn am Gedanken eine Serie am Niederrhein spielen zu lassen ist noch alles richtig, aber dann sollte der Autor nur besser entweder von dort stammen – wie beispielsweise Edgar Reitz aus dem Hunsrück, dessen Epos HEIMAT derzeit erstmalig in wunderbarem HD auf arte zu bestaunen ist – oder wenigstens Zeit zur Recherche dort verbracht haben, um den Menschen vor Ort zuzuhören, dann ergeben sich die zu erzählenden Geschichten nämlich von alleine. Vieleicht erleben wir ja noch den Tag, an dem der WDR das wieder neu* erlernt, statt zu versuchen mit seiner „Offensive“ das Publikum was – zu besiegen?

      * neu deshalb, weil man mit ROTE ERDE dem Ruhrpott in den 80ern ein wunderbares Denkmal gesetzt hat, obwohl die Serie auf dem Gelände der Bavaria gedreht wurde. Ein gewonnenes Auswärtsspiel. Nur mit dem Heimspiel hapert es.

      1. Mit dem Heimspiel hapert es beim WDR tatsächlich. Das betrifft ja nicht nur den Niederrhein, sondern viele andere Regionen in NRW, deren Bewohner sich darüber auch aufregen. Ich könnte vom Fleck weg ein paar lustige Geschichten erzählen, die man so (fast) nur am Niederrhein erleben kann. Wenn der WDR sich aber nicht die Mühe macht, derartige regionale Besonderheiten aufzuspüren und abzubilden, bekommen wir eben weiter diesen Einheitsbrei präsentiert, wo alle NRWler Schubladen zugeordnet werden und dann klischeehaft dargestellt werden. Landbewohner übrigens überall gleich. Es gibt beim WDR wohl keinen Verantwortlichen, der sich vorstellen kann, dass auch das Leben außerhalb der Großstadt lebenswert sein kann. Da wünsch ich mir den Hüsch zurück.

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